Transparency International fordert entschlosseneres Vorgehen gegen Korruption in Tschechien
In der vergangenen Woche hat die Mitte-Rechts-Koalition von Premier Petr Nečas (ODS) die von Innenminister und Vizepremier Radek John (VV) vorgelegte Anti-Korruptions-Strategie vorläufig beschlossen. Damit ist nach Ansicht der Koalitionsparteien der Beweis erbracht, dass es sich tatsächlich – wie beim Amtsantritt im vergangenen Sommer versprochen – um eine Anti-Korruptions-Regierung handelt. Heftige Kritik an den Maßnahmen gegen Korruption der neuen Regierung übt hingegen „Transparency International“. Die Ziele seien schwammig formuliert und die konkrete Umsetzung unklar, so die Nichtregierungsorganisation. Tschechien brauche dringend echte Reformen zur Eindämmung der weiter wuchernden Korruption, etwa einen Totalumbau der Parteienfinanzierung.
„Wir kennen das Papier noch nicht im Detail. Aber anhand dessen, was wir gesehen haben, konnten wir feststellen, dass es zwar einige sehr wirksame Maßnahmen im Kampf gegen die Korruption enthält. Viele andere Punkte sind allerdings eher fragwürdig. Und in einigen Schlüsselfragen sind wir immer noch in dem Stadium, dass eine Analyse der Problematik vorgeschlagen wird. Das ist nach sieben Monaten recht wenig. Eigentlich müsste die Strategie jetzt bereits in allen Bereichen konkrete Maßnahmen enthalten. Die Regierung müsste jetzt schon wissen, wie sie die verschiedenen Probleme konkret bekämpfen will“, erläutert Václav Láska, der Vorsitzende des Verwaltungsrates der tschechischen Teilorganisation von „Transparency International“.
Besonders anfällig für Korruption sei nach wie vor das System der Parteienfinanzierung, ergänzt der Leiter des tschechischen „Transparency“-Büros, David Ondráčka:
„Das System der Parteienfinanzierung hat große Lücken, was die Kontrolle betrifft. Die Jahresberichte und Spendenquittungen werden durch das Abgeordnetenhaus überprüft. Das ist eine Art Selbstkontrolle, denn die politischen Parteien lassen ihre Jahresabschlüsse durch Abgeordnete überprüfen, die selbst Mitglieder und Funktionäre ebendieser Parteien sind. Und die sollen nun unvoreingenommen überprüfen, ob die Berichte vollständig sind und ob die Quittungen in Ordnung sind. Dieses System muss sich grundlegend ändern. Es muss eine tatsächlich unabhängige Kontrolle der Parteifinanzen gewährleistet werden, auf die die Parteien keinerlei Einfluss nehmen können.“
Zwar würden die politischen Parteien bereits jetzt auch von externen Experten geprüft. Doch deren Auswahl sei alles andere als transparent. Transparency-Chef Ondráčka schlägt deshalb eine Bestellung der Prüfer durch das Zufallsprinzip – etwa per Los – und eine regelmäßige Rotation der Auditoren zwischen den einzelnen Parteien vor.Eine wichtige Rolle bei der Aufdeckung von Korruption könnten und müssten auch die Bürger spielen, findet die Nichtregierungsorganisation „Transparency International“:
„Wir fordern alle Bürger und Beamten auf, die davon wissen oder wenigstens den Verdacht haben, dass bestimmte Parteien oder einzelne Politiker aus verdächtigen Quellen finanziert werden, sich an uns zu wenden. Auch dann, wenn ihr Verdacht nicht durch Beweise zu belegen ist. Wir haben eine gute Rechtsabteilung, die auch aus solchen vagen Anhaltspunkten etwas machen kann. Unsere Juristen können bereits auf einige Erfolge zurückblicken: Wir haben eine Reihe von Strafanzeigen eingebracht. Und zwar nicht nur deshalb, um in den Medien Aufmerksamkeit zu erwecken. Unsere Anzeigen werden von Juristen ausgearbeitet, die Erfahrung mit dem Strafrecht haben. Das hat bereits zu klaren Ergebnissen geführt: Es gibt die ersten Anklagen und sogar schon einige Verurteilungen, die auf der Grundlage unserer Anzeigen geschehen sind“, so Václav Láska von „Transparency International“.
Sich hingegen ohne konkrete Beweise mit einem Korruptionsverdacht direkt an die Polizei und die Justiz zu wenden, könne für engagierte Bürger schnell zum Bumerang werden, warnt Láska, der als ehemaliger Polizist aus Erfahrung spricht:
„Sagen wir, es kommt ein Beamter auf die Polizeiwache und sagt, er habe den Verdacht, sein Vorgesetzter habe eine Straftat begangen. Zum Beispiel, indem er sich oder einem Familienangehörigen ohne Anspruch zu einer Subvention verholfen hat. Die Polizei sagt: ‚Sie haben aber keine Beweise’ und fordert ihn auf, welche zu sammeln. Also bringt der Beamte Teile aus der entsprechenden Akte zur Polizei – und verlässt die Wache mit einer Anzeige wegen Missachtung der Datenschutzbestimmungen in der Tasche. Drei Jahre wird deswegen gegen ihn ermittelt. Die ursprünglich von ihm angezeigte Tat seines Vorgesetzten interessiert hingegen niemanden mehr. Solche Dinge sind bei uns immer wieder passiert und sie passieren immer noch.“
Deshalb fordert „Transparency International“ einen verbesserten Schutz für diese so genannten „Whistleblower“. Es könne nicht sein, dass jene mutigen Bürger, die die Alarmglocke läuten und Korruptionsfälle zur Anzeige bringen, für ihr Verhalten schikaniert und bestraft würden, während die wahren Täter zumeist ungestraft davonkämen. Das jüngste Opfer dieser in Tschechien gängigen Praxis sei Libor Michálek, der ehemaliger Leiter des staatlichen Umweltfonds, kritisiert Korruptionsjäger Láska:„Die Art und Weise, wie man mit Herrn Michálek umgeht, der so ein ‚Whistleblower’ ist, zeigt ganz klar, dass sich diese üble Praxis hierzulande nicht ändert. Wieder wurde jemand dafür bestraft, dass er auf strafbares Handeln, auf Korruption aufmerksam gemacht hat. Er wird dadurch bestraft, dass er seine Arbeit verliert. Und dadurch, dass man ihn anpatzt und in seinem Vorgehen verschiedene kleine Unzulänglichkeiten sucht. Dabei zieht niemand in Betracht, dass Michálek den Mut aufgebracht hat, sich gegen seine Vorgesetzten zu stellen und diese Machenschaften aufzudecken. Das war für ihn eine mehr als heikle Situation und wenn er dabei kleinere Fehler gemacht hat, dann ist das nur zu verständlich. Nach unserer Ansicht sollte Herr Michálek sofort auf seinen Posten als Leiter des Umweltfonds zurückkehren. Dass dies bis jetzt nicht geschehen ist, werte ich als klares Signal der Regierung, dass sie diesen ‚Whistleblowern’ keinen Schutz bieten will. Und es ist auch ein deutliches Zeichen an alle erblichen Bürger und Beamte: ‚Wenn ihr korruptes Verhalten anzeigt, werdet ihr bestraft.“
So lange sich an dieser Taktik der Anschwärzung von ehrlichen Beamten und Bürgern nichts ändere, sei auch die umfassendste Anti-Korruptions-Strategie der Regierung so gut wie wirkungslos, kritisiert Václav Láska von „Transparency International.“