Energiegigant ČEZ verschafft dem Staat Geld und der Wirtschaft Investitionen
Die Staatsverschuldung sei zu hoch, klagt die neue tschechische Regierung, es müsse jetzt eisern gespart werden. Neben der ungeliebten Rotstift-Politik sucht das Kabinett fieberhaft nach fetten Einnahmequellen, die das Haushaltsloch stopfen sollen. Daher richteten sich die staatstragenden Blicke vor einer Woche auch sehr gebannt auf eine Pressekonferenz im Prager Hotel Palace, auf der der Energieriese ČEZ seine aktuelle Halbjahresbilanz bekannt gab.
„Der Reingewinn ist im ersten Halbjahr dieses Jahres auf 28,7 Milliarden Kronen gesunken.“
Im Jahresvergleich entspricht das einem Rückgang von 18,5 Prozent. Auf dieses Ergebnis hätten verschiedene Faktoren Einfluss gehabt, so Generaldirektor Roman:
„Der Hauptgrund war ohne Zweifel der Preisrückgang für Elektroenergie. Dennoch ist es uns gelungen, einen Teil der Einnahmenverluste aufzufangen durch das so genannte Tripping, was nichts anderes heißt, als dass wir Energie im Voraus verkauft haben.“
Auf diesen Dreh sei man bereits im Jahr 2008 gekommen, und genau deshalb sei im vergangenen Jahr auch das bereits erwähnte Rekordergebnis überhaupt erst möglich geworden, betonte Roman. Ein Gewinnrekord wohlgemerkt im Krisenjahr 2009 – das sei schon eine Leistung, die hierzulande ihresgleichen suche. Der Generaldirektor zeigte sich daher optimistisch, das für Ende dieses Jahr angepeilte Ziel zu erreichen:
„Wir sind durchaus zuversichtlich, dass wir unsere Prognosen für dieses Jahr auch realisieren können. Wir rechnen daher weiter mit einem Betriebsgewinn von 88,7 Milliarden Kronen und einem Reingewinn von 46,7 Milliarden Kronen.“
Umgerechnet will ČEZ also einen Reingewinn von 1,84 Milliarden Euro erzielen. Ein hübsches Sümmchen, mit dem auch wieder eine erkleckliche Dividende für die Staatskasse herausspringen sollte.
Der Energiegigant ČEZ versteht sich jedoch nicht nur als Kassenfüller für den Staatshaushalt. Das Unternehmen habe besonders in den zurückliegenden Monaten bewiesen, dass es auch der Turbo-Motor der tschechischen Wirtschaft sein könne, unterstrich Roman:
„Wenigstens ČEZ ist in dieser schwierigen Zeit ein Unternehmen, das den tschechischen Firmen Aufträge beschert. Diese Tatsache zeitigt augenblicklich einen positiven Effekt auf die tschechische Wirtschaft und langfristig gesehen wird sich solch ein Effekt auch in der Umwelt niederschlagen.“
Martin Roman spielte damit auf die umfassenden Investitionen an, die ČEZ auch im ersten Halbjahr dieses Jahres bereits wieder getätigt habe. Und zwar in einer Gesamthöhe von knapp einer Milliarde Euro. Von dieser Summe sei mehr als ein Drittel in die Technologien zur Nutzung der erneuerbaren Energien geflossen und knapp ein Fünftel wurde verwendet, um die Energiegewinnung aus der Kernkraft zu forcieren. In erster Linie konzentriere sich ČEZ bei seinen Investitionen auf den inländischen Markt, während man die im Ausland getätigten Akquisitionen vorerst konsolidieren und nur langsam ausbauen wolle, sagte Roman. Die neue Zurückhaltung bei Auslandsinvestitionen beruhe auch auf den guten Erfahrungen, die ČEZ in einer Krisenzeit wie dieser bereits gemacht habe, ergänzte der Generaldirektor:
„Wir haben sehr früh die Risiken erkannt, die es auf den Energiemärkten in Russland und der Ukraine gibt. Wir sind hier daher einer Privatisierung aus dem Weg gegangen und mussten so auch nicht mehrere Milliarden Euro Verlust abschreiben, wie es mehreren unserer größten Konkurrenten passiert ist.“Auch aus diesem Grund hat ČEZ seine ausländischen Aktivitäten jetzt auf Sparflamme zurückgedreht und beschlossen, zu den Privatisierungen der polnischen Energieunternehmen PAK und Energa sowie der deutschen Firma Steag keine Angebote zu unterbreiten. Und das, obwohl ČEZ gerade bei den beiden letztgenannten Verkaufsverfahren aussichtsreich im Rennen lag.
In der Ausschreibung werde Steag nur komplett zum Verkauf angeboten, man könne sich daher nicht einzelne Segmente herauspicken, antwortete Alan Svoboda, der Handelsdirektor von ČEZ, auf die Journalistenfrage, ob das Interesse an Steag in der Tat gänzlich erloschen sei. ČEZ-Chef Roman betonte noch einmal, dass man jetzt verstärkt auf die Erschließung der heimischen Ressourcen setze und dabei ein ganz besonderes Augenmerk auf die Wärmekraft werfe. In diesem Segment habe man noch keinen herausragenden Marktanteil und damit auch noch keine Probleme mit dem hiesigen Kartellamt, bemerkte Roman. Handelsdirektor Svoboda ergänzte:
„Diesem Trend entspricht auch die Entwicklung des Kohleabbaus in Nordböhmen, der dort vom Unternehmen Severočeské doly betrieben wird. Der Verbrauch von Kohle durch andere Abnehmer ist gestiegen und wir erwarten, dass auch unser eigener Bedarf im zweiten Halbjahr zunehmen wird. Insgesamt wird das Grubenunternehmen in diesem Jahr fünf Prozent mehr Kohle fördern als 2009.“ČEZ ist mit einem Aktienanteil von über 93 Prozent der klare Mehrheitseigner am Grubenunternehmen Severočeské doly und kann daher auch direkten Einfluss nehmen auf die Leistungs- und Preisentwicklung im Geschäft mit der Kohle. Dass dieses Segment derzeit wieder eine gute Einnahmequelle ist, belegt auch der Kauf, den ČEZ vor Jahresfrist getätigt hat: die Übernahme der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft (kurz: Mibrag).
„Wir sind wirklich sehr zufrieden damit, dass wir die Mibrag übernommen haben. Zum einen wird diese Firma sehr gut geführt, sie sichert uns gute Einnahmen und sie hat stabile Kunden. Und zum zweiten spüren wir dort im mitteldeutschen Raum auch die Unterstützung der regionalen Politik. Die Mibrag ist eine der besten Akquisitionen, die wir bisher getätigt haben“, bekräftigte Martin Novák, der Finanzdirektor von ČEZ.
Neben der Kohleenergie will ČEZ in Zukunft aber auch noch andere Möglichkeiten nutzen, um Wärme zu produzieren. Im Gespräch dafür sind zum Beispiel die beiden tschechischen Atomkraftwerke Dukovany und Temelín, die neben der Erzeugung von Elektroenergie eines Tages auch die Großstädte Brno / Brünn und České Budějovice / Budweis mit Fernwärme versorgen sollen.