ODS – Schweinegrippe – Alkohol am Steuer
In den tschechischen Kommentarspalten geht es in dieser Woche um den Parteitag der Bürgerdemokraten, der ODS. Da war viel von Erneuerung die Rede. Es geht natürlich immer noch um die laufenden Koalitionsverhandlungen. Dabei schlagen wir sogar einen Bogen zur Schweinegrippe, streifen kurz die Bankensteuer und landen dann – wie kann es anders sein – beim Bier.
Christian Rühmkorf: Die Kommentatoren sind da etwas zurückhaltender. Karel Steigerwald von der Mladá fronta Dnes hebt das starke Mandat des Parteichefs hervor und fragt zugleich, ob Petr Nečas – wie er es versprochen hat - die Partei wirklich verändern kann:
„Aus dem Kongress ist eine komplett neue Führung hervorgegangen. Auf den Schlag der Wähler folgte die schnelle Antwort. Aber es muss sich am Ende gar nichts ändern. Die neue ODS etabliert sich, knüpft die abgerissenen Kontakte wieder an, gießt über uns wieder den gewohnten Übermut aus – bis zur nächsten Katastrophe, die dann nur noch eine Posse wäre. Solche Hoffnungen, wie sie die gerade entstehende Koalition verbreitet, zu vergeuden, ist eigentlich kaum möglich. In der Politik allerdings ist alles möglich, auch das Unmögliche.“Moderator: Karel Steigerwald klingt als wüsste er selber noch nicht genau, was er davon halten soll.C. R.: Möglich. Etwas gemischte Gefühle hat aber auch Martin Weiss von der Lidové noviny:
„Das ist keine andere, keine neue Nečas-ODS – denn allein zwei der frisch gewählten Vizechefs hat ja schon seinerzeit der vorherige Parteivorsitzende Mirek Topolánek als hoffnungsvoll bezeichnet.“
Aber dennoch sieht Weiss eindeutige Anzeichen zu einer Verbesserung, zu mehr Verantwortung. Probleme erwartet in der Wirtschaftszeitung Hospodářské noviny Kommentator Jiří Leschtina. Er spielt darauf an, dass bei einer Erneuerung zugleich auch immer Fronten mit den alten Kadern entstehen:
„Der Premier und seine Minister werden riskante Entscheidungen treffen müssen, welche sich auf die breitesten Schichten auswirken. In ihrem Rücken werden sie dabei nicht nur eine Opposition haben, mit der es keine Vereinbarungen gibt, sondern auch einige Dutzend parteiinterne Gegner, die darauf warten, dass die Regierung einen Fehler macht.“
Moderator: Du hattest auch noch die Schweinegrippe erwähnt, oder?
C. R.: Richtig. Jiří Franěk von der Právo erinnert nämlich an diese längst vergessene Pandemie, an die Unsummen, die in Form von Impfstoffen die Lager überfüllen. Franěk fragt: Wer hat bei uns das Geld für diesen Betrug eingeheimst, wer trägt die Verantwortung? Der Kommentator findet daher die jüngsten Pläne der künftigen Regierung gar nicht schlecht:
„Die Verhandlungsführer der künftigen Koalitionsparteien bereiten ein Gesetz vor, das die persönliche und materielle Verantwortung der Staatsbediensteten und der Politiker erhöht und zwar für den Fall, dass ihr Handeln Schaden verursacht. Und das selbstverständlich ohne Rücksicht auf die vielleicht guten Absichten.“
Moderator: Christian, das neue Abgeordnetenhaus ist zusammengekommen und sich seine Vorsitzenden gewählt. Das Neue: Es gibt statt fünf Stellvertretern nur noch drei. Von der sozialdemokratischen Opposition ist nur einer dabei und die Kommunisten gehen leer aus. In der Leitung des Hauses gibt es drei Frauen und nur einen Mann.
C. R.: Der Verfassungsrechtler Jan Wintr kritisiert in der eher linksgerichteten Právo die Entscheidung der potenziellen Koalitionsparteien. Das schade dem ganzen Hause:„Eine würdevolle Vertretung der Opposition in der Führung des Abgeordnetenhauses kann dazu beitragen, einen bestimmten Grad an Konsens zu erhalten. Dieser Konsens ist wiederum die Voraussetzung für gegenseitigen Respekt, und der ist notwendig, damit das Abgeordnetenhaus seiner Aufgabe in Ehre gerecht wird.“
„Dadurch, dass im Abgeordnetenhaus mehr als die Hälfte der Parlamentarier Debütanten im hohen Hause sind, ist zu erwarten, dass es in der Tat mehr Kultiviertheit ausstrahlen wird. Solange aber die Abgeordneten nicht den Gesetzgebungsprozess ändern, die Macht der Unternehmerlobby einschränken und dadurch das Korruptionsrisiko senken, verbessert auch der weibliche Charme nichts am Ruf des Abgeordnetenhauses.“
Moderator: Kommen wir zur europäischen Bankensteuer, die die EU-Kommission und viele EU-Staaten haben wollen. Die Steuer soll ja eine Art Sicherheitsfonds sein, damit die Banken sich in Krisenzeiten selber retten können.
C. R.: Genau. Julie Hrstková von der Hospodářské noviny stört, dass die Einnahmen aus der Bankensteuer auch zum Stopfen der Haushaltslöcher verwendet werden können. Ungarn habe offen verkündet, das Geld so einsetzen zu wollen.
„Wenn die Gelder aus der Bankensteuer als eine Einnahmenquelle für den Haushalt verstanden werden, dann gewöhnen sich die Staaten daran und das Geld wird in den regelmäßigen Ausgaben versickern. Die Funktion der Bankensteuer als eine Art Stabilisator, wenn der Finanzsektor noch einmal in Probleme geraten sollte, ist damit gleich null. Der Druck zur Einführung der Bankensteuer ist nichts anderes als eine Reaktion auf die aktuellen Haushaltsprobleme. Die Märchen über Prävention können nur chronisch naive Menschen glauben.“Moderator: Gut - Koalition, Schweinegrippe, Bankensteuer haben wir abgehakt. Bleibt noch das Bier, das Du versprochen hattest.
C. R.: Ja, der Senat will die Strafen für ein paar Verkehrsdelikte abmildern. So sollen geringfügige Mengen Alkohol im Blut nicht mehr mit Strafpunkten geahndet werden. In Tschechien gilt ja Null-Toleranz beim Alkohol.
Martin Komárek von der Mladá fronta Dnes ist dennoch unzufrieden. Die Senatoren hätten mutiger sein und wenigstens das vorschlagen können, was in der großen Mehrheit der zivilisierten westlichen Länder normal sei – und zwar, dass eine geringfügige Menge Alkohol im Blut grundsätzlich toleriert wird. Komárek schreibt:
„Die große Mehrheit der EU-Länder vertraut den Autofahrern und ermöglicht ihnen, zum Mittagessen ein Bier oder ein Glas Wein zu trinken und sich trotzdem hinters Steuer zu setzen. Wenn die obere Parlamentskammer das vorgeschlagen hätte, hätte sie wenigstens eine Debatte ausgelöst. Die Vertreter des kultivierten Alkoholkonsums ziehen nämlich den Kürzeren gegenüber jenen, die behaupten, dass die Tschechen schlimmer seien als die Deutschen, die Österreicher, die Italiener oder die Briten. Die könnten sich angeblich einen Schluck genehmigen, während wir unverantwortlichen Tschechen sofort den Bogen überspannen würden.“Moderator: Komárek klingt ein bisschen beleidigt?C. R.: Ja, und ich bin mir nicht sicher, ob zu Recht. Aber egal - ich finde, solange man sich in Zeiten der Wirtschaftskrise und Entlassungen im Senat noch mit solchen Fragen befasst, da sind Hopfen und Malz noch nicht verloren, oder?
Moderator: Der Medienspiegel war das, heute mit Christian Rühmkorf, vielen Dank!