Rücktritt, Antritt und der Kampf gegen den Terrorismus
Auch in der Karwoche geht es um höchst weltliche Themen: allem voran natürlich der Rücktritt von Ex-Premier Mirek Topolánek als Parteichef der Bürgerdemokraten. Zudem haben sich die Zeitungskommentatoren mit dem Führungswechsel am Institut für das Studium totalitärer Regime beschäftigt, vom Geschehen aus dem Ausland standen besonders die Terroranschläge in der Moskauer U-Bahn im Fokus.
Moderator: Am Donnerstag ist nach sieben Jahren der Parteivorsitzende der konservativen Bürgerdemokraten zurückgetreten. Er war ja durchaus umstritten, weil er manchmal wenig feinfühlig war und losgepoltert hat. Auch Journalisten haben ab und zu ihr Fett abbekommen. Wie ist das nun, weinen die Kommentatoren diesem Topolánek tatsächlich keine Träne nach?
T. Janzer: Ganz so hart ist es nicht. Eigentlich wird ziemlich ausgewogen geurteilt. Zum Beispiel schreibt Viliam Buchert in der Mladá fronta Dnes:
„Es ist sicher gut, dass Mirek Topolánek als Parteivorsitzender aufgehört hat, denn er hat den Namen der Bürgerdemokraten häufig diskreditiert und einige ernste Fehler begangen. (…) Auf der anderen Seite hat er die Bürgerdemokraten mit neuen Gedanken versorgt, über Jahre hinweg hat er sie am Leben gehalten. Er hat einige Wahlen hervorragend gemeistert und gewonnen. (…) Am Ende ist er aber über seine eigene Person gestolpert. Und er hat sich mit Mitarbeitern umgeben, die vor allem an privaten Vorteilen interessiert waren, die aus Macht und Korruption entstehen.“Soweit der Kommentar aus der eher liberal-konservativen Mladá fronta Dnes. Interessant ist dem ein kurzes Zitat aus einer eher links orientierten Zeitung gegenüberzustellen. Jiří Hanák schreibt in der Právo:
„Obwohl ich nie ein Anhänger der Bürgerdemokraten oder ihres zurücktretenden Vorsitzenden war, würde ich ihm eine Sache zu gute halten: Und zwar die Idee, die frühere Sekte von Václav Klaus der breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“
Václav Klaus, der heutige tschechische Staatspräsident, den Hanák hier erwähnt, war übrigens vor Topolánek Parteivorsitzender und gilt als Gründervater der Bürgerdemokratischen Partei ODS. Das nur zur Anmerkung.Moderator: Die Kommentatoren schieben also den Sturz Topoláneks auch auf die Verhältnisse innerhalb seiner Partei. Der neue Vorsitzende ist nun Petr Nečas. Er führt die ODS zudem als Spitzenkandidat in die anstehenden Wahlen, die Ende Mai stattfinden. Wie wurde der Wechsel im tschechischen Blätterwald reflektiert?
T. Janzer: Noch längst nicht als Sieg von Petr Nečas. Dazu Jiří Leschtina in der Hospodařské noviny:
„Der größte Feind von Nečas ist die Zeit. Schwerlich wird er innerhalb der nächsten fünf Wochen zeigen können, dass in der Demokratischen Bürgerpartei ODS nach Topolánek etwas anders geworden ist. Zumal beide Männer eigentlich nur ihrem Naturell nach zwei Gegenpole bilden. Politisch standen sie sich immer sehr nah, betrachtet man die Einstellung zur Europäischen Union und das Verständnis der ODS als breit aufgestellte Partei.“Und noch ein weiterer Kommentar. Petr Kamberský merkt in der Lidové noviny an, dass Nečas nun zwei Aufgaben habe: mit gelungenen Gesten Wähler zurückzugewinnen und die internen Kämpfe in der Partei zu stoppen. Über die Chancen urteilt Kamberský:
„Die erste Aufgabe, das Facelifting, scheint Nečas zu meistern. Umso mehr stellt sich die Frage, ob er auch das Zweite schafft – ob er also genügend Autorität hat, um sich in kritischer Zeit Gehorsam und Ordnung zu verschaffen und die internen Kämpfe so schnell wie möglich zu stoppen. (…) Falls er diese beiden blutigen und delikaten Aufgaben nicht gleichzeitig meistert, hat Nečas weder an der Spitze der Partei, geschweige denn an der Spitze einer Regierung etwas zu suchen.“
Moderator: Auch an der Spitze des Instituts für das Studium totalitärer Regime gibt es eine personelle Änderung. Und die war in den letzten Wochen sehr umstritten. Vielleicht kannst du, Till, in Kürze erstmal erklären, was das Institut mit dem sperrigen Namen eigentlich macht…T. Janzer: Das Institut hat eine ganze Menge verschiedener Funktionen. Zum einen ist es Forschungsinstitut, zum anderen verwaltet es aber auch die meisten Archivmaterialien der ehemaligen Sicherheitsdienste aus kommunistischen Zeiten inklusive den Geheimdienstakten des StB. Manche Kritiker sagen, dass es sich auf diese Weise die Interpretationshoheit über die kommunistische Geschichte aneignet. Petr Uhl, der selbst Dissident zu kommunistischen Zeiten war und daher nicht gerade im Verdacht der Kritik aus eigenem Interesse stehen kann, nennt es zum Beispiel das George-Orwell-Institut.
Moderator: Am Donnerstag hat mit dem Historiker Jiří Pernes ein neuer Leiter das Institut übernommen. Er löst den gelernten Journalisten Pavel Žáček ab. Wie ist der Wechsel von den Zeitungskommentatoren aufgenommen worden?
T. Janzer: Insgesamt eher mit gemischten Gefühlen wohl. Der eben erwähnte Petr Uhl sieht in einem Kommentar für die Právo die Amtsübergabe zwar als einen gewissen Fortschritt. Aber er schreibt auch, ich zitiere:
„Die Existenz des Instituts für das Studium totalitärer Regime ist unbegründet. Seine Aufgaben kann genauso das Institut für Zeitgeschichte an der Akademie der Wissenschaften übernehmen. Das Archiv der Sicherheitskräfte, vor allem der ehemaligen StB, gehört schon jetzt in das Staatsarchiv und nicht erst zum 1. Januar 2030, wie es das geltende Gesetz will.“
Moderator: Der ehemalige Oppositionelle Petr Uhl hält also das Institut für das Studium totalitärer Regime für überflüssig. Neben den genannten Themen herrschte innenpolitisch in Tschechien in dieser Woche aber eher Flaute, Till.
T. Janzer: Genau, und deswegen haben sich alle auf ein außenpolitisches Thema ganz besonders gestürzt: auf die Selbstmordattentate in der Moskauer U-Bahn. Die Kommentatoren nahmen dies zum Anlass, erneut vor dem Terror auch in anderen Gegenden der Welt zu warnen. Und als Frage stellten sie sich: Wie viel trägt denn Tschechien zum Kampf gegen den Terror bei?Daniel Anýž in der Hospodařské noviny erinnerte daran, dass der Leiter der Nato-Streitkräfte, James Stavridis, Anfang der Woche bei seinem Besuch in Prag noch einmal um eine Erhöhung des tschechischen Kontingents in Afghanistan gebeten hatte. Für die Erhöhung fehlen allerdings die Stimmen der Sozialdemokraten im Abgeordnetenhaus. Daniel Anýž schreibt:
„Derzeit stellen die Nato-Verbündeten neben den amerikanischen Einheiten 40 Prozent des gesamten Kontingents in Afghanistan. (…) Washington würdigt diese Hilfe und hat sie mehrfach schon erwähnt. Zugleich fürchtet es aber die Unsicherheit bei diesem Beitrag der Nato-Partner. Unsicher sind die Zahlen, unsicher ist auch die Effektivität beim Einsatz von Soldaten aus Ländern, die unter der Prämisse eingebunden wurden, dass nicht von einem Kampfeinsatz die Rede ist. Bei Tschechien wissen hingegen Washington und die Nato, woran sie sind. Die rund 50 Soldaten, Ausbilder und Aufbauhelfer, die Prag gebeten wurde zusätzlich nach Afghanistan zu schicken, werden sie nicht bekommen. Dies ist eine zweifelhafte Sicherheit ´Made in Czech Republic´.“Also eine klare Kritik. Und die zielt eigentlich auf die Haltung der Sozialdemokraten. Wir werden sicher an anderer Stelle noch einmal auf die Frage nach der Aufstockung der tschechischen Truppen in Afghanistan zurückkommen. Doch für heute damit genug. Vielen Dank an Till Janzer.