Die Krönung Karls VI. in Prag: pompöse Feier mit viel Symbolik

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Karl VI. regierte das Heilige Römische Reich in der Zeit des Hochbarock. Der Habsburger-Kaiser wurde 1723 in Prag auch zum böhmischen König gekrönt. Dies war eine gesellschaftliches und machtpolitisches Ereignis ersten Ranges, zumal es die erste böhmische Krönung seit 67 Jahren war. Ein tschechisches Autorenkollektiv hat nun eine gemeinsame historische Studie zur Krönung Karls VI. und seiner Frau Elisabeth Christine herausgegeben. Es sind vier Autoren, die ihr Wissen aus den Bereichen der Kunst-, Musik- und Sozialgeschichte zusammengetan haben. Till Janzer hat mit ihnen gesprochen und führt sie zu Beginn erst einmal in die Zeit des Barock und Karls VI. ein. Sie hören eine neue Ausgabe unserer Sendereihe „Kapitel aus der tschechischen Geschichte“.

Karl VI.
Der Barock, das ist die Zeit des Absolutismus und die Zeit, in der die Habsburger halb Europa beherrschen. Karl VI. war nicht nur von 1711 bis zu seinem Tod im Jahr 1740 römisch-deutscher Kaiser, sondern auch König von Spanien, König von Ungarn und Kroatien sowie - neben weiteren Titeln – König von Böhmen. Gerade für die böhmischen Länder hatte die Zeit des Barock eine besondere Bedeutung. Dies erläutert Vít Vlnas, einer der vier Autoren, die die Monographie zur Krönung Karls VI. in Prag geschrieben haben:

„Die Zeit des Barock ist in der böhmischen Geschichtsschreibung so etwas wie eine neuralgische Epoche. Karl VI. war der der letzte männliche Herrscher aus der Habsburger-Dynastie, er war der Vater der wohl populäreren Maria Theresia. Auf der einen Seite lag in seiner Zeit die Blüte der Barockkultur, auf der anderen Seite wird diese Zeit in der böhmischen und tschechischen Historiographie traditionell als Zeit der Finsternis bezeichnet.“

Elisabeth Christine
Als Zeit der Finsternis wird diese Epoche vor allem bezeichnet, weil Böhmen und Mähren unter der Fremdherrschaft der Habsburger standen und diesen Ländern der katholische Glauben aufgezwungen worden war. Die böhmische Krönung von Karl VI. und seiner Frau Elisabeth Christine im Jahr 1723 war in diesem Zusammenhang eine Demonstration der Macht. Von Juni bis November hielt sich das Herrscherpaar dazu auf seinen Residenzen in Böhmen und Mähren auf.

Die Krönungszeremonie selbst fand am 5. September im Prager Veitsdom statt. Sie steht auch im Mittelpunkt der erwähnten historischen Studie von vier tschechischen Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern statt. Die Autoren sind Štěpán Vácha, Irena Veselá, Vít Vlnas und Petra Vokáčová. Bei der Präsentation des Buches im Januar im Prager Sternberg-Palais erklärten sie sich spontan zu folgendem gemeinsamen Interview bereit.


St.Veit-Kathedrale
Diese Krönungszeremonie wird ja wohl recht pompös gewesen sein; können Sie mal beschreiben, was dort alles vonstatten ging?

Petra Vokáčová:„Es war auch pompös und es war natürlich sehr lang, es dauerte sehr lang, mehrere Stunden. Es war im Rahmen einer Messe, in der Kirche, in der Kathedrale.“

Im Veitsdom?

Petra Vokáčová:„Ja. Und es gab natürlich bestimmte Phasen, die wir uns bemüht haben zu beschreiben, ausführlich zu beschreiben, die eine starke Symbolik aufwiesen, nicht nur die kirchliche Symbolik, sondern auch die Herrschersymbolik. Das betraf nicht nur die Krönungsinsignien an sich, wie Krone, Zepter und Apfel, sondern auch zum Beispiel die Krönungsornate, verschiedene Krönungsornate, die dabei verwendet wurden und die in jedem Augenblick genau bezeichneten, welche Person jetzt gerade vor dem Publikum auftritt. Also, ob es jetzt der Kaiser ist oder der Kaiser als König oder die Kaiserin oder die Kaiserin als Königin. Dann war natürlich mit der Krönungszeremonie in der Kathedrale eng das Krönungsfestmahl verbunden, das ebenso im königlichen Saal auf der Prager Burg stattgefunden hat.“

Wie kann man sich das vorstellen? Ist das auch eine Machtdemonstration der Habsburger?

Das war eine der ersten Fragen, die wir uns gestellt hatten und das Ergebnis war überraschend und – wir hoffen auch sehr – neu für die historiografische Sicht. Die Ziele und auch die Folgen der ganzen Veranstaltung waren wirklich international und hingen sehr eng mit der pragmatischen Sanktion Karls VI. und seiner Diplomatie zusammen. Petra Vokáčová:„Ja, genau. Das war gerade einer der Schwerpunkte, die wir von Anfang an zielbewusst betrachtet haben. Was war das eigentlich für eine Veranstaltung, die böhmische Krönung? War das nur eine regionale Veranstaltung, die nur auf Prag abzielte und warum eigentlich dann diese riesige Mühe und die Kosten und die ganze Zeit, die dem gewidmet wurde?

Die pragmatische Sanktion; was ist das? Herr Vlnas -

Vít Vlnas:„Die pragmatische Sanktion, das war ein Gesetz. Durch dieses Gesetz wurde das Habsburger Reich als untrennbar deklariert und dieses Gesamtreich, diese Länder, sind nicht nur in männlicher Linie, sondern auch in weiblicher Linie fähig zu Ehen. Die Durchsetzung dieser Sanktion war ein Schwerpunkt der Europa- und Großmachtpolitik Karls VI. während der 20er und 30er Jahre des 18. Jahrhunderts.“

Ja, Herr Vácha?

Štěpán Vácha:„Böhmische Krönungen waren kein regionales Ereignis, man muss sie wirklich in einem europäischen Kontext betrachten. Es ist wichtig, die internationalen Beziehungen zwischen dem Kaiser und den anderen Höfen Europas zu dieser Zeit zu verstehen. Die Krönung reflektierte die Machtposition der Habsburger, von der Politik, über die Diplomatie bis hin zu pragmatischen Sanktionen.“

Vielleicht noch eine allgemeine Frage: Wenn diese Krönung so einen europäischen Aspekt hat, hat sie eine größere Bedeutung als die Krönung anderer, in dem Fall Habsburger, in Prag?

Vít Vlnas
Vít Vlnas:„Auf der symbolischen Ebene, sicher ja. Auf der Ebene der praktischen Politik sicher nein.“

Wenn wir jetzt über Karl VI. reden - er wird also gekrönt. Was für ein Herrscher ist dieser Karl VI.?

Petra Vokáčová:„Paradoxer Weise handelt es sich da um einen Herrscher, der besonders im Rahmen der tschechischen Historiografie, aber auch im Rahmen der europäischen Historiografie allgemein sehr wenig Beachtung findet. Es ist eine Persönlichkeit, die mehr als Institution bekannt ist. Das sind die Worte seines bisher eigentlich einzigen modernen Biografen Bernd Rill. Und ich würde dem zustimmen. Wir wissen sehr wenig über ihn als Persönlichkeit, als Mensch, als Familienvater, als Ehemann. Und trotzdem ahnen wir, dass es da um eine viel komplexere Persönlichkeit geht, als es bisher in der Historiografie geschildert wurde.“

Er war aber auch musikalisch, wie Sie erforscht haben, Frau Veselá?

Irena Veselá:„Ja, Karl VI. war auch Musiker. Wir kennen leider keine Komposition von ihm, aber er spielte sehr gut Cembalo und Viola da Gamba. Und sein Vater Leopold I war ein sehr guter Komponist.“


Servis:

Vácha Štěpán, Veselá Irena, Vlnas Vít, Vokáčová Petra (Hrsg.)

Karel VI. a Alžběta Kristýna

Česká korunovace 1723

Praha, 2009

Autor: Till Janzer
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