Region Křivoklát soll Nationalpark werden – Anrainer sind geteilter Meinung
Vier Nationalparks gibt es bisher in Tschechien. Ginge es nach dem Willen des Umweltministeriums in Prag, dann könnte schon demnächst ein fünfter hinzukommen: die Region Křivoklátsko, in deren Mitte das Schloss Křivoklát liegt. Sie ist bereits Landschaftsschutzgebiet. Doch den Umweltschutz dort zu intensivieren, das spaltet die Meinungen der Anrainer.
„Das Herz der Gegend ist einzigartig. Dort sind große zusammenhängende Waldgebiete erhalten geblieben. Das ist für Tschechien eher selten“, so der stellvertretende Umweltminister František Pelc.
Das Erstaunliche dabei: Dieses Kleinod der Natur liegt nur rund eine halbe Autostunde von Prag entfernt. Ein weiteres Merkmal sind die Wasserläufe der Gegend:
„Es handelt sich um ein Flusssystem, das vom Berounka-Tal dominiert wird und von dem weitere Canyon-artige Flusstäler abgehen“, so Pelc.
Gerade in Wassernähe ist der Artenreichtum sehr hoch. So wurden mehr als 18.000 verschiedene Gefäßpflanzen gefunden, zu denen beispielsweise Farne gehören. Das sind etwa zwei Drittel des gesamten Aufkommens in Tschechien. Und Petr Hůla, Leiter des Landschaftsschutzgebietes Křivoklátsko, ergänzt Zahlen zur Fauna:
„Es nisten über 120 Vogelarten hier. Und es gibt eine ganze Reihe Amphibien und Reptilien, die sich nirgendwo anders in Tschechien finden lassen.“
Wegen dieses Reichtums an Flora und Fauna steht die Gegend bereits seit 1977 unter Naturschutz. Damals wurde sie von der Unesco zum Biosphärenreservat ernannt. Ein Jahr später zog die damalige kommunistische Regierung nach und rief Křivoklátsko zum Landschaftsschutzgebiet aus.Nun will das tschechische Umweltschutzamt den nächsten Schritt: Der wertvollste Teil des Landschaftsschutzgebiets soll Nationalpark werden. Geplant ist allerdings, nur einen kleinen Teil des Gebietes umzuwandeln. 102 Quadratkilometer, also etwa ein Sechstel der Gesamtfläche, seien dies, sagt Vize-Umweltminister Pelc. Seit Montag dieser Woche läuft dazu eine Anhörungsfrist. In den nächsten 90 Tagen können sich die Bürgermeister der Anrainer-Gemeinden, die Eigner der Wälder und weitere Betroffene zur Entstehung des Parks äußern. Je nach Ergebnis plant das Ministerium gewisse Änderungen an dem Projekt.
Eine entscheidende Phase also. In den vergangenen Monaten und Jahren hat das Umweltministerium bereits mit allen Seiten verhandelt. Zwei Interessensgruppen sind besonders stark. Dazu Vize-Umweltminister Pelc:
„Es gibt bestimmte Vorbehalte von Seiten der Jäger und der Förster. Die sind auch im Großen und Ganzen verständlich, es wird sich schließlich die Bewirtschaftung der Wälder verändern. Nach der Umwandlung zum Nationalpark würden die Wälder nicht mehr vorrangig zur Holzgewinnung dienen, sondern es ginge darum, das ökologische Gleichgewicht zu erhalten oder zu stärken. Manche Jäger und Förster haben das Gefühl, dies bedrohe ihre Vorstellungen vom Umgang mit dem Wald, andere fürchten um ihre Arbeitsplätze.“
Die derzeitige Forstverwaltung hat sich bisher auf den Standpunkt des Landwirtschaftsministeriums gestellt und lehnte mehr Umweltschutz ab. Mitte Januar deutete eine Sprecherin der Forstverwaltung gegenüber dem Tschechischen Fernsehen indes Kompromissbereitschaft an:
„Allgemein stehen wir dem Nationalpark positiv gegenüber; das allerdings mit Bedacht“, so die Medienvertreterin.
Im Umweltministerium vertraut man darauf, dass eine Einigung mit den Förstern und Jägern gefunden werden kann. Die wohl wichtigste Frage lautet daher nun: Was halten die Bewohner der Anrainer-Gemeinden von dem Projekt? Ein Nationalpark ist eine knifflige Angelegenheit – auf der einen Seite könnten mehr Touristen in die strukturschwache Gegend kommen, auf der anderen Seite entstehen Verbote für die Anwohner. Sie dürften vor allem nicht mehr abseits der gekennzeichneten Wege in den Wald gehen. Insgesamt 19 Ortschaften liegen im Landschaftsschutzgebiet. Vladimír Melč, der Bürgermeister des Ortes Roztoky vertraut auf die Vorteile des Nationalparks:
„Er sollte eine positive Wirkung für die Natur und den Naturschutz haben, aber ganz besonders die ganze Region hier attraktiver machen.“
Mehr Besucher sind auch das Hauptargument des stellvertretenden Umweltministers František Pelc:
„In Křivoklátsko haben sich ganz besonders viele wertvolle Dinge erhalten, weil die Wirtschaft hier keine große Bedeutung hat. Das müsste man aber nutzen, um gerade den Tourismus aufzuwerten.“
Und das heißt: weg von Tagesbesuchern und den Busreisenden. Bisher interessieren sich die Besucher meist nur für die mittelalterliche Burg Křivoklát. Nach ein, zwei Stunden sind sie dann wieder weg. Der Nationalpark könnte einen längeren Aufenthalt interessant machen. Manchem ist diese Vorstellung aber ein Graus. Jarmila Payerová ist Bürgermeisterin der Gemeinde Skryje:„Nachteile für uns sehe ich besonders in der großen Zahl der Touristen und in den hohen Ausgaben, um dann deren Abfälle zu beseitigen.“
Trotz der bisherigen Gespräche fühlen sich viele Anrainer immer noch schlecht informiert. Auch in Karlova Ves. Der kleine Weiler befindet sich als einziges Dorf unmittelbar im Nationalparkgebiet. Bürgermeisterin Iveta Kohoutová:
„Unsere Haltung ist eher ablehnend. Weil den Leuten die Informationen darüber fehlen, was sie machen dürfen und in welchen Bereichen sie eingeschränkt werden.“
Bürger aus dem Ort, aber auch aus den anderen Gemeinden befürchten zum Beispiel, dass sie nicht mehr in den Wald dürften, um Pilze zu sammeln oder Holz zu holen. Doch das Umweltministerium plant eine kleine Revolution bei der Ausrufung des Nationalparks: eine Ausnahme vom sonst so strengen Verbot, sich frei auf Nationalparkgebiet zu bewegen. Vize-Umweltminister Pelc:
„Auf die örtlichen Bewohner und ihre nächsten Angehörigen wird sich das Verbot nicht beziehen. Wir wollen das Gesetz so ändern, dass die Leute praktisch überall hinkönnen. Wir sind uns im Klaren, dass dies wie Mildtätigkeit aussieht. Wir wissen indes gut, dass die örtlichen Bewohner fast überhaupt nicht in die Gebiete gehen, die vom Naturschutz her besonders wertvoll sind. Das sind steile Abhänge mit Geröll. Und wenn sich wirklich jemand dorthin verirrt, dann wird er dadurch die Natur nicht gleich zerstören.“Das gilt indes nicht für alle anderen Besucher. Die werden hier wie in den bereits bestehenden vier weiteren tschechischen Nationalparks selbstverständlich auf den gekennzeichneten Wegen bleiben müssen. Ob das so kommt, darüber müssen zwar letztlich Regierung und Parlament in Tschechien entscheiden. Aber die Volksvertreter werden wohl genau hinhören, welche Meinung unter den Anrainer-Gemeinden vorherrscht: Ja oder Nein, für oder gegen den Nationalpark Křivoklát.