Trotz Milliarden-Investitionen: weniger Züge, längere Fahrzeiten im Bahn-Fernverkehr
Seit zwei Wochen gilt er. Nicht zur ungeteilten Freude der Fahrgäste: der neue Eisenbahn-Jahresfahrplan. Während innerhalb Tschechiens nur einige wenige Züge dem Rotstift zum Opfer gefallen sind, gibt es im internationalen Verkehr zum Teil erhebliche Einschränkungen. Besonders betroffen sind die Zugverbindungen von Tschechien nach Polen und Österreich. Wir haben bereits berichtet. In der heutigen Ausgabe unserer Sendereihe „Schauplatz“ wirft Daniel Kortschak einen Blick auf die Hintergründe dieser Maßnahmen und geht der Frage nach, warum trotz Milliarden-Investitionen die Züge immer langsamer werden oder überhaupt ganz aus dem Fahrplan gestrichen werden.
Diese Durchsage auf dem Prager Hauptbahnhof ist seit dem 13. Dezember Geschichte. Ebenso wie die besonders schnellen Supercity-Züge zwischen Wien und Prag, die die rund 400 Kilometer zwischen der österreichischen und der tschechischen Hauptstadt in vier Stunden bewältigt haben. Nun ist man wieder eine halbe Stunde länger unterwegs. Ein Zug auf der Strecke nach Wien ist zur Gänze aus dem Fahrplan verschwunden und fährt nur mehr von Prag bis in den Grenzbahnhof Břeclav / Lundenburg. Man sei im internationalen Verkehr auf die Kooperationsbereitschaft der Partnerbahnen angewiesen, sagt Antonín Blažek, der im Vorstand der Tschechischen Bahnen (ČD) für den Personenverkehr zuständig ist, im Gespräch mit Radio Prag. Der Leiter der Abteilung Fernverkehr bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), Erich Forster argumentiert mit dem Bau des Wiener Hauptbahnhofs, der eine Umleitung der Züge zum Bahnhof Wien-Meidling notwendig macht:
„Wir haben von acht auf sieben Zugpaare reduziert, weil wir uns im Endeffekt auch hier auf die Kapazitäten besonnen haben. Meidling hat ganz einfach nur eine begrenzte Möglichkeit. Wir haben in den verschiedensten Bereichen durchoptimiert und eben auch zwischen Prag und Wien um ein Zugpaar reduziert.“
Neben Wien-Meidling halten die Züge auch im Bahnhof Wien-Simmering, der einen direkten U-Bahn-Anschluss in Richtung Stadtzentrum bietet. Wer dort allerdings eine Fahrkarte nach Tschechien kaufen möchte, wird Schiffbruch erleiden: Einen Schalter gibt es nicht und die Automaten spucken nur Inlandsfahrkarten aus. ÖBB-Fernverkehrschef Forster verweist auf die so genannten „alternativen Vertriebswege“:
„Vom Grundsatz her setzen wir auf eine deutliche Attraktivierung unserer Online-Angebote. Wir werden sehr schnell im Jahr 2010 ‚Online-Ticketing’ zwischen Österreich und Tschechien anbieten. Außerdem kann man die Vorbestell-Möglichkeit über das Call-Center nützen. Und nicht zuletzt haben wir gerade auf dieser Strecke viele internationale und tschechische Fahrgäste. Wenn der tschechische Kunde sich auf der Rückfahrt befindet, dann ist dies ja kein Thema, weil dann hat er ohnehin schon sein Rückfahrt-Ticket.“
Hoffentlich, denn sonst bleibt nur der Fahrkartenkauf beim Schaffner und für den wird ein kräftiger Zuschlag fällig. Und zwar gleich zweimal, denn auch im Zug gibt es nur Inlandsfahrkarten und man muss in Österreich und Tschechien getrennte Fahrkarten kaufen. Bleibt als Alternative der Bahnhof Wien-Meidling, der über ein modernes Reisezentrum verfügt. Doch der Bahnhof ist vom Stadtzentrum aus nur umständlich zu erreichen und die Fahrzeit von dort nach Prag ist um eine halbe Stunde länger als vom nur wenige Kilometer entfernten Bahnhof Simmering. Schuld daran ist – wie könnte es anders sein – natürlich der Bau des Wiener Hauptbahnhofes. Behauptet zumindest ÖBB-Manager Erich Forster:
„Das kommt daher, dass wir mit den Partnerbahnen vereinbart haben, die Züge an der Grenze pünktlich zu übergeben. Das heißt, aufgrund der schwierigen Verkehrslage in diesem Bereich wegen der Bauarbeiten zum Hauptbahnhof Wien kommt es zu einer extremen Verkehrsdichte. Da haben wir eine große Fahrzeit-Reserve mit eingeplant, um zu vermeiden, dass wir den Kollegen in Tschechien den Zug einmal pünktlich, einmal mit Verspätung übergeben. Es ist natürlich so, dass die Fahrzeit in der Bauphase nicht ganz optimal ist und verlängert wurde. Ich glaube aber, dass es besser ist, pünktlich zu fahren mit etwas Fahrzeitreserve.“
Dank dieser Fahrzeit-Reserve kommen die Bahnkunden immerhin zu einer kostenlosen Baustellen-Besichtigung: Mehrere Minuten lang stehen die Züge auf einem Nebengleis. Zeit genug, um das emsige Treiben rund um die Riesen-Baugrube in aller Ruhe zu betrachten. Doch nicht nur der Bahnhofs-Neubau in Wien ist schuld an den langen Fahrzeiten zwischen Wien und Prag: Mit maximal 120 km/h fahren die Züge von Wien zur tschechischen Grenze; für die rund 90 Kilometer braucht der Eurocity-Zug eine volle Stunde. Und das, obwohl die Nordbahn schnurgerade durch das flache niederösterreichische Weinviertel führt. ÖBB-Mann Forster gesteht, die Gleise seien in keinem besonders guten Zustand:
„Gut, der Oberbau ist in einem bestimmten Zustand und der erlaubt keine schnellere Fahrzeit. Aber vom Prinzip her ist die Fahrzeit mit einer schönen, durchgängigen 120- km/h-Geschwindigkeit gar nicht das wirkliche Problem. Der zentrale Faktor ist die Fahrzeit innerhalb Wiens und hier die relativ komplizierte Fahrweise aufgrund der Umleitung durch den Bau des Hauptbahnhofs Wien.“
Schuld ist also – wieder einmal – der Wiener Hauptbahnhof. Übrigens: Unmittelbar nach dem Grenzbahnhof Břeclav beschleunigen die Züge auf 160 km/h und an einer weiteren Anhebung der Streckenhöchstgeschwindigkeit wird gerade gearbeitet.
Ebenfalls viel Geld investiert hat die Tschechische Republik in den vergangenen Jahren in weitere Strecken im österreichisch-tschechischen Grenzgebiet. Bereits fertig gestellt ist die aufwändig sanierte Strecke von Znojmo / Znaim ins niederösterreichische Retz. Siebenmal täglich fahren von dort Züge direkt nach Wien. Kurz vor der Fertigstellung ist der Neubau der Strecke von Budweis / České Budějovice nach Gmünd. Doch obwohl die Züge in Zukunft durchgehend elektrisch von Wien bis nach Südböhmen und darüber hinaus fahren könnten, sind die beiden Direktverbindungen von Wien nach Budweis und Pilsen / Plzeň Mitte Dezember eingestellt worden. Die Fahrgäste müssen nun wie vor 50 Jahren an der Grenze umsteigen. ČD-Vorstand Antonín Blažek gibt sich im Radio-Prag-Interview zerknirscht:
„Dort ist es bisher leider zu keiner Einigung mit unseren österreichischen Partnern gekommen. In diesem Fahrplan haben wir das nicht geschafft, ich denke aber, im Dezember 2010 wird es eine Lösung geben. Das Ziel der Modernisierung war natürlich, direkte Züge von Wien nach Südböhmen und weiter ins westböhmische Bäderdreieck zu führen. Ich bin überzeugt, dass es die auch bald geben wird.“
Bei den Österreichischen Bundesbahnen hält sich das Interesse an dieser Bahnverbindung allerdings in Grenzen, wie Fernverkehrs-Chef Erich Forster auf Nachfrage bestätigt:
„Also, vom Grundsatz her gibt es dort einfach eine extrem geringe Nachfrage. Es gibt zwei lokale Nachfrage-Sektoren: die sehr starke innertschechische Nachfrage und den österreichischen Teil mit sehr starker Nachfrage im Berufsverkehr. Aber es gibt nur sehr wenig grenzüberschreitenden Verkehr. Deshalb haben wir uns entschlossen, eine Anschluss-Verbindung zu machen, die von der Reisezeit her keine Nachteile bietet und trotzdem Vorteile in unseren Produktionssystemen bringt.“
Nur wenige Kilometer entfernt liegt die Lokalbahn von Schwarzenau nach Fratres. Vor dem Zweiten Weltkrieg führten die Schienen der so genannten Thayatalbahn über die Grenze ins südböhmische Slavonice / Zlabings und weiter über Telč in Richtung Jihlava / Iglau. Während Tschechien die Strecke in den vergangenen Jahren saniert hat, fahren die Züge auf der österreichischen Seite der Grenze nur mehr bis nach Waidhofen an der Thaya und auch dieses nur zehn Kilometer lange Reststück ist akut von der Stilllegung bedroht. Seit Jahren bemüht sich eine lokale Initiative um eine Wiedereröffnung der grenzüberschreitenden Bahnstrecke. 2006 stand man sogar schon kurz vor dem Baubeginn, dennoch wuchert auf den Gleisen nach wie vor Gestrüpp und an einigen Stellen hat man inzwischen sogar die Schienen abgebaut. Niklas Perzi ist Leiter der Waldviertel-Akademie und einer der Bahn-Befürworter. Im Radio-Prag-Interview schildert er die Situation:
„Auf tschechischer Seite wurde die Vereinbarung eingehalten und die Strecke komplett modernisiert. Nur in Richtung Österreich stehen die Signale nach wie vor auf Rot. Der Hund liegt also eindeutig auf der österreichischen Seite begraben, die ihre Verpflichtungen nicht eingehalten hat und einfach nicht zu bauen begonnen hat.“
Durch diese Verzögerung sind mittlerweile auch die bereitgestellten EU-Fördermittel verfallen. Dennoch bekräftigte der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll im Frühjahr dieses Jahres bei einem Besuch in Telč erneut, sein Land sei für den raschen Wiederaufbau der Bahnstrecke. Niklas Perzi sieht die Zukunft des Projektes hingegen weniger optimistisch. Die ÖBB hätten keinerlei Interesse daran und würden es mit allen Mitteln zu verhindern versuchen. Von Radio Prag mit diesem Vorwurf konfrontiert, sagt ÖBB-Manager Forster:
„Es ist wieder ein Nachfrage-Thema. Es gibt hier einfach sehr wenig tagesdurchgängige und intensive Nachfrage. Das sieht man auch ganz klar daran, dass es keine Busangebote gibt. Wenn es wo Nachfrage gibt, dann gibt es sowohl Bus- als auch Bahnangebote. Wo es auch kein Busangebot gibt, dort ist momentan ein Bahnangebot aus wirtschaftlicher Sicht nicht zu rechtfertigen.“
Für Niklas Perzi ist der Wiederaufbau der Thayatalbahn hingegen trotz des geringen Fahrgastpotenzials wichtig:
„Gerade bei der Strecke Fratres – Slavonice geht es weniger um die Fahrgäste als um die Holztransporte. Es wird sehr viel Holz aus Tschechien ins südliche Waldviertel transportiert und zwar mit schweren Lkw. Die Bahnstrecke liegt direkt neben den Sägewerken beziehungsweise den Holz-Zulieferbetrieben. Daher ist es durchaus ökonomisch interessant, diese Strecke wieder in Betrieb zu nehmen. Außerdem kann man so den Schwerverkehr von der Straße wegbekommen, wie es auch die Politiker immer wieder postulieren. Im Speziellen, was die Holztransporte betrifft.“
Eine Lösung erhofft sich Perzi nun von der möglichen Übertragung der Lokalbahnen vom Bund auf das Land Niederösterreich. Während es also für die Wiederinbetriebnahme der Strecke Fratres – Slavonice noch einen Hoffnungsschimmer gibt, ist der Zug einige Kilometer weiter im Osten wohl für immer abgefahren: Ein von Tschechien immer wieder geforderter Wiederaufbau der wenige Kilometer langen, seit 1945 unterbrochenen Bahnstrecke von Laa an der Thaya nach Hevlín steht nicht mehr zu Diskussion. Der Landkreis Südböhmen hat resigniert und die Einstellung des schwach frequentierten tschechischen Streckenteils beschlossen. Stattdessen wird eine Buslinie nach Laa an der Thaya eingerichtet.