Dezember 1939: Beneš mahnt die Tschechen im Protektorat zu Vorsicht

Die letzten Wochen des Jahres 1939: Im Protektorat Böhmen und Mähren haben die deutschen Besatzer ihre harte Hand ausgefahren. Die letzte Regierung der früheren freien und demokratischen Tschechoslowakei ist in London im Exil; im September bereits hat sie mit regelmäßigen Nachrichtensendungen in die besetzte Heimat begonnen. Im November bildet sie den Tschechoslowakischen Nationalausschuss. An die Spitze des Ausschusses wird der ehemalige Präsident Edvard Beneš gewählt. Einige Tage später wendet sich Beneš in einer Radio-Ansprache an die Bürger seiner besetzten Heimat.

„Teure Freunde, teure tschechoslowakische Landsleute, in den vergangenen Tagen und Wochen ist die Welt nach den blutigen Ereignissen in Prag und in einer Reihe anderer tschechischer Städte erschüttert in Grauen und Abscheu darüber, was Eure Unterdrücker am Nationalfeiertag getan haben. Die ganze Welt weiß von den Massakern, die willentlich und niederträchtig hervorgerufen wurden. Bekannt sind auch die Morde an Dutzenden unschuldiger Studenten.“

So wendet sich Exil-Präsident Beneš am Sonntag, dem 3. Dezember 1939, aus London an die Hörer in seiner Heimat. Wie viele die verbotene Sendung empfingen, ist nicht bekannt. Beneš versucht ihnen ein klein wenig Hoffnung zu geben, obwohl die Nazis die Demonstrationen vom 28. Oktober und die Studentenproteste Mitte November blutig niedergeschlagen hatten. Zugleich ruft Beneš die Leute im Protektorat Böhmen und Mähren zur Vorsicht auf:

„Wir, die wir im freien Ausland für die Befreiung der gefesselten Heimat arbeiten, betonen, dass wir von Euch keine überflüssigen Opfer fordern. Es ist nicht nötig etwas zu unternehmen, was Eure Unterdrücker und nationalsozialistischen Peiniger gegen Euch missbrauchen könnten.“

Edvard Beneš
Edvard Beneš verweist darauf, dass Ende November der Nationalausschuss in London seine Tätigkeit aufgenommen hat:

„Wir fordern von Euch keine überflüssigen Opfer, weil wir mittlerweile mit Erfolg hier arbeiten. Unsere Armee in Frankreich wird aufgebaut. Unser Nationalausschuss organisiert, in Übereinkunft mit den Regierungen der Alliierten, erfolgreich all unsere militärische, politische, agitatorische und diplomatische Arbeit.“

Bereits am 20. November 1939 hatten Frankreich und Großbritannien den Tschechoslowakischen Nationalausschuss anerkannt. Der Aufbau von tschechoslowakischen Armeeeinheiten im Ausland erfolgte schrittweise. Zuerst kämpften Armeeangehörige in Polen und Frankreich, 1940 entstand dann in Palästina die erste Brigade, später kommen Fliegerbataillons in Großbritannien hinzu sowie Infanterieeinheiten in der Sowjetunion. Edvard Beneš kann Anfang Dezember 1939 jedoch maximal eine Hoffnung äußern:

Besetzung durch die Nazis 1939
„Der Krieg endet nicht mit dem Sieg des Bösen. Wir werden erneut ein freies Volk sein in unserem freien Staat. Keinesfalls die unmoralische nationalsozialistische Gewalt, sondern unser nationaler Geist und unsere Wahrheit werden erneut siegen.“

„Die Wahrheit wird siegen“, das ist bis heute der tschechische Staatsslogan. Der Slogan geht zurück auf das Motto des böhmischen Kirchenreformers Jan Hus, und der erste tschechoslowakische Präsident, Masaryk, ließ den Slogan dann auf die Präsidentenstandarte schreiben. Wie wir wissen, brauchte es aber noch sechs Jahre in einem fürchterlichen Krieg, bis die Nazis besiegt waren.