Tschechien erhält in der neuen EU-Kommission das Erweiterungsressort
Lange und komplizierte Verhandlungen waren seiner Auswahl vorausgegangen. Vor wenigen Wochen stand fest: Neuer tschechischer EU-Kommissar wird Štefan Füle, der bisherige Europaminister in Jan Fischers Übergangskabinett. Nun steht auch fest: Füle wird in der neuen EU-Kommission das Ressort für Erweiterung übernehmen.
Am Freitag verkündete der alte und neue EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso die Zusammensetzung seines Teams. Dass Štefan Füle darin für die Erweiterung der EU zuständig sein wird, wurde quer durch die politischen Lager Tschechiens wohlwollend zur Kenntnis genommen. Der tschechische Sozialdemokrat Libor Rouček, Vizepräsident des Europäischen Parlaments, sprach von einem Erfolg, gerade im Hinblick auf die Sorgen, die Tschechien in den vergangenen Monaten der EU mit dem Tauziehen um den Lissabon-Vertrag bereitet hatte. Der bürgerdemokratische Europa-Abgeordnete Jan Zahradil zeigte sich ebenfalls zufrieden. Zahradil bemerkte aber auch, auf Füle kämen schwierige Aufgaben zu. Štefan Füle selbst sieht sich gut gerüstet für sein Amt als Erweiterungskommissar, in dem er auch tschechische Interessen vertreten könne:
„Es handelt sich dabei aus meiner Sicht um eine sehr gute Kombination aus unseren nationalen, tschechischen Präferenzen und dem, was ich mit meiner diplomatischen Erfahrung dazu beitragen kann.“
Brüsseler Beobachter wiesen zwar darauf hin, das Erweiterungsressort sei nicht mehr so wichtig wie noch in der Vergangenheit. Doch nach wie vor klopfen einige Länder an die Türen der EU, namentlich Kroatien, aber auch Island, das im Juli ein Beitrittsgesuch stellte. Außerdem erbt Füle den EU-internen Streit um den ewigen Beitrittskandidaten Türkei. Tschechiens Botschafterin bei der EU, Milena Vicenová, sieht aber auch darin keine unlösbare Aufgabe:
„Das wird genauso sein wie bisher. Es gibt eben die Staaten, die einen Beitritt der Türkei unterstützen, und diejenigen, die in dieser Frage zurückhaltender sind. Insgesamt würde ich sagen, nach der Ratifizierung des Lissabon-Vertrages wird die Stimmung bezüglich einer Erweiterung wieder besser.“
An Füles fachlichen Kompetenzen wurden in Brüssel bislang keine Zweifel laut. Bei der noch ausstehenden Anhörung der neuen Kommissare vor dem Europäischen Parlament dürfte jedoch seine Vergangenheit zur Sprache kommen. Mitglieder der konservativen Europäischen Volkspartei nehmen Anstoß daran, dass Füle vor 1989 Mitglied der kommunistischen Partei war und an einer Diplomatenschule in Moskau studierte. Ähnliche Vorbehalte existieren auch gegen weitere designierte EU-Kommissare aus Mittel- und Osteuropa. Kommissionspräsident Barroso sieht darin aber kein Problem:
„Ich bin mir sicher, dass diesen Leuten Europa am Herzen liegt und sie unsere Werte vorbehaltlos respektieren. Das sind Werte wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Deshalb bin ich mir auch sicher, dass das Parlament ihre Nominierung genehmigen wird.“Wann die Anhörungen der EU-Kommissare vor dem Europäischen Parlament stattfinden werden, steht noch nicht fest.