Politologe Schuster: Klaus hat sich Niederlage beim Verfassungsgericht selbst zuzuschreiben
Es ist vollbracht: Der EU-Reformvertrag hat nach jahrelangen Turbulenzen die letzte Hürde genommen und kann jetzt am 1. Dezember europaweit in Kraft treten. Der tschechische Präsident Václav Klaus hat ihn am Dienstag als letztes Staatsoberhaupt der Union unterschrieben. Nur wenige Stunden zuvor hatte das tschechische Verfassungsgericht in Brno / Brünn grünes Licht für den Lissabon-Vertrag gegeben. Mit der Begründung des Urteils war Klaus jedoch ganz und gar nicht zufrieden.
Diese Kritik aber falle auf Präsident Klaus selbst zurück, meint der Politologe Robert Schuster:
„Václav Klaus ist ja derjenige, der die Richter des Verfassungsgerichts vorschlägt und sie nominiert. Er hat einen maßgeblichen Anteil daran, dass der Verfassungsgerichtshof so zusammengesetzt ist und unter anderem auch aus früheren, relativ hoch gestellten Politikern besteht.“
Zu diesen ehemaligen Politikern gehört auch der Vorsitzende des Verfassungsgerichts, der Sozialdemokrat Pavel Rychetský. In dieser Funktion war es Rychetský vorbehalten, das Gerichtsurteil zu verkünden und verbal zu begründen. Dabei bemerkte Rychetský auch, dass Klaus den Lissabon-Vertrag nun unverzüglich zu unterzeichnen habe. Dazu meint Schuster:„Jetzt haben die Verfassungsrichter eben mit diesem Urteil ein Präjudiz für alle zukünftigen Entscheidungen geschaffen, bei denen es um Völkerrechtsverträge gehen wird. Verträge, bei denen der Präsident dann auch sofort unterschreiben muss, und das ist wichtig. Das hat Klaus wahrscheinlich am meisten an dieser ganzen Urteilsbegründung gestört.“
Die tschechischen EU-Kritiker um Václav Klaus haben am Dienstag also die erwartete Niederlage einstecken müssen, über die sie schon bald hinwegkommen werden. Was durch die Verzögerungspolitik des Präsidenten und der Senatoren, die die Verfassungsklage eingereicht haben, aber am meisten gelitten hat, ist das Ansehen des Landes in der Europäischen Union. Der Kredit, der hier verspielt wurde, hat noch einen zweiten Ursprung, erklärt Schuster:
„Wir dürfen das nicht unabhängig von der misslungenen tschechischen EU-Ratspräsidentschaft vom Frühjahr dieses Jahres beurteilen. Das war der erste Zeitpunkt, an dem die europäischen Partner das Gefühl bekommen konnten, dass die Tschechen vielleicht doch nicht so reif sind, um die EU zu führen oder auch nur um ein generelles Mitglied zu sein. Die Verzögerungen im Zusammenhang mit dem Lissabon-Vertrag sind nun ein zweites Kapitel. Ich denke schon, dass das Ansehen des Landes – zumindest mittelfristig – geschädigt ist.“
Wenn Tschechien sein Image wieder aufpolieren will, dann müssten sich nun endlich auch die EU-Befürworter des Landes mehr in den Vordergrund schieben, ergänzte Schuster.