Es geht um die Wurst: Tschechien steht auf dem EU-Gipfel im Mittelpunkt

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Am Donnerstagnachmittag beginnt in Brüssel die zweitägige Herbst-Tagung des Europäischen Rates. Gesprochen werden soll unter anderem über die Vorbereitungen auf den Welt-Klima-Gipfel in Kopenhagen im Dezember, die weltweite Wirtschaftskrise und – informell – auch über die Nominierung der neuen Europäischen Kommission. Doch im Fokus der Öffentlichkeit steht ein ganz anderer Punkt der Tagesordnung: die Ratifizierung des EU-Reformvertrags durch Tschechien. Nur die Unterschrift von Staatspräsident Václav Klaus fehlt noch unter dem Lissabon-Vertrag. Und Klaus lässt sie sich, wie mehrmals berichtet, mit einer Ausnahmeregelung zur EU-Grundrechtecharta teuer erkaufen. Mehr von Daniel Kortschak.

Tschechien stand am Mittwoch ganz im Zeichen des Staatsfeiertages. Doch neben dem Gedenken an den 91. Jahrestag der Staatsgründung bestimmte auch am Feiertag das innen- und außenpolitische Thema der letzten Tage die Öffentlichkeit: die Ratifizierung des Lissabon-Vertrages durch Tschechien und die von Staatspräsident Klaus geforderte Ausnahmeregelung zur EU-Grundrechtecharta. Klaus nahm den traditionellen Empfang für das diplomatische Corps zum Anlass, erneut vor einem Verlust der staatlichen Souveränität durch die Ratifizierung des Lissabon-Vertrages zu warnen. Tschechien stehe vor der Entscheidung, 20 Jahre nach der Befreiung von der kommunistischen Diktatur erneut die Entscheidungskompetenz in wichtigen Fragen an eine „fremde politische Macht“ abzugeben. Auch anlässlich der Ehrung verdienter Bürger am Abend auf der Prager Burg nahm Klaus Bezug auf den EU-Reformvertrag:

„Es kommt zu einer gefährlichen Erosion der Staaten im Zusammenhang mit der fortschreitenden europäischen Integration. Auch deshalb nehmen einige Leute den Staat und seine Institutionen nicht mehr als etwas wahr, auf das man sich verlassen kann.“

Während in der Prager Innenstadt rund 200 Lissabon-Gegner mit Transparenten und Sprechchören gegen die EU wetterten und „Hoch lebe unser Präsident“ riefen, kam im Regierungsamt auf der Kleinseite das Kabinett Fischer zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, um die Verhandlungspositionen für den EU-Gipfel in Brüssel festzulegen. Details wollte Premier Fischer nicht verraten, dies sei Sache der schwedischen Ratspräsidentschaft, aber:

„Nichtsdestotrotz kann ich sagen, dass wir ein Opt-Out für die gesamte Grundrechtecharta fordern werden, nicht nur für die Punkte, die die Beneš-Dekrete betreffen könnten. So, wie es auch Polen und Großbritannien zugestanden worden ist.“

Der tschechische Premier Jan Fischer  (Foto: ČTK)
In den EU-Verträgen festgeschrieben werden könnte die Ausnahme für Tschechien etwa im Rahmen des EU-Beitritts von Island oder Kroatien, die ohnehin von allen EU-Mitgliedsländern ratifiziert werden müssen. Premier Fischer ist überzeugt, dass Präsident Klaus dem EU-Reformvertrag keine weitere Steine in den Weg legen wird:

„Ich habe die Versicherung des Präsidenten, dass er unterschreiben wird. Das haben wir bei unserem Treffen am Dienstag vereinbart und ich habe keinen Grund, ihm nicht zu vertrauen.“

Doch zunächst müssen Premier Fischer und die schwedische Ratspräsidentschaft auf dem Gipfel in Brüssel die 26 EU-Partner von der Ausnahmeregelung überzeugen, die Klaus verlangt. Zudem steht noch die Entscheidung des tschechischen Verfassungsgerichts aus. Sie wird für den kommenden Dienstag erwartet.