Josef Čapek geht aufs Ganze: bisher umfassendste Ausstellung seiner Werke

Foto: ČTK

Es gibt Familien, in denen scheint sich Talent buchstäblich zu häufen. Ein Beispiel dafür sind die Brüder Karel und Josef Čapek. Der bekanntere von beiden ist ohne Zweifel der Schriftsteller Karel Čapek. Sein Bruder, der Maler Josef Čapek, stand immer in seinem Schatten. Nun wurde ihm allein eine Ausstellung auf der Prager Burg gewidmet. Kommen Sie mit auf einen Rundgang durch die Ausstellungsräume.

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Nachdem die gläserne Flügeltür sich wieder geschlossen hat, steht man in einem Labyrinth von lila, blauen, roten und grünen Stellwänden. Daran tummelt sich alles von unzähligen winzigen Skizzen bis zu mannshohen Gemälden. Gemälde in klaren, stechenden Farben. Körper zerspringen darauf in ihre einzelnen Teile, in geometrische Formen. Spitze Schultern kollidieren mit kreisrunden Gesichtern. Gesichter ohne Gesicht. Ab und zu ist dort, wo eigentlich ein Bild hängen sollte, ein Zitat von Josef Čapek an die Wand geschrieben:

„In sich selbst gehen, über den Formalismus hinaus. Kraft finden, sich sein eigenes Gesetz zu geben, die eigenen Werke mit dem eigenen Gesetz zu regieren. Aus Formeln heraustreten und seine eigene Freiheit erlangen. Die künstlerische Freiheit ist zugleich moralische Verantwortung.“

Diese Ausstellung ist etwas Besonderes. Noch nie wurden so viele Werke von Josef Čapek an einem Ort gezeigt. Viele galten als verschollen oder waren in Privatbesitz. So zum Beispiel das Gemälde „Junge Frau“ aus dem Jahre 1915: ein stilisiertes Mädchen, das an eine rosa Brettspielfigur erinnert, mit langen Haaren und um dem Kopf einen Heiligenschein.

Der Kuratorin der Ausstellung, Pavla Pěčinková, ist es zu verdanken, dass diese Werke Čapeks nun öffentlich gezeigt werden können. Sie hat sich 30 Jahre mit dem Erbe des Malers befasst. Pavla Pěčinková:

„In einem seiner Bücher, in dem er sich mit ethnischer Kunst beschäftigt, bezeichnet Čapek Kunst als Konfrontation mit dem Sein. Und tatsächlich war sein gesamtes Werk der 20er und 30er Jahre eine Konfrontation mit der eigenen Existenz. Es war keine Konfrontation mit philosophischen Konstruktionen, sondern er verdeutlichte innere Lebenserfahrungen mit sehr einfachen Bildern und Metaphern.“

Weiter hinten werden die Formen auf den Bildern weicher, die Menschen sind in Bewegung, nicht mehr starr und hölzern. Hier hat Čapek Elemente der tschechischen Volkskunst und der naiven Malerei beigemischt.

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Wenn man sich aus dem Stellwandlabyrinth wieder herausgefunden hat, kann man noch auf die Galerie gehen. Dort wird Josef Čapek als Illustrator vorgestellt. Eine Tätigkeit, die ihm weniger behagte, denn ein Künstler solle niemals Kunst machen, um sich davon zu ernähren, so Čapek. Am bekanntesten sind seine Illustrationen für die Bücher seines Bruders Karel. Aber mindestens ebenso beliebt sind die Geschichten von Hündchen und Kätzchen, die Josef Čapek illustriert und auch selbst geschrieben hat. Die beiden Tiere kennt heute in Tschechien jedes Kind, auch von der Leinwand.

Es kommt selten vor, dass man ein Bild einmal ganz alleine in Ruhe betrachten kann. Denn die Ausstellung hat viele Besucher nach Prag gelockt und sie sind begeistert. Eine junge Frau sagte Radio Prag:

„Das ist sehr beeindruckend. Ich denke, dieser Maler verkörpert perfekt den Geist der Tschechischen Republik, in Farben und Aussage.“

Ein älterer Herr bedauert, „dass Josef Čapek in Europa nicht so bekannt ist wie andere, aber der hätte schon das Format. Überwältigend würde ich sagen.“

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Wiederum ein jüngerer Besucher macht sich Gedanken über Čapeks Botschaft in seinem Werk:

„Mich fasziniert wirklich, wie er mit einfachen Linien sehr komplexe Gedanken wiedergibt. Das hat mir sehr gefallen.“

Wenn Sie nun Lust bekommen haben, selbst einen Rundgang durch die Ausstellung zu machen, dann haben sie noch bis zum 17. Januar Gelegenheit. Die Ausstellung findet in der Reitschule der Prager Burg statt.

Autor: Iris Riedel
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