Als Kopie ein Geschenk an den Papst - das Palladium von Böhmen und seine Geschichte

Relief der Heiligen Maria mit dem Kind - das böhmische Palladium (Foto: Autorin)

Papst Benedikt XVI. ist auf Besuch in Tschechien und Stará Boleslav / Altbunzlau wird die dritte Station auf der Reise sein. Die mittelböhmische Kleinstadt an der Elbe war früher einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte des Landes. Tausende Pilger strömten hierher zu Wenzel- und Marienwallfahrten. Bei den Marienwallfahrten am 15. August beteten sie ein Gnadenbild der Jungfrau Maria an. 1609 war es zum Palladium von Böhmen, zum Schutzbild des Landes erklärt worden. Papst Benedikt XVI. erhält eine Kopie davon als Andenken. Mehr über die Geschichte des Palladiums nun in einem Interview mit Nina Nováková von der katholischen Tschechischen Christlichen Akademie.

Nina Nováková  (Foto: Autorin)
Frau Nováková, Papst Benedikt XVI. erhält in Stará Boleslav als Andenken eine Kopie des so genannten böhmischen Palladiums. Wie sieht dieses Gnadenbild der Jungfrau Maria aus?

„Es geht um ein Relief der Heiligen Maria mit dem Kind. Das Material ist Kupfer, stark vergoldet. Es ist 19 Zentimeter hoch und 13,5 Zentimeter breit und sitzt in einem Rahmen, der mit Edelsteinen und Perlen besetzt ist.“

Das Wort „Palladium“ ist für unsere heutigen Ohren recht ungewohnt. Woher kommt dieses Wort?

„Dieses Wort kommt von der altgriechischen Göttin Pallas Athene, die die Schutzgöttin der Stadt Athen war. Später bekam dieses Wort die Bedeutung eines allgemeinen Schutzsymbols.“

Wo können die Gläubigen das Gnadenbild verehren?

„Das Bild wird bei jeder Sonntagsmesse in der Mariä-Himmelfahrt-Kirche ausgestellt und die Gläubigen können es immer am Ende der Messe verehren.“

Relief der Heiligen Maria mit dem Kind - das böhmische Palladium  (Foto: Autorin)
Das böhmische Palladium hat eine lange Geschichte. Diese Geschichte ist eng mit dem heiligen Wenzel verbunden, dem Landespatronen Tschechiens. Können Sie unseren Hörern erklären, wer Wenzel war?

„Wenzel war ein Fürst aus der böhmischen Dynastie der Přemysliden. Er lebte von 907 und 935 n. Chr. und war einer der ersten getauften Herrscher auf dem böhmischen Thron. Bis heute vergleichen die Menschen hier alle Staats- und Regierungschefs mit ihm, denn er ist das bleibende Vorbild für alle Regenten dieses Landes.“

Und wie kam Wenzel in den Besitz des Palladiums?

„Er bekam das Gnadenbild von seiner frommen Großmutter, der heiligen Ludmilla, zur Taufe geschenkt. Und Fürst Wenzel trug das Gnadenbild immer bei sich, auch wenn er nach Stará Boleslav reiste. In Stará Boleslav hatte sein Bruder eine Burg, und Wenzel besuchte ihn dort am 27. September 935.“

Mariä-Himmelfahrt-Kirche  (Foto: Autorin)
Wenzels Bruder hieß Boleslav, von ihm hat die Stadt ihren Namen. Was geschah nun während dieses Besuchs von Wenzel in Stará Boleslav im September 935?

„Am Morgen des 28. September ging Wenzel zur Heiligen Messe. Vor der Kirche traf er seinen Bruder. Boleslav strebte an die Macht - er ließ Wenzel ermorden.“

Wenzel hatte wie immer das Gnadenbild zur Heiligen Messe mitgenommen. Was passierte nun damit, nachdem Wenzel ermordet worden war?

„Wenzel hatte einen treuen Diener, der Podiven hieß. Als dieser Diener erfuhr, dass Wenzel tot war, nahm er das Bild an sich, um es zu retten. Er vergrub es am Waldrand in der Erde. Gemäß der Überlieferung hat ein Bauer das Gnadenbild ungefähr 200 Jahre später beim Pflügen gefunden. An der Fundstelle entstand später die barocke Mariä-Himmelfahrt-Kirche.“

Altar des Palladiums  (Foto: Autorin)
Das Gnadenbild wurde später ein christliches Symbol, das viele Pilger anzog. Wann setzten die Marienwallfahrten nach Stará Boleslav ein?

„Die Christen glauben daran, dass das Gnadenbild Wunder wirken und Kranke heilen kann. Wir haben Aufzeichnungen, dass schon im 12. Jahrhundert Tausende Pilger nach Stará Boleslav kamen, um das Gnadenbild zu verehren.“

Foto: Autorin
Stará Boleslav ist also ein Ort, an dem zwei bedeutende Heilige verehrt werden. Denn neben der Jungfrau Maria wird hier auch der heilige Wenzel verehrt. Schon im 10. Jahrhundert gab es die Wenzelwallfahrten, immer an Wenzels Todestag, dem 28. September. Kann man also sagen, dass Stará Boleslav der bedeutendste Wallfahrtsort der böhmischen Länder war?

„Stará Boleslav war auf jeden Fall der älteste Wallfahrtsort. Vom 12. Jahrhundert bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts fanden ununterbrochen Marien- und Wenzelwallfahrten nach Stará Boleslav statt.“

Die Tradition der Marienwallfahrten reicht also bis ins Mittelalter zurück und geht bis herauf in die Gegenwart. Doch das Gnadenbild ging noch mehrmals in der Geschichte verloren …

„Im Dreißigjährigen Krieg ging es zweimal verloren. Die Sachsen eroberten Stará Boleslav, raubten das Gnadenbild und brachten es nach Sachsen. Aber die böhmischen Adligen kauften das Bild zurück – sie wollten es nicht missen. Am Ende des Krieges fiel das Gnadenbild dann den Schweden in die Hände, die es nach Schweden verschleppten. Doch nach langen diplomatischen Bemühungen erlangten es die Tschechen wieder und 1650 kam es endgültig nach Stará Boleslav zurück.“

Statue des St. Wenzel auf dem Wenzelsplatz
Inzwischen war aber die Bedeutung des Gnadenbildes noch gestiegen. Es hatte eine besondere, zusätzliche Bedeutung bekommen. Wie verhielt es sich damit?

„Im Jahre 1609 wurde es zum nationalen Schutzbild erklärt. Seit jener Zeit nennt man das Gnadenbild ´Palladium´.“

Wann erreichte die Wallfahrtstradition in Stará Boleslav ihren Gipfel?

„Die ganze Barockzeit war natürlich eine Periode großer Wallfahrten. Aber wir haben auch aus dem 19. Jahrhundert Belege darüber, dass bei den Marienwallfahrten in Stará Boleslav bis zu 55.000 Pilger zusammenkamen.“

Und wie war es in der kommunistischen Zeit?

„1950 versteckten die neuen Machthaber das Palladium. Nur eine Kopie war noch vorhanden. Die Gläubigen verehrten das Gnadenbild auch weiterhin. Aber sie mussten es heimlich tun. Wenn wir am 15. August heimlich zur Kirche gingen, hatten wir Angst, dass uns jemand sieht. Wir schlüpften rasch in die Kirche, und erst da fühlten wir uns sicher.“

Wenzelwallfahrt in Stará Boleslav  (Foto: ČTK)
Und jetzt finden die Wallfahrten wieder statt?

„Nach der Samtenen Revolution bemühten wir uns, die Wallfahrten wieder zu beleben. Aber das ist nicht ganz einfach. Vor sieben Jahren wurden die Wenzelwallfahrten erneuert. Das hat uns sehr geholfen. Im Jahr 2008 errichteten wir ein Kreuz der Versöhnung. Es erinnert an das Unrecht, unter dem die Menschen in der Geschichte immer wieder leiden müssen. Damals kamen zahlreiche Gläubige aus Deutschland, Österreich, Polen, Ungarn und anderen Ländern nach Stará Boleslav. Und dieses Jahr am 15. August haben wir das 400. Jubiläum des Palladiums, unseres nationalen Schutzsymbols gefeiert. Wir haben auch einen Umzug durch die Stadt gemacht, wie das früher gewesen war, und es war ein großer Erfolg.“