St. Wenzelsbasilika in Stará Boleslav
Stará Boleslav / Altbunzlau bildet seit 1960 gemeinsam mit Brandýs nad Labem / Brandeis an der Elbe eine Doppelstadt. Stará Boleslav ist um etwa 400 Jahre älter als Brandýs. An der Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert entstand auf dem Gebiet von Stará Boleslav eine Burgstätte, die den Přemysliden gehörte. Die Stadt ist eng mit der St-Wenzel-Tradition verbunden. Der böhmische Landespatron, der Přemyslidenfürst Václav / Wenzel, wurde in Stará Boleslav ermordet. Einige bis heute erhaltene Kirchen zeugen davon, wie bedeutend der Ort einst war.
Was stand an diesem Ort in der Zeit, als hier der heilige Wenzel zu Besuch war?
„Im 10. Jahrhundert gab es hier zwei kleine Kirchen: St. Clemens und St. Kosmas und Damian. Die zweite Kirche ist für den St. Wenzelskult wichtiger, denn gerade vor dieser Kirche wurde Fürst Wenzel ermordet. Es war entweder 929 oder 935. Wir wissen aber genau, dass dies am Montag, dem 28. September geschah.“
Was war damals der Grund für Wenzels Besuch in Stará Boleslav? Weiß man mehr davon?„Der Legende nach soll ihn sein Bruder Boleslav zum Fest der heiligen Kosmas und Damian eingeladen haben. Das wurde damals am 26. oder 27. September gefeiert. Für Fürst Wenzel war es nicht seine erste Visite hier. Die Legende erzählt davon, dass er hier bei der Weinernte geholfen haben soll. Der Fürst stellte angeblich auch den Wein für die heilige Messe her. Bis heute gibt es unweit von hier, in Dřizy, einen Weinberg.“
Ist hier in der Kirche etwas aus Wenzels Zeiten erhalten geblieben?
„Leider nichts mehr. Am ältesten ist die Kosmas- und Damian-Krypta.“
Aus welchen Quellen stammen die Informationen über den Tod von Fürst Wenzel?„Es gibt mehrere Legenden – in Latein, aber auch in den slawischen Sprachen. Bei uns ist die so genannte ´Kristian- Legende´ am bekanntesten. Karl IV. hat selbst auch eine Wenzel-Legende verfasst.“
Wie bedeutend war Stará Boleslav im Frühmittelalter?
„Wir wissen, dass Fürst Břetislav hier in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts eine Kirche gegründet hat. Die Archäologen haben vor kurzem die Originalmauern gefunden. Im 12. Jahrhundert wurde anstelle der Kirche eine dreischiffige romanische Basilika erbaut. Im 11. Jahrhundert galt Boleslav schon als ein Wallfahrtsort. Břetislav ließ diese Kirche als Buße bauen. Denn zuvor brachte er ohne Erlaubnis von Papst Benedikt IX. die Reliquien des heiligen Adalbert und des heiligen Radim aus Polen nach Böhmen. Als Buße sollte er entweder ein Kloster stiften oder eine Kirche bauen. Er entschied sich für den Kirchenbau.“
An den Wänden der Basilika ist ein Gemäldezyklus zu sehen. Stellt er nur Ereignisse aus dem Leben des heiligen Wenzel dar?„Nicht nur. Das Hauptmotiv ist der heilige Wenzel. Aber es wird da auch die Ermordung der heiligen Ludmila, der Oma des heiligen Wenzel, dargestellt. Auf einem anderen Gemälde sieht man Heinrich I. von Sachsen, der sehr freundlich den böhmischen Fürsten empfängt, weil er, wie das Bild zeigt, zwei Engel sieht, die Wenzel begleitet haben sollen. Eben von Heinrich I. hatte Fürst Wenzel die Reliquie des heiligen Veit bekommen.“
Woher stammt dieser Gemäldezyklus?
„Es stammt aus dem Prager Jesuitenkolleg und wurde in der Basilika nach dem Dreißigjährigen Krieg installiert.“
Jetzt stehen wir in der so genannten Vrábská-Kapelle vor der bekanntesten Statue, die es in Stará Boleslav gibt. Sie stellt den Tod des heiligen Wenzel dar...„Zu dieser Statuengruppe strömen immer zahlreiche Pilger. Sie zeigt sehr dramatisch den Tod des heiligen Wenzel. In dieser Darstellung ist Wenzels Bruder Boleslav selbst der Mörder. Aus den Legenden wissen wir, dass Boleslav seinen Bruder wahrscheinlich nicht selbst ermordet hat. Er hatte jemanden anderen damit beauftragt. Diese Skulptur, die sehr tragisch wirkt, ist ein Werk von Matthias Bernhard Braun.“
Ist der heilige Wenzel neben dieser Skulptur und dem Gemäldezyklus in der Basilika noch irgendwo abgebildet?„Natürlich gibt es hier auch andere Gemälde. Ich möchte auf diese Kopie eines Wenzel-Bildes aufmerksam machen, das im Petersdom in Rom hängt.“
Während der Wallfahrt wird hier die Reliquie des heiligen Wenzel ausgestellt, die zum Feiertag immer aus Prag hierhergebracht wird. Seit wann gibt es diese Tradition?
„Man muss sagen, dass dem nicht immer so war. Seit dem 10. Jahrhundert wurde die Reliquie hier nur unter Karl IV. und dann erst wieder 1929 ausgestellt, als der 1000. Todestag des heiligen Wenzel begangen wurde. Aber seit 2003 wird die Reliquie wieder am Vorabend des St.-Wenzel-Tags hierhergebracht. Es muss aber mit der Zustimmung des Prager Erzbischofs geschehen. “
Nebenan befindet sich ein ganz kleiner Raum. Weiß man, wozu er genutzt wurde?
„Der Legende nach gab es hier eine kleine Küche, in der Fürst Wenzel Hostien für die Messe gebacken haben soll.“
Rechts vom Eingang der Krypta befindet sich eine weitere Statuengruppe. Wen stellt sie dar?
„Das ist Wenzel als kleiner Junge mit seiner Oma Ludmila, die sich um Wenzels Erziehung und Bildung gekümmert hat. Ludmila hat ein Buch in der Hand. Interessant ist, dass die Schrift kyrillisch ist, dies soll wahrscheinlich die Beziehung Wenzels zur slawischen Liturgie symbolisieren.“Seit wann werden die großen Wallfahrten nach Stará Boleslav organisiert? Gab es sie schon vor Karl IV. ?
„Karl IV. hat bestimmt Verdienste um den Wallfahrtsort. In Stará Boleslav gibt es aber neben dem St.-Wenzelkult noch einen Ort, der mit dem Marienkult verbunden ist. Nahe dieser Basilika gab es einst eine kleine Marienkirche, in der schon im 12. Jahrhundert vor einem Marienbild gebetet wurde. Seit 1609 wird das Marienbild als das Palladium von Böhmen bezeichnet. Es handelt sich um ein Relief der Heiligen Maria mit dem Kind. Im 17. Jahrhundert wurde für die vielen Pilger eine große Kirche – die Maria Himmelfahrtskirche – erbaut.“