Was nun? Bestandsaufnahme nach dem Scheitern vorgezogener Neuwahlen

Die Abhaltung vorgezogener Neuwahlen im November ist gescheitert. Wie sind die Reaktionen im In- und Ausland? Welche politischen Lösungen sind nun möglich? Jitka Mládková hat dazu mit Till Janzer gesprochen, der die Entwicklung verfolgt hat.

Till, der Sinneswandel der Sozialdemokraten kam für die anderen Parlamentsparteien überraschend. Wie ist die politische Stimmung nun?

Jiří Paroubek und Mirek Topolánek  (Foto: ČTK)
„Die Stimmung ist äußerst schlecht. Das hat am Dienstagabend auch die Elefanten-Runde im Tschechischen Fernsehen gezeigt. Die Vorsitzenden der Parlamentsparteien konnten sich nicht einmal anständig in die Augen sehen. Vor allem Mirek Topolánek als Chef der Bürgerdemokraten und Jiri Paroubek, der Vorsitzende der Sozialdemokraten, zeigten sich spinnefeind und beleidigten sich gegenseitig. An ihren beiden Parteien führt aber kein Weg vorbei. Kommen sie nicht zu einer Einigung, dann herrscht im Abgeordnetenhaus ein Patt und Gesetze können nicht beschlossen werden.“

Kommentatoren in Tschechien sind der Meinung, dass sich die Politiker in Tschechien nun endgültig lächerlich gemacht haben. Kann man das so sehen?

„Eigentlich geht es kaum noch schlechter. In der vergangenen Woche wurde eine Umfrage veröffentlicht, wonach nur noch zwei Prozent der Tschechen den Politikern ihres Landes glauben. Im Ausland sind die Töne diplomatischer. Der schwedische Außenminister Carl Bildt und damit auch amtierende EU-Ratspräsident bemerkte süffisant: Immer wieder würde man von den tschechischen Freunden Erläuterungen brauchen, um der sich schnell wandelnden Lage in Tschechien zu folgen.“

Welches sind denn nun die politischen Möglichkeiten und politischen Folgen?

„Es gibt mehrere Möglichkeiten. Eine Variante ist, dass die aktuelle Regierung von Jan Fischer aus parteilosen Ministern bis zum regulären Wahltermin im Mai kommenden Jahres weiter bestehen bleibt. Dazu hat aber Fischer Bedingungen gestellt: zum einen erneut das Vertrauen der Abgeordneten zu erhalten, zum anderen sollen die Parlamentsparteien einem Haushalt mit harten Sparmaßnahmen zustimmen. Eine zweite Variante wäre die Aufstellung einer anders gearteten Übergangsregierung bis zu regulären Wahlen. Es besteht aber immer noch eine dritte Alternative: ein verfassungskonformer Weg, um zu vorgezogenen Neuwahlen zu kommen. Dazu müsste die Regierung Fischer die Abstimmung über ein Gesetzesvorhaben mit der Vertrauensfrage verbinden. Sollte das Abgeordnetenhaus drei Monate lang das Gesetz nicht verabschieden, wären vorgezogene Neuwahlen möglich.“

Das wäre aber erst im Februar oder März kommenden Jahres möglich. Aktuell ist aber die wichtigste Aufgabe, einen Staatshaushalt für 2010 zusammenzustellen. Wie stehen die Chancen dafür?

„Finanzminister Eduard Janota hat ja bereits konkrete Sparmaßnahmen für den Haushalt vorgeschlagen. Doch sowohl die Bürgerdemokraten, als auch die Sozialdemokraten haben den Janota-Entwurf in der jetzigen Form abgelehnt. Gerade die Sozialdemokraten, die jetzt mit ihrem Sinneswandel die jetzige Situation geschaffen haben, bei der der Haushalt noch vom Abgeordnetenhaus in seiner derzeitigen Zusammensetzung verabschiedet werden muss, sind gegen zentrale Teile wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer und Einsparungen bei den Sozialausgaben.“