Paroubeks Kehrtwende: Sozialdemokratenchef kippt vorgezogene Neuwahlen
Seit dem Sturz der liberal-konservativen Regierung von Mirek Topolánek im Frühjahr hat Tschechien ein Übergangskabinett. Dieses sollte das Land bis zu vorgezogenen Neuwahlen führen. Dann kam das Urteil des Verfassungsgerichts. Um den Weg zu den Wahlen dennoch zu öffnen, wurde eine Verfassungsänderung beschlossen und das Unterhaus des Parlaments sollte am Dienstag seine Selbstauflösung bestimmen.
Nach der schnellen Verfassungsänderung, die am Freitag beschlossen wurde, schien es, dass die vorgezogenen Neuwahlen kaum noch etwas gefährden kann. Hauptbefürworter war der Parteichef der Sozialdemokraten, Jiří Paroubek. Dieser ließ jedoch am Dienstagmorgen ohne Vorwarnung verlauten:
„Wir haben uns entschieden, die rechtlichen Risiken einzuschränken, die mit einer eventuellen erneuten Anzweiflung vorgezogener Wahlen verbunden sind. Aus diesem Grund unterstützen wir die Auflösung des Abgeordnetenhauses nicht.“
Die Sozialdemokraten, die sich bislang für die Auflösung des Abgeordnetenhauses eingesetzt hatten, kündigten damit die Vereinbarung, die zuvor von den meisten Parlamentsparteien geschlossen wurde.
Die Bürgerdemokraten warfen darauf den Sozialdemokraten vor, ihre eigenen Interessen vor die Interessen des Landes zu stellen. Und Bürgerdemokraten-Chef Mirek Topolánek kündigte frustriert an: „Ich habe mich entschieden, auf mein Abgeordnetenmandat zu verzichten, falls das Abgeordnetenhaus nicht aufgelöst wird.“Die Grünen reagierten auf Paroubeks Worte mit der Bemerkung, sie hätten auf die Risiken einer erneuten Verfassungsbeschwerde gegen vorgezogene Neuwahlen bereits am Freitag aufmerksam gemacht. Da seien sie aber von den Sozialdemokraten ausgelacht worden. „Versteht jemand in der Tschechischen Republik noch, was die Sozialdemokraten eigentlich wollen?“ fragte der Grünen-Parteichef Ondřej Liška.
Kurz vor dem geplanten Beginn der Sitzung war am Dienstag bereits fast entschieden, dass die Selbstauflösung des Abgeordnetenhauses nicht zustande kommt. Die Kommunisten erklärten, sie wollten sich ihrer Stimmen enthalten. Die Verfassung sei nicht so geändert worden, wie sie es sich gewünscht hätten, erklärte der kommunistische Parteichef Vojtěch Filip.Als die Sitzung um 14 Uhr eröffnet wird, versuchen die Bürgerdemokraten doch noch durchzusetzen, dass über die Auflösung des Unterhauses abgestimmt wird. Jedoch erfolglos. Es findet sich nicht einmal eine Mehrheit, dies auf die Tagesordnung zu setzen. Kurz nach Eröffnung der Sitzung ist der Saal wieder leer. Und Mirek Topolánek hält sein Versprechen ein und verzichtet offiziell auf sein Abgeordnetenmandat.