Bankrott und Betrug – Obama und der Papst
Wie immer gegen Ende der Woche werfen wir nun im Medienspiegel einen Blick in die tschechischen Tageszeitungen. Diesmal hat Patrick Gschwend die Kommentarspalten unter die Lupe genommen.
Ja sicher, der Bankrott von Tomi Tour war ein Thema, zumal Experten warnten, der Bankrott von Tomi Tour werde in diesem Sommer nicht der letzte in der tschechischen Reisebranche sein. František Bouc schreibt dazu in der Lidové noviny:
„Nun haben die Urlaubsplaner mit den Bergen von Reisekatalogen zu Hause noch ein Dilemma mehr. Außer den schwierigen Fragen ‚Wann?’ und ‚Wohin?’ müssen sie nun auch abwägen ‚Mit wem?’“
Und sich im „Dschungel“ der über 6000 tschechischen Reiseunternehmen zurechtzufinden sei keine leichte Aufgabe, meint Bouc.
Ja, stimmt. Tschechien gehört zu den Ländern mit der höchsten Anzahl von Reiseveranstaltern pro Kopf. Hat Bouc eine Lösung?
Nicht wirklich. Viele Tschechen lebten ja in dem Glauben, die Wahl eines großen Reiseveranstalters – wie eben Tomi Tour – garantiere mehr Sicherheit. Das hat sich nun als Illusion erwiesen, schreibt Bouc. Er fragt: „Gibt es also überhaupt die hundertprozentig sichere Urlaubsreise?“ Und er gibt auch gleich die Antwort: „Ja und Nein.“ Ein wenig konkreter wird Bouc aber schon. Denn weiter heißt es:
„Bei der Buchung einer Reise muss vor allem der gesunde Menschenverstand funktionieren. Wenn jemand um 40 Prozent niedrigere Preise als die Konkurrenten und dazu noch zwei Kinder umsonst anbietet, ist das sicher nicht empfehlenswert. Nachdenken ist auch dann angebracht, wenn ein Unternehmen schon jetzt Reisen für das nächste Jahr anbietet. Signalisiert das nicht eine mangelnde Liquidität?“, fragt Bouc rhetorisch.
Eine gute Nachricht hat er aber trotzdem. Wenn der Reiseveranstalter des Vertrauens Pleite gehen sollte, verliere man als Kunde zumindest nicht allzu viel Geld, da die Unternehmen der Reisebranche verpflichtet sind, sich gegen Bankrott zu versichern.
Der Urlaub der Tomi-Tour-Kunden ist jedenfalls im Eimer.
Das schon, aber vielleicht erhalten sie wenigstens noch Genugtuung. Die Polizei beschäftigt sich mit diesem speziellen Fall. Denn es gibt Betrugsvorwürfe. So hat Tomi Tour wohl noch wenige Tage vor dem großen Crash Last-Minute-Reisen verkauft. Und auch die Umstände der spektakulären Rückholaktionen von Urlaubern sind zu einem Fall für die Polizei geworden.
Wir sind mittendrin im Medienspiegel, heute mit Patrick Gschwend. Patrick, die Polizei hat sich in dieser Woche nicht nur mit dem Bankrott von Tomi Tour beschäftigt, sondern auch mit dem Ex-Chef des tschechischen Fußballverbandes Pavel Mokrý und anderen hohen ehemaligen Verbandsfunktionären. Haben sich außer den Polizisten auch die Kommentatoren mit Mokrý und Konsorten beschäftigt?
Ja, natürlich.
Bevor du erzählst, was in den Meinungsspalten über die Affäre Mokrý geschrieben wurde, kurz zum Hintergrund. Am Dienstag wurde einige der ehemaligen Fußballfunktionäre verhaftet und verhört. Der Vorwurf lautet Steuerhinterziehung und Betrug. Es ging da um Ungereimtheiten beim Verkauf von Eintrittskarten zur Europameisterschaft 2004 in Portugal.
Richtig, aber worum es diesmal genau ging, spielt eigentlich keine Rolle. Denn dieser Fall Mokrý ist im tschechischen Fußball nur der jüngste Skandal in einer ganzen Reihe, die bis in die neunziger Jahre zurückreicht. Martin Zvěřina meint in der Lidové noviny:„‚Fußball hat keine Logik’ ist zwar eines der dämlichsten Fußballklischees, aber bei uns erfüllt es sich in der Interaktion zwischen der Polizei und den Fußballfunktionären. Das Ungleichgewicht zwischen der Zahl spektakulärer Verhaftungen und den letztlich verhängten Urteilen springt ins Auge.“
Zvěřina bemängelt, die größten Gauner blieben stets auch weiterhin im Geschäft und grinsten den Fußballfans frech ins Gesicht. Jiří Franěk von der Právo ordnet die Skandale im Fußball in einen größeren Zusammenhang ein:
„Wir können die Bonzen aus dem Fußballverband mit unseren Politikern vergleichen, die genauso zum Teil öffentliche Akteure und zum Teil private Unternehmer sind. Und manchmal bringen sie die zwei Funktionen durcheinander.“
Nun soll ja Ivan Hašek alles richten, der vor kurzem sowohl die Funktion des Präsidenten als auch die des neuen Nationaltrainers übernommen hat.
Das greift auch Franěk auf:
„Hašek ist eine bedeutende Persönlichkeit im tschechischen Fußball, aber jeder Fan schätzt vor allem eines an ihm: er ist anständig. In Hašek werden fast so viele Hoffnungen gesetzt wie in Obama, so viele Hoffnungen, dass sie eine Person allein gar nicht erfüllen kann. Er muss es aber versuchen. Wie der Säuberungsprozess ausgehen wird, werden allerdings entweder erst später erfahren, oder aber niemals. Wie in der Politik.“
Apropos Politik…
… apropos Obama. Da gab es ja noch den Brief von ehemaligen Politikern und Intellektuellen aus Mittel- und Osteuropa, in dem sie Barack Obama aufgefordert hatten, sich wieder mehr um die Region zu kümmern. Und zwar, weil Russland angeblich in der Region wieder imperialistische Ambitionen zeige. Den Brief hat unter anderem auch der tschechische Ex-Präsident Václav Havel unterschrieben. Jiří Pehe fragt in der Zeitung Právo:„Könnte man nicht erwarten, dass sich die Staaten der Region 20 Jahre nach der politischen Wende, zehn Jahre nach dem Nato-Beitritt und fünf Jahre nach dem Beitritt zur EU, zumindest gelegentlich auch um sich selbst kümmern könnten? Der Brief illustriert den politischen Provinzialismus der Länder unserer Region, als wenn man 20 Jahre nach dem Fall des Kommunismus immer noch keinen Rat mit der Wirklichkeit wüsste“, findet Pehe.
In dieselbe Kerbe haut auch der Politologe Jan Jireš in der Mladá fronta dnes. Der Brief belebe das veraltete Stereotyp Mittel- und Osteuropas, meint er. Die Autoren forderten die erhöhte Aufmerksamkeit Obamas mit dem Argument, es handele sich um eine politisch und wirtschaftlich instabile Region, in der alte Dämonen in Gestalt von Extremismus und Antisemitismus wieder an die Oberfläche drängten. Das habe zwar so nicht in dem Brief gestanden, aber der Eindruck entstehe, so Jireš in der Mladá fronta dnes.
In aller Kürze, hast Du sonst noch etwas mitgebracht?
Aber sicher. Stichwort: Papst. Der kommt ja im September nach Tschechien. Diese Woche hat er angekündigt, hier weitgehend auf die deutsche Sprache zu verzichten. Und zwar aus Rücksicht auf die belastete deutsch-tschechische Geschichte. Teodor Marjanovič von der Mladá fronta dnes ist deshalb enttäuscht:
„‚Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam?’ fragte Jesus als seine Jünger Angst vor einem Gewitter hatten. Die Gewitter zwischen Tschechen und Deutschen sind schon Vergangenheit, aber der Papst ließ sich von den furchtsamen Kirchenfürsten überreden, hier nicht deutsch zu sprechen. Warum diese Kleingläubigkeit? Der Papst hätte die Chance gehabt in seiner Muttersprache zu bekräftigen, dass die schlimmen Zeiten vorbei sind. Er hat die Chance vertan. Damit verhält er sich eher wie die Jünger als wie Jesus.“
Und damit war es das von mir für heute im Medienspiegel.