Der Zufall und der Rundfunk haben sie und ihn zusammengeführt

Man sagt, wahre liebe kennt kein Alter. Diesen Spruch kennt wohl jeder. Viele von uns wüssten auch ein paar Beispiele dafür. Eines haben auch wir in der neuen Folge von „Heute am Mikrophon“ für Sie parat.

Das Interview mit dem Ehepaar, das ich Ihnen vorstellen möchte, habe ich bereits Ende vergangenen Jahres aufgenommen. Danach lag es gespeichert in meinem O-Ton-Vorratskasten und wartete auf seine Ausstrahlung. Nun ist es an der Zeit, die persönliche Aussage von Olga und Mirek zu lüften. Darüber, wie sie sich vor rund 20 Jahren kennen gelernt haben, kann man eigentlich zu jeder Zeit erzählen. Um so mehr noch, dass dabei auch unsere Radioanstalt, der ehemals Tschechoslowakische Rundfunk, die entscheidende Rolle gespielt hat.

Olga ist ehemalige Lehrerin für Englisch und Körpererziehung, und obwohl sie über 70 ist, surft sie gerne im Internet, schwimmt, läuft Ski, kurzum, Langeweile hat in ihrem Leben keinen Platz. Ihr Mann Mirek ist Diplomingenieur. Da er mittlerweile auf die 90 zusteuert, kann er sich dem Sport nicht mehr so wie früher widmen. Aber auch er langweilt sich nicht. Fangen wir zunächst mit einem kleinen Rückblick auf Mireks Curriculum an:

„1939 – 1946 habe ich an der Technischen Hochschule für Maschienenbau in Prag studiert. Da aber die Hochschulen 1939 von deutschen Besatzern geschlossen wurden, habe ich zwei Jahre lang eine Fachmittelschule absolviert. Danach habe ich bei der Firma Walter, dem Flugzeugbremsenhersteller, gearbeitet. Als der Krieg zu Ende war, fing ich wieder an zu studieren und Ende 1946 war ich fertig. Im Februar 1947 habe ich meine erste Frau geheiratet.“

Von nun an haben Sie in verchiedenen Institutionen gearbeitet in den Bereichen Energiewirtschaft, Verkehrswesen, Motorfahrzeuge, Transporteinrichtungen und anderen. 1980 sind Sie 60 geworden und haben sofort Ihren Job an den Nagel gehängt. Um Ihre Datscha fertig zu bauen, wie Sie mir erzählt haben. Gehören Sie also zu den Abertausenden Tschechen, für die das Wocheendhaus ihr größtes Hobby ist?

„Bestimmt. Als das Haus unserer Familie verstaatlicht wurde, haben wir uns mit meiner Frau vorgenommen, wenigstens ein Wochenendhaus zu bauen. 1960 kauften wir ein Grundstück, das ziemlich billig war, und drei Jahre arbeitete ich an dem Bauplan. Beide haben wir über 3000 Stunden am Bau abgearbeitet.“

Sie haben verscheidene Perioden der Geschichte unseres Landes im 20. Jahrhundert miterlebt – den Kapitalismus der Vorkriegszeit, den Krieg, die Machtübernahme durch die Kommunisten und deren Herrschaft bis 1989, und danach wieder den Kapitalismus. Welche Zeit war für Sie am schönsten?

„Die schönste Zeit war die mit meiner ersten Frau. Auf den Straßen gab es wenig Verkehr. Mein Vater hatte ein Auto, das wir uns leihen konten, und so reisten wir oft durch das ganze Land. Auch in der Zeit der russischen Okkupation konnten wir ziemlich bequem leben.“

Und jetzt wende ich mich an Sie, Frau Olga. In Ihrem Leben ist es damals nicht so reibungslos gegangen?

„In jener Zeit war ich schon geschieden und lebte mit meinen zwei Söhnen, die an der Hochscule studierten. Ich fühlte mich einsam und lebte vor allem durch meine Arbeit in der Schule, durch die Arbeit für die Kinder und auch durch meine Tätigkeit außerhalb der Schule. In meiner Freizeit widmete ich mich dem Skilaufen, Schwimmen oder ging spazieren.“

Einen Spaziergang machten Sie auch an dem Tag, an dem das Radio, konkret der Tschechische Rundfunk, eine substantielle Wende in Ihrem Leben herbeiführen sollte. Wie war es an dem Tag?

„Ich kam nach Hause, war nicht gerade bestens gelaunt, und schaltete wie so oft den damaligen Tschechoslowakischen Rundfunk ein, um eine Musiksendung zu hören. Die Zuhörer sollten anrufen und raten, welche Musiktitel gespielt werden. Mit demjenigen, der erfolgreich war, hat man dann auch ein kurzes Gespräch geführt. Als das Klavierquintett A-dur, genannt ´Die Forelle´, von meinem Lieblings-Komponisten Franz Schubert gespielt wurde, habe ich auch angerufen und war auf Sendung.“

Da haben Sie nicht geahnt, dass unter den lauschenden Zuhörern auch Ihr künftiger Ehemann war?

„An dem Nachmittag habe ich auch das Radio eingeschaltet, wo die erwähnte Sendung lief. Zu dem Zeitpunkt führte man bereits das Gespräch mit meiner künftigen Frau, die ich damals noch nicht kannte. Ich hatte keine Ahnung, dass es eine mit Wissensfragen verbundene Sendung war. Sie erzählte etwas über sich, hatte eine angenehme, ruhige Stimme, die aber ein bisschen traurig klang. Ich war damals schon Witwer, und so fiel mir ein, dass ich sie gerne kennen lernen möchte. Dem Sender ist nämlich ein Fehler unterlaufen. Man hat ihren vollen Namen und ihre Telefonnummer direkt in der Sendung gesagt. Beides habe ich mir gemerkt und schaute im Telefonbuch nach. Dort fand ich auch ihre Adresse. Nach einer Woche habe ich ihr einen Brief geschickt.“

Frau Olga, waren Sie dann nicht mit Telefonaten berieselt? War nicht die besagte Musiksendung auch als eine Art Kontaktanbahnung gedacht?

„Ein bisschen schon, denke ich, sie basierte allerdings auf Musikkenntnissen und Musikinteressen. Dafür, dass meine Personalien während der Live-Sendung veröffentlicht wurden, hat sich der Radiosender bei mir sehr entschuldigt. Ich hatte danach in der Tat eine ganze Menge Anrufe bekommen. Sehr oft ausgerechnet in der Zeit, und das war das Schlimmste daran, wenn meine Söhne zu Hause waren. Mama, schon wieder ein Anruf zu dem Radioquiz! Die Leute meldeten sich gerne mit einem persönlichen Kommentar. Ich habe aber auch mehrere Briefe erhalten. So schrieb mir zum Beispiel ein Herr, der wusste, welche Melodie ich im Rundfunk spielen ließ. In seinem Schreiben wimmelte es aber von grammatischen Fehlern. Das war schrecklich. Der Brief landete sofort im Papierkorb.“

Was haben Sie, Herr Mirek, in Ihrem Brief geschrieben?

„Ich schrieb, dass ich ein Witwer bin, allein lebe, 77 Jahre alt bin, gerne Ski laufe oder dass ich eine Sammlung von schönen Jazzmusikaufnahmen besitze und dass ich sie gerne persönlich kennen lernen möchte.“

Ich möchte gerne wissen, wie dieser Brief bei seiner Empfängerin angekommen ist.

„Nicht nur diesen, sondern alle seine Briefe, sorgfältig nummeriert, habe ich bis heute aufgehoben. Außer über sich selbst schrieb er in dem allerersten Brief auch über seine erste Frau, die verstorben war. Das hat mit wahrscheinlich am meisten angesprochen, weil er über sie sehr, sehr schön schrieb. Und fehlerfrei, wohlgemerkt, auf der Schreibmaschine getippt. Schon daraus war ersichtlich, dass er inteligent ist und nicht so einer, mit dem ich kein Wort wechseln möchte.“

Nach einiger Zeit mit Briefwechsel kam ihr erstes Treffen. Können Sie sich, Herr Mirek, noch an Ihre Eindrücke von damals erinnern?

„Meine Eindrücke waren überwältigend, weil ich mich vergewissern konnte, dass ich es mit einer intelligenten Dame zu tun habe. Sie sah aus wie ein junges Mädchen! Schlank, ihre 55 Jahre konnte man ihr kaum ansehen. Das ist eine tolle Frau, die muss ich erobern, sagte ich mir damals.“

Und das ist Ihnen auch gelungen. Wie erinnern Sie sich, Frau Olga, an die erste Begegnung? Was hat Sie überzeugt, dass er der richtige Lebenspartner ist?

„Schauen Sie ihn an! Auch heute noch sieht er gut aus. Damals hat er mir sehr gefallen. Er konnte sehr schön sprechen, sprachlich korrekt. Und noch was. Sehr schön konnte er mich an der Hand halten. Ich kann sagen, dass ich mich verliebt habe. Er hatte gutes Benehmen, konnte auch schön und interessant über seine Arbeit, seine Datscha oder über Musik erzählen. Kurzum, wir haben festgestellt, dass wir viel gemeinsam haben.“

Ende gut, alles gut. Nach einem halben Jahr fand die Hochzeit an. So begann also die Liebesgeschichte, nacherzählt von ihren Protagonisten Olga und Mirek. Den gemeinsamen Weg haben sie also mit einem beträchtlichen Potenzial eingeschlagen. Über die zurückliegenden 20 Jahre erzählen sie mit Begeisterung. Und dem Rundfunk nehmen sie den Fauxpas mit der Veröffentlichung von Olgas Namen natürlich nicht übel.