Innenminister Černý verurteilt Wahlkampagne der SdP vor den Wahlen 1935
Im Mai 1935 werden in der Tschechoslowakei Parlamentswahlen abgehalten. Die Sudetendeutsche Partei (SdP) von Konrad Henlein richtet ihren Wahlkampf gegen die tschechoslowakische Regierung aus. Unter anderem wirft sie dem Koalitionskabinett vor, nicht genügend gegen die Folgen der Wirtschaftskrise zu tun, und das vor allem in den Sudetengebieten, die von der Krise besonders betroffen sind. Kurz vor den Wahlen spricht Innenminister Josef Černý in den deutschsprachigen Sendungen des Tschechischen Rundfunks.
„Vor mir liegt ein elegant ausgestattetes vierfarbiges Flugblatt auf satiniertem Papier, wie es sich nur gut Situierte zu leisten vermögen. In Wort und Bild schmettert es uns die Anklage entgegen: ´Jetzt Schluss! 16 Jahre habt Ihr geredet, nun werden wir handeln! ´ Das ist wahrlich ein kühnes Wort.“
Das Flugblatt auf dem Schreibtisch von Innenminister Josef Černý hat die Sudetendeutsche Partei verfasst. Deren Parteichef Konrad Henlein macht mit der wirtschaftlichen Notlage in den deutsch besiedelten Grenzgebieten Stimmung gegen die Regierungspolitik. In den Sudetengebieten lag die Arbeitslosigkeit in Folge der Weltwirtschaftskrise zweieinhalb Mal höher als in den mehrheitlich tschechisch besiedelten Gebieten. In seiner Rede geht Černý auf diesen besonderen Umstand nicht ein, er spricht aber über die Krise. Und er spricht von den schweren Aufgaben für die Regierung, gegen Folgen der Krise wie die Massenarbeitslosigkeit anzugehen.
„Diesen Aufgaben ist die Regierung aus dem Gefühl der Verantwortlichkeit heraus, das sie in den zurückliegenden Jahren in keinem Augenblicke verließ, in weitestgehendem Maße gerecht geworden“, glaubt Josef Černý.
Nun zählt der Innenminister einzelne Maßnahmen auf, welche die verschiedenen tschechoslowakischen Regierungen in den Jahren seit Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 ergriffen haben. Unter anderem seien drei Milliarden Kronen für die Unterstützung Arbeitsloser ausgegeben worden, zählt der Politiker zusammen. Der Sudetendeutschen Partei wirft er hingegen vor, kein Konzept zum Kampf gegen die Krise zu haben:
„Doch was vermögen die Flugblattverfasser Anderes und Besseres zu bieten? Bar jedes neuen schöpferischen Gedankens, bar jeder wirtschaftlichen und finanzpolitischen Idee, bar jedes sozialen und sozialpolitischen Programms und lediglich gestützt auf die durch Jahrzehnte abgeleierte und abgenutzte Phrase von der Volksgemeinschaft, die ihr einziges geistiges Frust-Rüstzeug und ihr ausschließliches programmatisches Inventar ist, werfen sie sich zu Nothelfern des deutschen Volkes auf, das sie zu ihrem Versuchskaninchen machen wollen.“Zum Schluss spricht Černý eine Wahlempfehlung aus. Doch er wirbt nicht etwa für seine Partei, die tschechischen Agrarier, sondern für seinen sudetendeutschen Partner in der Regierungskoalition:
„Die arbeitenden Menschen unseres Staates werden in dieser harten Zeit sicher nicht irre gehen und sich zur deutschen Sozialdemokratie schlagen“, so der Innenminister.
Doch es kommt anders: Vier Tage nach Černýs Rede schreiten die tschechoslowakischen Bürger zu den Urnen, zwei Drittel der Deutschstämmigen wählen Henleins Sudetendeutsche Partei. Die deutschen Sozialdemokraten brechen hingegen ein. Nur mit Not entsteht erneut eine breite Regierungskoalition unter der Führung der Agrarier.