Arbeitgeberverband fordert: Mutige Investitionen und Datum für die Einführung des Euro

Foto: Europäische Kommission

In der Tschechischen Republik werden die Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise immer spürbarer. Insbesondere die Vertreter der Wirtschaftsbranche melden sich verstärkt zu Wort. Und auch die Tonlage nimmt an Schärfe zu...

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Der Verband für Industrie und Verkehr der Tschechischen Republik (SP ČR) ist eine der tragenden Säulen der tschechischen Wirtschaft. Ja, man könnte sogar behaupten, er ist der Motor der hiesigen Ökonomie, da nahezu alle wichtigen, weil großen und mittleren Unternehmen des Landes unter seinem Dach vereinigt sind. Vor einer Woche tagte die Mitgliedervollversammlung des Verbandes. Eine Versammlung, bei der die Köpfe rauchten, denn auch Tschechien blieb von der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise nicht verschont. Kein Wunder, dass die gegenwärtige Bestandsaufnahme, die der erste Vizepräsident des Verbandes, Jaroslav Hanák, vor der Presse kundtat, alles andere als rosig ausfiel:

„Alle Analysen, die wir in der vergangenen Woche durchgeführt haben, haben erneut bestätigt: Die Situation ist wirklich ernst. Wir befinden uns bereits das zweite Quartal in einer wirtschaftlichen Rezession und dem Resümee unserer Analysen nach werden wir es auch noch im dritten Quartal dieses Jahres sein. Denn mehr als 80 Prozent unserer im Verband integrierten Firmen haben klar gesagt, dass sie mit einem weiteren Rückgang ihrer Auftragslage rechnen. Nach dem ökonomischen Lehrbuch bedeutet das, im Juli wird dieses Land in einer ökonomischen Krise stecken.“

Die Analysen, von denen Hanák sprach, haben zum Beispiel ans Licht gebracht: Nur 11,5 Prozent der tschechischen Firmen rechnen nicht damit, dass sie im ersten Halbjahr dieses Jahres einen Rückgang ihrer Auftragslage beklagen müssen. Oder anders formuliert: Rund zwei Fünftel aller Unternehmen erwarten für diesen Zeitraum einen Auftragsrückgang von 11 bis 30 Prozent.

Das hat natürlich Konsequenzen. Die logischste davon ist, dass Firmen Arbeitskräfte entlassen müssen. Gerade in dieser Frage aber habe sich die „Vernunftehe“, die der Arbeitgeberverband und die Gewerkschaften infolge der Krise miteinander eingegangen sind, bisher bewährt, sagt Hanák. Und die Zahlen belegen es: 37 Prozent der im Rahmen der Analyse befragten Firmen haben bislang noch keine Arbeitnehmer entlassen, bei einem weiteren Fünftel der Unternehmen hat man nur bis zu fünf Prozent der Arbeitsplätze abgebaut. Dies wurde möglich, weil die Gewerkschafter im Gegenzug auf eine Forderung nach Lohnerhöhung verzichtet haben.

Die Mechanismen, die sich die Wirtschaft zur Überwindung der Krise selbst auferlegt hat, greifen also. Auch deshalb sieht der Präsident des Verbandes für Industrie und Verkehr, Jaroslav Míl, im Gegensatz zu Hanák bereits ein erstes Licht am Ende des Tunnels:

Jaroslav Míl
„Ich teile die Meinung, der zufolge behauptet wird, dass wir die Talsohle bereits durchschritten haben. Auf der anderen Seite stimme ich nicht überein mit der optimistischen Erwartungshaltung, nach der wir uns jetzt schnell wieder nach oben bewegen werden. Im Gegenteil: Ich denke, dass wir uns nur sehr langsam erholen werden und zwar bis über das Jahr 2010 hinaus. Die Realität sieht nämlich so aus, dass alles entscheidend davon abhängt, ob die Hilfspakete in den Vereinigten Staaten und in der Europäischen Union auch wirken werden. Und da gilt es vor allem, das Vertrauen im Bankensektor wieder herzustellen.“

Jaroslav Míl begründet seine Meinung so: „Wir sind gerade Zeuge eines brutalen Einbruchs. In der Autoindustrie zum Beispiel ging die Produktion um 40 Prozent zurück. Dieser Absturz ist bereits gestoppt. Die Suche nach dem ökonomischen Gleichgewicht, bei dem eine Ware wieder das kosten wird, was sie wirklich wert ist, aber hat gerade erst begonnen. Zurzeit wird die Wertigkeit vieler Waren nur durch einen virtuellen Preis ausgedrückt. Dieser Prozess wird meiner Meinung nach sehr lange dauern, und zwar sicher bis zum Jahr 2011 oder 2012, ja vielleicht sogar noch länger.“

Trotz aller Negativnachrichten, die die Krise mit sich bringt, seien die Mitglieder des Verbandes aber durchaus positiv gestimmt, sagte Míl. Auf der Vollversammlung habe man nämlich bereits darüber diskutiert, welche Vorsorge man für die Zeit nach der Krise treffen müsse. Und da habe der Verband ganz klare Forderungen an die Politik, schildert sein Präsident:

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„Wir sind überzeugt davon, dass jede Krise bzw. jede Rezession auch eine Chance in sich birgt. Von daher fordern wir wesentlich höhere Investitionen in die Zukunft. Denn wenn wir unsere wirtschaftlichen Strukturen aufgrund der Rezession schon ändern müssen, dann sollten wir den Prozess auch dazu nutzen, um damit deren Qualität und die Qualifikation der Beschäftigten zu erhöhen. Das heißt nichts anderes als Investitionen in Innovationen, in Wissenschaft, Entwicklung und in die Ausbildung vorzunehmen. Ein weiterer Komplex sind Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur.“

Dies seien Investitionen, die allen zu Gute kommen, ergänzte Míl. Maßnahmen wie der Abwrackprämie, von der maßgeblich nur die Autoindustrie profitiere, erteilte er hingegen eine Absage.

Ein weiterer Klotz am Bein der Wirtschaft ist die tschechische Währung. Gerade in der jetzigen Krise zeige sich, so Míl, dass man es mit dem Euro einfacher hätte:

„Uns macht eine Tatsache das Leben schwer: Mit dem Beitritt zur EU hat sich die Tschechische Republik unter anderem verpflichtet, den Euro einzuführen. Wir wissen aber immer noch nicht, wann das sein soll. Eine schwankende Währung, wie sie die Tschechische Krone mit Beginn der Finanzkrise geworden ist, aber ist für Unternehmer das Schlimmste, was es gibt. Wir sind zu 80 Prozent eine auf Export ausgerichtete Wirtschaft. Wenn daher jemand glaubt, dass sich ein Unternehmer schon zu helfen weiß, ständige Kursschwankungen von plus/minus 15 bis 20 Prozent in seine Planungen einzubeziehen, dann ist er kräftig auf dem Holzweg.“

An einem Beispiel erläutert der Verbandspräsident, das sich zurzeit ein ausländischer Investor im Zweifelsfall immer für die Slowakei anstatt die Tschechische Republik entscheiden werde. Der Grund: In der Slowakei kann er alle seine Geschäfte ohne Umrechnungsrisiko in Euro abwickeln. Deshalb sei man auch noch etwas verärgert darüber, dass die Regierung von Premier Topolánek im vergangenen Jahr eine große Chance verpasst habe, der Einführung des Euro wenigstens einen Schritt näher zu kommen, monierte Hanák:

„Dass sich die Regierung Topolánek im Dezember vorigen Jahres so unentschlossen zeigte, war nicht verantwortungsvoll. Das war eine große Chance für die ODS, viele Pluspunkte bei uns zu sammeln. Tschechien hatte die Maastricht-Kriterien erfüllt, von daher war es nur logisch, dass ein Datum für die Einführung des Euro genannt würde. Und mehr wollten und wollen wir auch nicht, als ein Datum für die Einführung des Euro.“

In der Tat, Tschechien ist eines der ganz wenigen EU-Länder, in dem weder mit dem Euro gezahlt noch über seine terminliche Einführung bisher ein klares Wort gefallen ist. Deshalb erhoffen sich die tschechischen Unternehmer jetzt von der parteiunabhängigen Übergangsregierung, die am 8. Mai ihr Mandat erhalten soll, dass sie in ihrer kurzen Regierungszeit wenigstens schon erste Weichen für die Einführung des Euro stellen wird. Wie diese Weichenstellung aussehen könnte, dazu sagte abschließend Jaroslav Míl:

„Die Beamtenregierung sollte auf jeden Fall Maßnahmen treffen, die die Einführung des Euro ermöglichen. Dass heißt, sie muss einen Entwurf zum Staatshaushalt erstellen, der die Maastricht-Kriterien erfüllt. Und sie sollte einen realistischen Zeitplan erarbeiten, nach dem die Einführung des Euro zu vollziehen ist. Dieser Zeitplan sollte dann von allen politischen Parteien verabschiedet werden.“