Bioprodukte auf dem Vormarsch
Gesunde Nahrung durch einen schonenden Umgang mit der Natur. Das ist das Credo der ökologischen Landwirtschaft. Seit einigen Jahren ist sie in Tschechien im Aufbruch. Immer mehr Betriebe der Landwirtschaft lassen sich als Ökobetriebe registrieren. Die Nachfrage nach biologischen Nahrungsmitteln steigt, diese tauchen überall in den Regalen von Lebensmittelmärkten auf. Die Bevölkerung scheint also mehr auf eine gesunde Ernährung zu achten als noch vor ein paar Jahren. Doch was war früher da, die Henne oder das Ei? Steuert der Handel die Essgewohnheiten, oder diese den Handel?
Knedlo, vepřo, zelo – Schweinebraten mit Knödeln und Sauerkraut, dazu eine Maß Bier und zum Nachtisch eine Mehlspeise. Satt wird man davon allemal, und daher sind diese und andere Menüs der traditionellen tschechischen Küche nach wie vor beliebt. Genauso wie belegte Brötchen, dick bestrichen mit Butter und Mayonnaise, Milchprodukte mit einem hohen Fettgehalt, Cremetorten und alle Arten von weißem Gebäck. Schmackhafte und deftige Hausmannskost nach altbewährtem Rezept, dieser Qualitäten darf sich die tschechische Küche rühmen. Der Nährwert solcher Kost bemisst sich in Kalorien, Aufbausubstanzen wie Vitamine und Mineralstoffe sind darin rare ‚Spuren´-Elemente im wahren Wortsinn. Was heißt für die Menschen hierzulande gesunde Ernährung, und haben Bioprodukte als eine Variante davon auf dem Speisezettel einen Platz? Hören wir hierzu einige Kunden eines Lebensmittelmarkts in der mittelböhmischen Kleinstadt Lysá nad Labem:
„Gesunde Ernährung, das sind für mich die Bioprodukte, nicht wahr, aber die sind schrecklich teuer. Na, ich schaue schon immer und kaufe welche, soweit ich es mir halt leisten kann.“
„Es ist schwierig, sich bei den biologischen Lebensmitteln auszukennen. Aber natürlich sind sie gesund. Ich versuche sogar selbst in meinem Garten Bioobst zu züchten. Ich glaube, dass das eine gute Sache ist. Aber vom Preis her teuer, das muss ich auch sagen.“„Ich lebe ganz bestimmt nicht gesund. Das ist nun einmal so. Leider.“
Bioprodukte sind also durchaus bekannt und in aller Munde. Man würde sie sogar kaufen, wenn sie nur nicht so viel teurer wären als die herkömmlichen Lebensmittel – um bis zu 80 Prozent nämlich. Außerdem müsste man sich besser auskennen, was Bio eigentlich von den anderen Waren unterscheidet. Nicht alle Kunden sind sich sicher, dass sie mit Bioware tatsächlich ein Produkt im Einkaufskorb haben, das gesünder ist und daher den höheren Preis lohnt, wie zum Beispiel diese Dame:
„Ich achte schon darauf, dass ich mich gesund ernähre. Ich nehme nur ganz bestimmte Nahrungsmittel zu mir. Auch Bioprodukte gehören dazu. Zum Beispiel kaufe ich biologisches Brot. Aber es gibt unter den Leuten erhebliche Zweifel, ob das wirklich alles biologische Produkte sind, was unter dem Etikett Bio vertrieben wird, denn das lässt sich ja nicht überprüfen. In der letzten Zeit sind so viele Bioprodukte aufgetaucht, dass ich bei weitem nicht die Einzige bin, die skeptisch ist.“
Beim tschechischen Landwirtschaftsministerium ist man der Ansicht, dass solche Zweifel unbegründet seien. Mit den Bioprodukten habe es schon seine Richtigkeit, erklärt Jiří Jungr, der für die ökologische Landwirtschaft zuständig ist. Das würde die tschechische Rechtslage garantieren.
„Durch den EU-Beitritt sind die Verordnungen des EU-Ministerrats und der Kommission über die ökologische Landwirtschaft zu verbindlichen Rechtsvorschriften geworden, die wir in Tschechien umsetzen müssen. Das betrifft auch die Kennzeichnung der Bioprodukte. Somit werden in Tschechien genau dieselben Regeln angewendet, die auch für alle übrigen Ökofarmer in den Ländern der EU gelten.“
Von Etikettenschwindel könne also bei den tschechischen biologischen Lebensmitteln genauso wenig die Rede sein wie bei Importware. Der EU-Beitritt sei auch wichtig dafür gewesen, dass viele Landwirte auf eine ökologische Wirtschaftsführung umgestiegen seien, meint Jiří Jungr:
„Die tschechischen Ökofarmer können jetzt auf die Zuschüsse aus dem Europäischen Fonds für ländliche Entwicklung zurückgreifen. Dieser Fonds setzt unter anderem einen Schwerpunkt bei der Förderung der ökologischen Landwirtschaft, die ökologischen Landwirte sind bei manchen Zuschüssen begünstigt.“Profitieren würden davon besonders die Problemzweige der Landwirtschaft, wie die Wiesen- und Weidewirtschaft in höheren Lagen. Das Gründland in den Bergen macht das Gros der landwirtschaftlichen Flächen aus, die ökologisch bewirtschaftet werden. Kritiker meinen, dies sei bloß bezuschusste Landschaftspflege. Das werde sich aber in den nächsten Jahren bessern, ist Jiří Jungr zuversichtlich. Die steigende Nachfrage mache die ökologische Landwirtschaft lukrativ, immer mehr Landwirte würden auch Ackerflächen ökologisch bewirtschaften. Eine Chance sei der Umstieg auf Öko und Bio nicht zuletzt für die Weinbauern.
„Schon vor einigen Jahren sind zahlreiche Winzer auf integrierten Weinbau umgestiegen. Der Grund dafür ist, dass Tschechien kein typisches Weinland ist. Was den Weinbau betrifft, gehören wir zu den nördlichen Gebieten. Unsere Weinbauern können mit den Winzern aus den südlichen Ländern nicht konkurrieren.“
Der integrierte Weinbau ist eine Zwischenstufe zwischen konventionellem und ökologischem Weinbau. Von da führt der Weg zu den echten Bio-Weinen. Auf dem Markt in Lysá nad Labem sucht man die Bio-Weine derzeit noch vergeblich, zum Beispiel am Stand der Vinotéka Karla IV., einem Fachhändler für Weinkenner:
„Biologische Weine führen wir nicht. Ich weiß nicht, vielleicht würden wir das Sortiment erweitern, aber Bioweine sind uns noch nicht angeboten worden. Aber wir haben Weine von einem südmährischen Lieferanten im Angebot, der umweltfreundlich produziert. Das sind zwar nicht direkt Bioweine, sie tragen nicht das Etikett ‚Bio’, aber sie werden auf schonende Weise hergestellt, mit weniger chemischen Mitteln. Ich glaube, dass diese Weine in der Qualität den reinen Bioweinen sehr nahe kommen,“
erklärt Monika Brožová von der Vinothek Karls IV. Wie findet nun aber der Kunde heraus, dass er es mit umweltfreundlichem, gesundem Wein zu tun hat?
„Man erkennt das sicher an der Qualität. Der Kunde muss den Wein verkosten und mit den übrigen Weinen vergleichen. Das Verkaufspersonal in der Vinothek muss sich darauf verstehen, diese Weine entsprechend zu empfehlen und dem Kunden nahe zu bringen.“
Sie sind also im Kommen, die Bioprodukte der Ökobauern in Tschechien. Einen Fuß haben sie schon in der Tür der Händler und Konsumenten, aber einen richtig festen Platz müssen sie sich erst noch erobern.