Husák in Bonn und der Kampf gegen Hitler
Vor rund 30 Jahren war Gustáv Husák, der damalige kommunistische Staatspräsident der Tschechoslowakei, zu Gast in Bonn. Im Vorfeld des Besuchs Anfang April 1978 wurde auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Heinz Kühn in Interviews befragt. Kühn war Mitte der 30er Jahre vor Hitler in die Tschechoslowakei geflohen. Im Archiv des Tschechischen Rundfunks sind wir auf eine Aufnahme von Heinz Kühn gestoßen, in der er sowohl seine Emigrationszeit schildert, als auch sich Gedanken zum damaligen tschechoslowakisch-bundesdeutschen Verhältnis macht.
Heinz Kühn gehörte zu den Gründervätern der SPD-Herrschaft in Nordrhein-Westfalen und war zudem Pate der sozialliberalen Koalition auf Bundesebene. 1912 geboren, trat der Sohn eines Tischlers früh der sozialdemokratischen Jugendorganisation „Falken“ bei. Mitte der 30er Jahre war er gezwungen vor den Nazis zu fliehen, damals studierte Kühn Volks- und Staatswissenschaften in seiner Heimatstadt Köln. 45 Jahre später erzählte der Sozialdemokrat über die Zeit im Exil:
„Ich habe in meiner frühen Jugendzeit oft oben bei Trautenau und Schatzlar in der Gegend der Schneekoppe meine Ferien verbracht und bin dann zum ersten Mal in engere Berührung mit der Tschechoslowakei gekommen, als ich 1935 nach dort emigrierte und oben an der Grenze einige Grenzstellen leitete, von wo wir unsere Flugblätter gegen Hitler nach Deutschland hinübergeschmuggelt haben. Unsere sozialdemokratischen Freunde aus Deutschland kamen und holten die Flugblätter ab oder wir gingen mit falschen Identitätspapieren über die Grenze, um dort gegen Hitler illegale Arbeit zu leisten. Ich bin dort oft auch mit tschechischen Pässen nach Berlin und in meine rheinische Heimat gefahren. Einer der Pässe lautete auf den Namen Josef Svoboda. Und da stand als Berufsangabe Schriftsteller, obwohl ich kein Wort Tschechisch kann.“
Heinz Kühn lebte später auch ein Jahr lang im Prager Stadtteil Záběhlice. Weitere Stationen der Emigration waren Brüssel und Gent, bevor er 1945 nach Köln zurückkehrte. Erst 1959 als Politiker führten Kühns Wege erneut nach Prag, damals reiste er als Mitglied einer Delegation des deutschen Bundestages. Im Gespräch von 1978 bemerkte er, dass sich gegenüber der Reise 19 Jahre zuvor nun das Verhältnis zwischen den Deutschen auf der einen und den Tschechen und Slowaken auf der anderen Seite deutlich gewandelt hatte:
„Ich glaube, dass Vieles, was als eine schwere Hypothek in den ersten Jahren gerade auf der Beziehung der deutschen Menschen und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik lastete, Vergangenheit ist und gelöst worden ist.“
Kühn spielt damit auf den Prager Vertrag von 1973 als letztem der Ostverträge Willi Brandts an. Der Vertrag schuf die Grundlage für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Tschechoslowakei und der Bundesrepublik. Zwei Jahre später wurde er durch ein Handelsabkommen ergänzt. Heinz Kühn merkte daher 1978 in dem Interview an:
„Gerade in jüngster Zeit haben tschechoslowakische politische Besuche hier bei uns in der Bundesrepublik die Verbesserungen der Beziehungen voran entwickeln können. Darauf baut nun der Besuch des Generalsekretärs Husák als ein ganz großer Stein auf. Es ist ein großes politisches Ereignis, dass zum ersten Mal der erste Mann der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik die Bundesrepublik besucht. Und so hat der Besuch von Husák in Bonn eine geradezu historische Dimension.“