Bewährte Symbiose: Der Tschechische Rundfunk und sein Symphonieorchester
Am 18. Mai feiert der Tschechische Rundfunk sein 85. Gründungsjubiläum. Nur drei Jahre jünger ist sein Symphonieorchester, das im Laufe von über acht Jahrzehnten von Dirigenten klangvoller Namen geleitet wurde und bis heute das Land weltweit repräsentiert. Über die Tätigkeit des Orchester unterhielt sich Jitka Mládková mit seinem künstlerischen Direktor und zugleich auch Solisten, dem Klaviervirtuosen Jan Simon.
„Das Rundfunksinfonieorchester wurde im Jahr 1926 gegründet. Eigentlich kann man an dieser Stelle noch nicht von einem Orchester im wahrsten Sinne des Worten sprechen. Damals nannte man es eine ´kammersinfonische Formation´, besetzt mit vier bis sechs Leuten, die beauftragt worden sind, um die Live-Sendungen mit Musik zu begleiten bzw. zu ergänzen. Dieses System hatte Erfolg. Die Leitung des Tschechoslowakischen Rundfunks wurde etwas später beauftragt, ein regelrechtes Orchester zu bauen. Im Laufe der Zeit hat sich diese Formation vegrößert bis zum heutigen Stand. Heutzutage hat das Orchester 113 Musiker. In der Vergangenheit wurden namhafte Persönlichkeiten als Chefdirigenten oder Gastdirigenten engagiert. Aus der nicht so weit zurück liegenden Vergangenheit kennt man um Beispiel Václav Neumann oder Karel Ančerl. Seit 1985 ist der Chefdirigent Vladimír Válek. Ihm gelang es, das Orchester aus dem Haus des Tschechischen Rundfunks auf die Konzertpodien Europas und auch in Übersee zu bringen. Das Orchester war schon acht Mal in Japan auf Tournee und wird im Juni zum neunten Mal nach Japan reisen."
Sie haben Japan erwähnt. Worauf ist es zurückzuführen, dass ausgerechnet in Japan die tschechische Musik so großen Anklang findet?
„Ich kann es nicht genau sagen, woran es liegt. Bereits Mitte der 1960-er und auch in den Sechzigern haben mehrere tschechische Orchester nach Japan gereist. Die Tschechische Philharmonie wurde dort sofort sehr berühmt. Ich glaube, dass es oft an der Musik von Komponisten wie Dvořák und Smetana liegt. Im Laufe der Zeit hat sich das japanische Publikum angewöhnt, auch andere tschechische Komponisten anzuhören. Man muss sagen, dass Dvořáks Kompositionen immer die Achse der Konzertprogramme aller tschechischen Orchester, Solisten und Kammerensembles bilden. Dadurch sind einige Stücke von Dvořák fast zu Nationalhits der Japaner geworden. Das ist erstaunlich!“
Sie haben sehr bescheiden gesagt, dass diese Vorliebe oder sogar Leidenschaft für die tschechische Musik in Japan an der tschechischen Musik selbst liegt. Aber ich glaube, es liegt auch and der hohen professionellen Qualität der tschechischen Musiker. Sie sind ja auch Solist des Orchesters. Wie anspruchsvoll ist es für Ihr Orchester, ein neues Stück einzustudieren?
„Die Beschäftigung als Mitglied des Orchesters ist ein Fulltimejob. Unsere Leute kommen wie andere auch jeden Tag zur Arbeit. Und das nicht nur über die Woche, sondern sehr ofr auch über die Wochenenden. Je nachdem, wann das nächste Konzert oder die nächste Aufnahme ansteht.“
Könnte man die Zahl der Reisen ins Ausland im Laufe des Jahres beziffern?
„Ich würde sagen, es hält sich fast jedes Jahr die Waage: Rund 30 Konzerte in Tschechien und 30 Konzerte im Ausland. Wir sind bemüht, eine Tour womöglich mit mindestens drei bis fünf Konzerten zu organisieren.“
Der ganze Rundfunk und damit auch das Sinfonieorchester des Tschechischen Rundfunks, kurz SOČR, steht jetzt vor einem Jubiläum: Es ist das 85. Jubiläum der Gründung des Tschechoslowakischen Rundfunks am 18. Mai 1923. Ich nehme an, dass auch das Sinfonieorchester durch die Teilnahme an einigen Veranstaltungen in die Feierlichkeiten einbezogen wird?
„Im Rahmen des internationalen Musikfestivals „Prager Frühling“ veranstalten wir ein Konzert gezielt zum 85. Jahrestag der Gründung.“
Wenn Sie durch die böhmischen Landen reisen, in der sogenannten Provinz, wie ist das Interesse des Publikums dann in den kleineren Städten?
„Der Auftrag des Tschechischen Rundfunks ist es, öfentlichen Dienst zu leisten. Und wenn das Orchester in die sogenannten Provinzen fährt, ist das der Beitrag des Orchesters zu dem Auftrag des Tschechischen Rundfunks. Wir geben diese Konzerte sehr gerne. Das Publikum dort ist manchmal viel unmittelbarer als ein Publikum, bei dem die Zuhörer manchmal viel zu verwöhnt und zu wählerisch sind. Man hat manchmal viel mehr Freude an der Leistung auf dem Konzertpodium, wenn man sieht, dass diese Leistung ohne irgendwelche Vorbedingungen akzeptiert wird. Und die Dankbarkeit des Publikums in der ´Provinz´ dafür, dass man Kultur und Musik lebendig gemacht hat, das ist manchmal nicht zu bezahlen. Auf der anderen Seite freut es uns auch sehr, wenn wir auf einem etablierten Podium auftreten und genauso spontane Reaktionen vom Publikum ankommen. Man hat umso größere Freude, dass man in diesem Wettbewerb die Erwartungen des Publikums erfüllen konnte.“
Zu den Tourneen in den deutschsprachigen Ländern: Ich glaube, in Deutschland und Österreich sind Sie schon sehr oft gewesen. Vor relativ kurzer Zeit sind Sie ja von einer Deutschland-Tournee zurück gekehrt...
„Zunächst muss man sagen, dass der deutsche und der österreichische Markt zu den härtesten Europas zählen. Um sich dort durchsetzen zu können, muss man beweisen, was man etwas kann. Das dauert wirklich Jahre, bis man sich dort als ständiges Gastorchester etabliert hat. In der Vergangenheit sind wir in München aufgetreten, in Augsburg, Salzburg oder Linz. Aber erst in diesem Jahr ist es uns gelungen, auf Tournee zu gehen. Wir haben in Salzburg angefangen, dann haben wir die Konzertreihe in Innsbruck fortgesetzt und weitere Konzerte waren dann in Stuttgart und in der Kölner Philharmonie. Das letzte Konzert war in Luxemburg. Wir haben verschiedene Programme mit verschiedenen Solisten gespielt. Grundsätzlich war die Resonanz beim Publikum und auch bei der Fachkritik durchaus positiv. Das ist für uns eine kleine Belohnung, denn Musik ist kein Beruf, es ist eine Berufung. So etwas motiviert uns!“
Kann man auch von konkreten Musiktiteln sprechen, die beim deutschen Publikum sehr gut ankommen?
„Das deutsche Publikum erwartet grundsätzlich tschechische Musik vom tschechischen Orchester. Das ist genauso in anderen Ländern. Mit Dvořáks Sinfonien sind wir eigentlich am häufigstens unterwegs. Die Neunte - Aus der Neuen Welt - ist fast ein Schlager, ein Evergreen! Aber erstaunlich war, dass zum Beispiel in Salzburg und Stuttgart eine konkrete Anfrage war, Leoš Janáček zu spielen. Wir haben dann seine Sinfonietta gespielt und die Suite aus der Oper „Das Schlaue Füchslein“.Aber außer diesen tschechischen Komponisten haben wir noch andere Standardnummern gespielt wie ein Chopins Klavierkonzert oder Prokofievs Klavierkonzert. In Innsbruck wurde wiederum nach der Musik des deutsch-tschechisch-jüdischen Komponisten Erik Korngold gefragt."
Fühlen Sie sich als Solist bei Konzerten anders in Deutschland als in Frankreich oder Spanien?
„Der Unterschied kommt erst mit der Reaktion des Publikums nach dem Konzert. Für mich als Interpreten ist es egal, ob man in einem kleinen Dorf hinter Prag oder ob man auf der Bühne der Stuttgarter Liederhalle steht. Die besondere Verantwortung des Komponisten dem Publikum gegenüber liegt darin, dass man alles andere vergessen und in der Garderobe lassen muss."