Im Zickzack nach oben – Kirchen-Neubauten in Ostböhmen
59 Prozent der Tschechen sind Atheisten, das sagt die Statistik. Trotzdem werden hierzulande neue Kirchen gebaut. Vor zehn Jahren zum Beispiel in Pardubice, vor drei Jahren wurde eine neue Kirche in Nové Město nad Metují geweiht, im Herbst vorigen Jahres in Poděbrady und ein neues Gotteshaus ist schließlich auch im ostböhmischen Litomyšl geplant. Ähnlich wie in der Geschichte soll die Litomyšler Kirche nicht nur Treffpunkt der Gemeinde, sondern auch ein architektonisches Schmuckstück sein. Martin Karlík bereiste die kirchlichen Neubauten.
Rot, gelb, grün - die Schlange der Pkws und vor allem der Lkws setzt sich in Bewegung. Die Ampel ist auf grün, also schnell vorwärts. Kaum jemand widmet aber dem kleinen Wiesenstück Aufmerksamkeit, das neben der Straße liegt. Gerade hier aber soll eine neue Kirche entstehen. O peníze jde až v první řadě - um Geld geht es erst in erster Reihe, sagt ein tschechischer Spruch. Also fangen wir mit dieser Frage an. Die Kosten belaufen sich Schätzungen nach auf 20 Millionen Kronen, gut eine Dreiviertel Million Euro also. Wer das bezahlen soll, verrät Jana Macková aus der Herrnhuter Brüdergemeine:
„Was die Finanzierung der Kirchenbauten oder Bethäuser der Brüdergemeine angeht, da zeigt die Erfahrung aus der Geschichte, dass die Pfarrkinder den Großteil der Kosten tragen. Es gibt auch Fälle, dass eine Familie einen Kredit aufnimmt, das Geld dem Bau widmet und es dann jahrelang zurückzahlt.“
Gelder der Pfarrkinder, also der Mitglieder der Pfarrei, sind aber nicht die einzige Quelle. Dazu kommen Kredite von der Wader-Stiftung aus Deutschland. Die Kredite sind deutlich günstiger als die einer Bank, sagt Jana Macková.
„Die Brüdergemeine arbeitet mit Herrn Wader zusammen. Er ist Deutscher, Christ, und hat eine Stiftung. Die Stiftung bekommt jedes Jahr einen bestimmten Betrag. Und der Rat der Brüdergemeine muss diesen Betrag verteilen. Die Gemeine erhält den Betrag als Kredit und muss ihn zurückzahlen, aber erst nach fünf Jahren, es fallen aber keine Zinsen an, höchstens ein Inflationsausgleich.“
Ähnlich wurden auch die Bauten in Pardubice, Nové Město nad Metují oder Poděbrady finanziert. Die Herrnhuter Brüdergemeine in Litomyšl rechnet auch mit finanzieller Unterstützung des Staates, Kreises oder der Stadt.
Die Herrnhuter Brüdergemeine oder Erneuerte Brüder-Unität ist eine aus dem Pietismus und der böhmischen Reformation herkommende christliche protestantische Glaubensbewegung. Die Bewegung wurde von böhmischen Exilanten im 18. Jh. in der Oberlausitz gegründet.
Die neue Kirche wird mit wohl vor allem mit ihrem Dach Aufmerksamkeit auf sich lenken. Denn das wird einen Weg symbolisieren. Aus dem Bergabhang erheben sich vier schräge Flächen wie ein Pfad, der im Zickzack zum Gipfel führt. Auf dem Gipfel wird ein Kreuz stehen. Die Form soll an den Weg eines Menschen durch das Leben erinnern.„Als wir Architekten ansprachen, bekamen wir immer dieselbe Antwort: Geben Sie uns ein Motto, das uns inspiriert. Wir haben einen Psalm ausgewählt. Erhebe dich, Gott, über den Himmel und deine Ehre über alle Welt! Und die Studie, die uns am meisten gefiel, war die des Architekten Zdeněk Fránek“, so Macková.
Außergewöhnlich ist auch die neue Kirche in Nové Město nad Metují, Den Bau beschreibt der Prediger der Herrnhuter Brüdergemeine in Nové Město, Jan Hábl:
„Die Kirche liegt am Rande der Stadt, direkt hinter den Stadtmauern an einem Abhang zum Fluss. Und weil es dort abschüssig ist, haben wir dem Architekten aufgetragen, dass der Bau emporragen soll. Wir haben als Architekten einen Katholiken gefunden, einen besinnlichen Menschen. Und ich denke, es ist gelungen. Es ist ein untraditioneller, aber auf den ersten Blick leserlicher Bau. Und jeder soll gleich erkennen, dass es kein gewöhnliches Haus ist, sondern eine kleine Kirche.“
Modern und außergewöhnlich wirken auch die neuen Kirchen in Poděbrady und Pardubice. Das ´Bétel´ im mittelböhmischen Kurort Poděbrady hat die Herrnhuter Brüdergemeine im letzten Jahr fertig gebaut. Aus den 90er Jahren stammt die Arche in Pardubice, die in der Platenbautensiedlung Polabiny steht. Und wie ist eine solche Kirche ausgestattet? Der Prediger der Brüdergemeine in Pardubice, Samuel Jindra, lädt uns zur Besichtigung seines Gotteshauses ein.
„Außer dem Hauptsaal, dem Hauptraum, der Kapelle oder wie man das nennen könnte, sind hier drei weitere Klubzimmer. Es befindet sich hier auch ein Café, das der Öffentlichkeit dient, außerdem auch eine Buchhandlung. Und eine Besonderheit in dem Hauptsaal ist das Baptisterium - ein Taufbecken, das wie eine Fontaine aussieht. Ursprünglich haben wir noch ein kleineres Gebäude gleich nebenan geplant, es sollte der Caritas und Diakonie dienen. Wegen Geldmangel kam es aber nicht zur Ausführung“, so Jindra.Die Gläubigen besuchen die neuen Kirchen nicht nur wegen der Gottesdienste. Sie dienen nämlich auch als Treffpunkt und Kultureinrichtung, die für die breite Öffentlichkeit da sein soll, sagt Jana Macková aus der Brüdergemeine in Litomyšl:
„Wir würden die Kirche gerne für die Öffentlichkeit in Litomyšl öffnen. Ich kann mir dort Vorträge und sicher auch Konzerte vorstellen. Mal sehen, wie der Architekt die Akustik meistert.“
Die Gläubigen werden in der neuen Kirche in Litomyšl auch eine kleine Küche haben, damit sie hier Kaffe oder Tee kochen können. Denn nach den Gottesdiensten sollte der Raum auch zum Zusammentreffen der Leute dienen. Während sich die Eltern in dem Hauptsaal treffen, stehen drei Zimmer für Kinder verschiedenen Alters bereit. Das Gebäude wird eine ungewöhnliche Form haben. Wichtig ist, dass keine unübersichtlichen Ecken entstehen. Denn paradoxerweise könnte dann die Kirche vor allem die Jugend zu Sünden locken, sagt mit einem Lächeln Jana Macková:
„Wir leben mit der Stadt, also wissen wir, dass Discos in der Nähe sind. Wir wollen nicht, dass hier ein Platz entsteht, an dem sich die Jugendlichen verstecken können. Wir wollen, dass es ein offener Raum ist.“
Die neue Kirche wird aus Beton sein. Das könnte Sprayer anlocken, aber ihre Kunst ist in diesem Fall nicht erwünscht. Deswegen werden die Mauern mit einem Lack versehen, der sie gegen Graffiti schützen wird. Ein weiteres Problem ist das Dach. Wie schon gesagt, sieht es wie ein Weg aus, der im Zickzack zum Gipfel führt. Das Dach reicht bis zum Boden hinunter und ist aus Beton.
„Wir haben die Freizeitaktivitäten der Kinder gerne, aber sie müssen auf bestimmten Plätzen und ordentlich stattfinden. Die drei gebrochenen Flächen verführen dazu, dort wie in einem Skatepark zu toben. Damit sich dort keiner verletzt, haben wir den Architekten gebeten, den Bau zu sichern. Also werden dort Hürden sein, damit keiner Zutritt auf das Dach hat“, sagt Jana Macková aus der Herrnhuter Brüdergemeine in Litomyšl. Wenn die Gemeine das benötigte Geld schnell besorgt, könnte mit dem Bau schon in diesem Jahr begonnen werden.