Staat, Kirche und Kircheneigentum in der tschechischen Geschichte

Foto: Kristýna Maková

In der tschechischen Politik wird derzeit über die Rückgabe des Kircheigentums gestritten. Es handelt sich um Eigentum, das der kommunistische Staat nach der Machtübernahme 1948 konfisziert hat. Die linksgerichtete Opposition hält den Umfang für übertrieben hoch. Auch Staatspräsident Václav Klaus hat sich eingemischt: Er sagte, er wünsche eine Garantie, dass die Restitution wirklich nur das Eigentum betreffe, das nach der kommunistischen Machtergreifung von 1948 beschlagnahmt wurde. Lässt sich das aber trennen? Wie war das Verhältnis des Staates in der Habsburger Monarchie und später in der Tschechoslowakei zum Kirchenbesitz? Und wie sind die Kirchen eigentlich zu ihrem Eigentum gekommen?

Jaroslav Šebek  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Wenn in Tschechien über Kircheneigentum gesprochen wird, dann geht es in erster Linie um die katholische Kirche. Sie kommt bereits im Mittelalter zu ihren Besitzungen, wie Historiker Jaroslav Šebek von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften erläutert.

„In der allerersten Zeit entstand Kircheneigentum durch Schenkungen, die der Landesherr, der Adel und vermögende Bürger tätigten. Sie überstellten ihr Eigentum häufig an kirchliche Institutionen. Vor allem so kamen die Kirchen zu ihren Einnahmen, aber auch durch ihre wirtschaftliche Tätigkeit – das betrifft aber vorrangig die Klöster.“

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Eigentum bedeutet aber für die Kirchen zu keiner Zeit einen absoluten Freibrief im Ungang mit ihren Gütern:

„Die Kirche besaß ihr Eigentum, aber wichtig ist auch zu sagen, dass der Besitz auch nach dem kanonischen Recht zweckgebunden sein sollte. Er darf nur zur Seelsorge oder zu sozialen und karitativen Zwecken sowie zur Gesundheitsvorsorge und Bildung verwendet werden. Er darf zum Beispiel nicht Gegenstand von Börsenhandel oder Spekulation werden. Das ist die einschränkende Bedingung“, so Šebek.

Hussiten
Doch zurück ins Mittelalter: Ihre größte wirtschaftliche Kraft erreicht die katholische Kirche in den Böhmischen Ländern während der Herrschaftszeit von Karl IV., also ab der Mitte des 14. Jahrhunderts. Doch früh setzt bereits die Reformation ein. Anfang des 15. Jahrhunderts verkündet Jan Hus seine Thesen. Auch wenn seine Lehre verboten und er 1415 als Ketzer verbrannt wird, ist die Lunte gelegt. Hus´ Nachfolger, die Hussiten, finden bei den meisten böhmischen Adligen Unterstützung. Ab diesem Moment beginnen sich die Besitzrechte der katholischen Kirche zu bewegen, sagt der Historiker:

„Das Eigentum gehörte der katholischen Kirche zwar bereits seit dem Mittelalter, aber ab da ist es einem großen Wandel unterworfen. In der hussitischen Zeit verlor die Kirche einen großen Teil ihrer Besitzungen vor allem an den Hochadel. Das ist in der böhmischen Geschichte der erste Eingriff in das Kircheneigentum. Doch das Eigentum der Kirche wächst dann vor allem nach der Schlacht am Weißen Berg wieder an – also nach dem Dreißigjährigen Krieg in der Zeit der Rekatholisierung in Böhmen. Ende des 18. Jahrhunderts kommt es aber dann unter Kaiser Joseph II. zu einer weiteren Änderung in den Beziehungen des Staates zur Kirche. Der Habsburger Herrscher ließ viele Ordensklöster schließen. Das Eigentum der Klöster wurde in einen Religionsfonds überführt, aus dem vor allem Geistliche in den Pfarreien und die Entstehung neuer Pfarreien finanziert wurden.“

Joseph II.
Während der so genannten Josephinschen Reformen werden auch erstmals wieder andere Glaubensgemeinschaften zugelassen als die römisch-katholische. Vollständig entwickeln können sie sich aber erst nach der Gründung des eigenständigen Staates, der Tschechoslowakischen Republik. Vor allem die neu gegründete Böhmische Brüderkirche erwirbt Besitz an sozialen Einrichtungen. Aber die wirtschaftlichen Verhältnisse bleiben trotzdem wie schon seit der Schlacht am Weißen Berg, so Jaroslav Šebek:

„Hierzulande war die Lage - im Unterschied zu Deutschland - dadurch sehr beeinflusst, dass die römisch-katholische Kirche seit der Rekatholisierung im 17. Jahrhundert die christliche Mehrheitskirche in Böhmen und in Mähren war. Die protestantischen Kirchen bildeten immer die Minderheit und besaßen im Prinzip kein Eigentum.“

Während aber die Herrscher in Wien noch strenge Katholiken gewesen waren, definiert sich das tschechische Selbstverständnis als Nation stark über den Reformator Jan Hus. Das muss unweigerlich zu Spannungen führen:

„Gerade die Entstehung der Tschechoslowakei im Jahr 1918 wurde von einer Welle der Kritik an der katholischen Kirche begleitet. Man versuchte, ihre Macht und ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss zu schwächen. Die katholische Kirche verlor daher bei der Bodenreform im Jahr 1919 einen Teil ihrer Besitzungen. Es waren 16 Prozent des gesamten Grundeigentums. Am stärksten betroffen waren das Prager Erzbistum und die Olmützer Erzdiözese, also die größten Bistümer in den Böhmischen Ländern. Infolge der Bodenreform wurde das Eigentum zwar verstaatlicht, aber die betroffenen Kircheninstitutionen erhielten eine finanzielle Entschädigung. Die deutschsprachigen Hörer dürfte vielleicht interessieren, dass davon auch das große Kloster Vyšší Brod (Hohenfurth) an der Grenze zu Österreich betroffen war. Es verlor einen Großteil seines Bodenbesitzes, zugleich aber konnte es mit den Entschädigungsgeldern seine weiteren wirtschaftlichen Tätigkeiten ausbauen.“

Stempel des Deutschen Ordens  (Foto: Frank Bayard)
Šebek betont, dass die Kirche auch zu dieser Zeit weiter Eigner der Grundstücke ist und der Staat sie nicht ohne Entschädigung enteignen kann. Doch die Eingriffe in das Kircheneigentum gehen weiter. Ein Sonderfall sind die Besitzungen des Deutschen Ordens in Nordmähren und Schlesien. Sie werden von den Nationalsozialisten bereits im Zweiten Weltkrieg beschlagnahmt, bis zur kommunistischen Machtergreifung wird die Frage einer Entschädigung aber nicht gelöst. Historiker Šebek fährt fort:

„Nach dem Krieg hat auch die Vertreibung der deutschen Bevölkerung die Kirchenverhältnisse beeinflusst. Der Staat versuchte das Eigentum, das vor allem zum Beispiel den mehrheitlich deutschen Klöstern im Grenzgebiet gehörte, für sich zu gewinnen. Die Kirche wehrte sich. Sie sagte, das Eigentum gehöre nicht dem Staat, sondern der Kirche, obwohl es von deutschen Mönchen verwaltet worden war. Das führte zu großen Diskussionen. Am wichtigsten und bedeutendsten war aber ein Gesetz vom Juli 1947, das eine Revision der ersten Bodenreform von 1919 darstellte. Man könnte es auch als zweite Bodenreform bezeichnen. Es wurde in einer Zeit verabschiedet, als die Kommunisten bereits versuchten, ihre Macht durchzusetzen. Dieses Gesetz nahm der Kirche erneut große Teile des Eigentums ab. Aber mit einer Einschränkung: Im Gesetz wurde festgehalten, dass dies gegen eine finanzielle Entschädigung geschehen würde.“

Bis zur Machtergreifung der Kommunisten wird jedoch keine einzige Krone Entschädigung ausgezahlt. Das Eigentum gehört also praktisch weiter der katholischen Kirche. Zur wirklichen Enteignung kommt es erst ab dem 25. Februar 1948.


Foto: Stock.xchng
Historiker Jaroslav Šebek verfolgt die derzeitige Diskussion über das Restitutionsgesetz der Regierung Nečas schon aus beruflichen Gründen mit großem Interesse. Er plädiert wie manche Kritiker dafür, dass bei der Restitution die Machtergreifung der Kommunisten als Grenze beachtet wird:

„Ich denke - und das ist jetzt meine Ansicht als Fachmann -, dass im Fall auch nur irgendeines Zweifels an den Besitzansprüchen einer kirchlichen Einrichtung zum 25. Februar 1948 es nicht geraten wäre, das betreffende Eigentum zurückzugeben. Es sollte klar und transparent nachgewiesen sein, dass der kirchlichen Einrichtung zu dem genannten Datum das Eigentum auch wirklich gehört hat.“

Joel Ruml  (Foto: ČT 24)
Die Regierungskoalition hat sich mit den 17 Kirchen und Glaubensgemeinschaften darauf geeinigt, dass diese Eigentum im Wert von umgerechnet 2,9 Milliarden Euro und Entschädigungszahlungen von 2,4 Milliarden Euro erhalten. Das entsprechende Restitutionsgesetz wurde in dieser Woche im Abgeordnetenhaus allerdings nicht behandelt, auch weil Kritik in den Reihen der Regierungskoalition laut geworden ist. Mittlerweile hat der Vorsitzende des Ökumenischen Rates in Tschechien, Joel Ruml, als erster Kirchenvertreter die Frage ins Spiel gebracht, ob über den Ausgleich des Staates mit den Kirchen nicht noch einmal neu verhandelt werden müsste.

Autor: Till Janzer
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