Präsidenten und Diplomaten zu bekochen ist Nervensache

Lange Jahre haben sie bei Promis gearbeitet, zum Beispiel als Köche oder Köchinnen, Butler, Trainer, Babysitter und mit welchem Auftrag auch immer, und sind durch sie bekannt geworden. Nicht selten auch dadurch, dass sie intime, manchmal erlogene Informationen über ihre ehemaligen Arbeitgeber an Medien oder Buchverlage verkauften. Jitka Mládková stellt Ihnen eine Frau vor, die es so hätte machen können, aber nie gemacht hat.

Wenn man den Namen Irena Košiková ausspricht, wissen hierzulande nur wenige, wer das ist. Sagt man aber ihren Kosenamen „Čirina“, wissen die meisten Bescheid. Bekannt ist sie als – nun schon ehemalige – Köchin im Haushalt von Ex-Präsident Vaclav Havel und seiner Frau Dagmar. Das ist zwar schon ein paar Jahre her, doch noch heute, wenn sie über die Havels spricht, bekommt man nur Positives zu hören.

Doch schön der Reihe nach. Viele der berühmt gewordenen Menschen behaupten gerne, dass sie sich schon als Kind ihren Beruf erträumt haben. Wie war es bei Ihnen, Frau Košiková? Wollten Sie schon immer Köchin werden?

„Nein, das wollte ich nicht. Ich hatte aber eine Oma, die exzellente Köchin war. Eine Zeit lang kochte sie in einer Adelsfamilie in Budapest. Und auch meine Mutter kann hervorragend kochen und hat dies wiederum von ihrer Mutter, meiner Oma gelernt. Sie hat uns schon als Kinder langsam in der Küche beschäftigt. Sie achtete darauf, dass wir uns zunächst die Hände wuschen, gab uns zum Beispiel ein Stück Teig und wir durften damit dann etwas machen. Ich habe also zu Hause gelernt, und bis heute mag ich die Speisen sehr, die damals meine Mutter kochte. Ich habe das Glück, dass meine Eltern immer noch leben, und jedes Mal, wenn ich sie besuche, bitte ich meine Mutter, mir etwas zu kochen, was ich selbst nicht mache. Meine Familie ist ungarisch und die Speisen sind anders.“

Präsident Havel haben Sie also auch einige Speisen aus der ungarischen und slowakischen Küche serviert?

Dagmar und Václav Havel
„Ungarische Suppen, die Krautsuppe nach unserer Art und sogar die Linsensuppe standen auf der Speisekarte. Was er unheimlich gerne aß, waren die so genannten Pressburger Mohnhörnchen. Er frühstückt nämlich gerne Kaffee und Kuchen. Ein Stück Streuselkuchen, Apfelstrudel, vor allem aber Mohnhörnchen liebt er über alles. Jedes Mal, wenn ich Herrn Havel Freude machen will, auch heute noch, backe ich für ihn Pressburger Mohnhörnchen. Neben Mohn isst er auch gerne Dill. Dill, sagte er mir, hätte ich ihm ruhig auch in eine Torte geben können.“

Eine simple Frage: Wie ist es, für ein Staatsoberhaupt zu kochen, in Ihrem Fall für Václav Havel?

„Es ist eine Nervensache. Zumindest für mich war es so. Ich bin ein Mensch, der ständig an sich selbst zweifelt und alles höchst verantwortungsbewusst anpackt, gleichzeitig aber auch mit Demut. Am Anfang war ich dermaßen genervt, dass ich mir sagte: ´Wenn ich das ein halbes Jahr überstehen kann, habe ich mich selbst besiegt.´ Václav Havel ist aber so ein fantastisch netter Mensch und seine Frau Dagmar genauso. Beide haben mich unheimlich gut aufgenommen, so dass ich langsam meine Angst losgeworden bin.“

Václav Havel hat Ihnen, Frau Čirina, also freie Hand in der Küche gelassen. Eine gewisse Absprache gab es aber sicher auch.

„Ich ging anfangs immer zu ihm und fragte, was er nicht essen mag. Es waren Linsen, Kutteln und Hörnchennudeln; davon habe Havel im Knast mehr als genug gehabt, wurde mir gesagt. Ich habe es respektiert. Echt umwerfend war für mich allerdings die Erkenntnis, wie bescheiden Herr Havel war. Deutlich problematischer war meine eigene Angst, dass ich es mit einem Staatsoberhaupt zu tun hatte.“

Havels weiblicher Chefkoch war aber auch im Arbeitseinsatz, wenn ranghohe Politiker und Diplomaten zu Gast beim Präsidenten waren. Die erste offizielle Aktion war für Frau Čirina der Besuch des deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl. Erinnern Sie sich daran?

„Das war für mich Wahnsinn, echter Wahnsinn! Letzten Endes hat alles gut geklappt, aber die bedrückenden Gefühle, die man dabei hat, sind schrecklich. Meine Güte, was machst du bloß da, das ist doch pure Frechheit. So etwas schoss mir dabei durch den Kopf.“

Für Václav Havel oder in diesem Fall für Helmut Kohl zu kochen sei ihr inneres Problem. Kurzum, eine Feuerprobe:

„Die ganze Nacht konnte ich nicht schlafen. Damals habe ich noch geraucht und mein Aschenbecher war voll, weil ich mir in der Nacht 40 bis 50 Zigaretten angesteckt hatte. Immer wieder machte ich mir Vorwürfe, was ich denn dort überhaupt zu suchen habe. Die Liebenswürdigkeit des Präsidentenehepaars hat mir aber geholfen. Dabei hatte Dagmar Havlová damals selbst große Probleme mit der Presse, die sie aufs Korn nahm und am liebsten in Stückchen gerissen hätte. Ich bin letzten Endes zwei Jahre geblieben, weil beide sehr nett waren.“

Mit der Kochkunst der berühmten Köchin kann sich inzwischen jedermann vertraut machen – nämlich in einem Restaurant, das ihren Namen trägt. Nach dem zweijährigen Engagement im „präsidialen“ Haushalt hat sie 1998 gemeinsam mit dem Ehemann ein Restaurant in der Prager Neustadt eröffnet:

„Das ist ein Restaurant meines Mannes und ich helfe ihm. Wir versuchen, es Hand in Hand nach unseren Vorstellungen zu führen“, sagt Frau Čirina.

Ist immer noch etwas Poetisches dabei, ein eigenes Restaurant zu haben? Oder bedeutet es vor allem, sich dem Konkurrenzkampf zu stellen, Papierkram zu erledigen und ähnliches, kurzum lauter Sorgen ohne Freude zu haben?

„Es ist mit enorm viel Sorgen verbunden, das stimmt. Aber es bringt gleichzeitig auch riesengroße Freude mit sich. Mein Mann hat sich sehr danach gesehnt, ein Restaurant zu haben, und das war auch der Grund, warum ich die Havels verlassen habe. Wegen dieses Restaurants. Es ist schwere Arbeit, aber wenn man es seriös führt, Steuern zahlt und alles so macht, wie es sich gehört, ist es eine schöne Sache. Obwohl der Gewinn dann natürlich nicht so hoch, als wenn man Staat und Gäste beklauen würde. Mein Großvater hat immer gesagt: Ehrlich zu leben ist schwer, aber schön. Und wir halten uns daran. Es ist schön, wenn man die zufriedenen Gäste sieht. Es ist uns, glaube ich, auch gelungen, unser Lokal gut anzukurbeln. Mein Mann wollte eine tschechische Klientel haben. Er sagte, weißt du, Ausländer kommen einmal, zweimal und dann sieht man sie nie mehr wieder. Und das stimmt auch.“

Irena Košiková hat keine Kinder. Im Moment gibt es auch keinen potentiellen Nachfolger, der das Restaurant in Zukunft weiter führen könnte. Vielleicht finde sich jemand im Arbeitsteam, dem man den Kochlöffel übergeben könne, sagt die Chefin. Das sei für sie aber immer noch Zukunftsmusik und darüber zerbreche sie sich daher noch nicht den Kopf. Vorletzte Frage: Ist auch die Beziehung zu den Gästen eine Art Zutat, die zum Essen gehört?

„Ich denke schon. Am Anfang bin ich immer in den Momenten, wenn ich freie Hände in der Küche hatte, in den Esssaal ging, wo ich einen Rundgang zwischen den Tischen machte. Ich hieß die Leute willkommen, fragte danach, ob sie mit dem Essen zufrieden sind. Und so kam es, dass ich dies bis heute mache. Nur wenn ich nicht anwesend bin, übernimmt dies mein Mann. So machen wir es schon seit fast zehn Jahren, und ich kann sagen, dass rund 90 Prozent der Gäste inzwischen auch unsere Freunde sind.“