In der Küche aufgewachsen – Spitzenkoch erzählt über seinen Werdegang
Schon wieder steht ein neues Weihnachtsfest vor der Tür und in manchem Haushalt laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Neben dem gründlichen Wohnungsaufräumen und Geschenkeinkäufen wird auch das Menu für die einzelnen Weihnachtstage geplant. Dabei kommen neben den traditionellen Speisen auch ganz ausgefallene Ideen zur Geltung. Ein Rezept für ein altes böhmisches Gericht hat für Sie auch der heutige Gesprächspartner von Jitka Mladkova in der Sendereihe Heute am Mikrophon parat.
Josef Vladař, 62 Jahre, studierter Anwalt, Spitzenkoch, Manager und seit 15 Jahren Inhaber eines Restaurants und Hotels auf der Kleinseite in Prag. Als kleiner Junge wollte er entweder Matrose oder Koch werden. Wie kam es, dass er sich schließlich dem letzteren Metier verschrieben hat?
„Ich bin in der Küche aufgewachsen. Mein Vater hatte ein Restaurant und auch mein Großvater, der im Böhmerwald lebte und Tierarzt war, hatte eine Gastwirtschaft. Dort hat man damals noch großen Wert auf die Einhaltung verschiedener Traditionen und darunter auch auf die traditionelle Küche gelegt. Und das nicht nur an Weihnachten, sondern auch an Ostern und bei anderen Gelegenheiten. Mein Lebensweg führte mich letztendlich also in diese Richtung.“
Josef Vladař hat die Berufsschule für Hotelwesen absolviert und wurde als frischgebackener Koch für das damals noch im Bau befindliche Prager Interhotel Continental engagiert. Zunächst wurde er aber zu einem Praktikum ins Ausland geschickt:
„Das war im Jahr 1970 im Hotel Continental in Hannover. 1974 bis 1975 arbeitete ich dann als Chefkoch in Wiesbaden im Restaurant „Alt Prag“. Das war ein nobles Lokal und seine Besitzerin war die Baronin Du Pont. In Deutschland habe ich mehrmals gearbeitet, zweimal in Hamburg, in Konstanz und Oberstdorf, aber auch in Frankreich oder Österreich. Außerdem habe ich auch an mehreren Gastronomie-Wettbewerben teilgenommen. Zum Beispiel in Finnland oder in der Schweiz an der IGGY´S Mondiale in Basel. Dort habe ich die Goldmedaille gewonnen.“
Also, eine ganze Reihe von Auslandsstationen. Wo haben Sie die ersten wichtigen Erfahrungen gesammelt, außer in der Familie?
„Das Einmaleins des Handwerks hat man mir natürlich hierzulande beigebracht. Während meiner Lehre machte ich ein Praktikum im Bistro ´Automat Koruna´auf dem Wenzelplatz. Auch wenn dort damals Billigspeisen zubereitet wurden, war es echtes Handwerk mit Köchen der alten Schule. Von ihnen konnte ich viel lernen, verschiedene Finessen, auch wenn sie uns Jungen manche ihrer geheim gehaltenen Rezepte nicht preisgeben wollten. Ich war aber ansonsten ein aufgeweckter Bursche und habe intensiv Sport betrieben, was vielleicht auch dazu beigetragen hatte, das ich Drive und Motivation für meinen Beruf hatte. Gern habe ich bei Wettbewerben mitgemacht und anschließend kamen auch interessante Angebote.“Um für ein Praktikum ins Ausland fahren zu können, musste Vladar sein Können bei einem Wettbewerb unter Beweis stellen. Von 150 Bewerbern wurden 1969 fünf angehende Köche ausgewählt. Voraussetzung dafür waren das Abitur an der Fachschule, praktische und theoretische Kenntnisse, aber auch politische Kenntnisse und gutes Abschneiden bei Intelligenztests. Und was hat ihm das Auslandspraktikum gebracht?
„Dort habe ich begriffen, was man bei uns sagt, dass Handwerk goldenen Boden habe, aber man muss es wirklich beherrschen. Im Ausland hat uns niemand mit Handschuhen angefasst. In Hannover war ich über ein Jahr. Anfangs war es für uns in gewissem Sinne ein Schock. Der Personaldirektor des Hotels ließ uns antreten und fragte mich: ‚Sie sind Herr Vladar, was wollen Sie machen und was können Sie?’ Niemand hat uns nach dem Abiturzeugnis gefragt oder nach dem Resultat eines Inteligenztests. Ich begann dann als ´Entre Metier´, wie es auf Französisch heißt, und drei Monate später war ich schon ´Demichef´, so etwas wie ein Assistent. Das war wahrscheinlich ein Erfolg, denn einige haben auch ein bis zwei Jahre auf diese Beförderung gewartet.“
Das Metier hat ihm rundum Spaß gemacht. Aber das reichte natürlich nicht. Man musste außerdem diszipliniert sein und eine bestimmte Moral haben. Das ist etwas, was hierzulande leider etwas fehlt, sagte mir Josef Vladar. Nun, wie war es damals in Hannover? Gab es auch eine Gelegenheit für den tschechischen Koch, etwas Tschechisches auf die Speisekarte zu setzen?
„Der Personalchef kam einmal zu mir und fragte: ‚Herr Vladař, wir wollen eine Woche der tschechischen Küche veranstalten. Was schlagen Sie vor?’ Aus diesem Anlass haben wir zum Beispiel Kartoffelsuppe, Kartoffelpuffer mit Geräuchertem und andere typisch tschechische Speisen zubereitet. Im Hotel wurde aber auch für das Personal gekocht. Der Chef setzte jeweils den Namen des zuständigen Kochs auf den Plan und die Zutaten. Einmal stand dort: Leber – Vladar. Ich fragte ihn, wie ich das machen soll und bekam die Antwort, machen Sie es, wie Sie es wollen und können. Ich musste 150 Portionen zubereiten.“Nun gut, habe sich der junge Koch gedacht, mache ich es auf tschechische Art. Und das heißt?
„Auf die klassische Art: erhitztes Öl mit fein gehackten Zwiebeln, die Lebernudeln werden geröstet, dazu Champignons, und wie üblich mit Pfeffer gewürzt. Zuerst haben es Kollegen gekostet, dann haben sie den Chef geholt und seitdem war ich der einzige, der Leber oder Nieren zubereiten sollte. Sie kamen, glaube ich, immer gut an.“
Auf die Speisekarte des hannoveranischen Hotels Intercontinental haben es aber die auf tschechische Art zubereiteten Innereien nicht geschafft. Ein anderes Gericht schon:
„Das war die Bratente, so wie sie bei uns zubereitet wird. Im Hotel hat man sie auf englische Art zubereitet, medium oder rosé hieß es. Unsere Ente muss aber knusprig sein. Vorher wird sie eingelegt, mit Salz und Kümmel eingerieben. Dazu wurde als Beilage das Zweifarbenkraut serviert, auch auf tschechische Art süßsauer, und zwei Knödelsorten – Feinknödel und Semmelknödel. Dann war es die Bratente nach böhmischer Art.“Nun, in Deutschland hat sich Josef Vladař die ersten Sporen als Koch gemacht. Wie entwickelte sich seine Berufslaufbahn weiter?
„1971 kehrte ich nach Hause zurück, aber das Hotel Continental war noch nicht fertig gebaut. Das war erst 1974. Ich hatte damals einen einjährigen Sohn und bald sollte auch meine Tochter zur Welt kommen, also musste ich meine Familie ernähren. Ich bekam das Angebot, als Chefkoch im Prager Hotel Olympik zu arbeiten. Dort bin ich 14 Jahre geblieben.“
Um aber bleiben zu dürfen, noch dazu als eine so genannte Kaderreserve, musste Vladař ein Hochschuldiplom erwerben. Weil es ihn aber auch persönlich interessierte, absolvierte er im Fernstudium Jura. Nebenbei gab er selbst Unterricht am - wie es hieß - Institut für Handelserziehung für Berufsköche, die mit Fachseminaren eine höhere Qualifizierung und damit besser bezahlte Berufspositionen in der Branche erlangen konnten.
Trotz seiner hohen Position in der gastronomischen Branche hat Herr Vladař sein – wie er sagt – Handwerk nie verlassen. Die tschechische Küche hat er bei verschiedensten Gelegenheiten repräsentiert. Gerne erinnert er sich zum Beispiel an den Abend tschechoslowakischer Küche in Monte Carlo, wo er auch dem fürstlichen Ehepaar in ihrer Loge vorgestellt wurde. Die tschechische Küche war für ihn wiederholt Fachdisziplin bei Internationalen Gastronomiewettbewerben. Die Wände seines Prager Restaurants sind mit Medaillen und Diplomen buchstäblich tapeziert. Vor 15 Jahren hat er gemeinsam mit seiner Familie, zu der neben der Ehefrau zwei Töchter und ein Sohn gehören, auf der Kleinseite ein altes Wirtshaus gekauft und renoviert. Worauf basierte seine Entscheidung, ins Privatgeschäft einzusteigen?„Die Vorbilder fand ich in meiner eigenen Familie und wollte auch mal mein eigenes Restaurant und Hotel haben und das ist mir auch gelungen. Die Küche muss sozusagen die Handschrift ihres Inhabers haben. Und mein Vater sagte immer, ein gutes Restaurant erkennt man nicht nur daran, dass die Toiletten sauber sind und das Essen gut schmeckt, sondern auch daran, dass das Essen auch morgen, nach einem Monat, also immer gleich gut sein wird. Ich glaube, dass in den 15 Jahren, in denen wir auf das eigene Restaurant und kleine Hotel zurückblicken können, der Name ´U Vladaře´ zum Begriff geworden ist. Außerdem bin ich froh, dass sich unser Angebot auch unsere Landsleute und nicht nur Ausländer leisten können.“
Da das Weihnachtsfest vor der Tür steht, habe ich Josef Vladař um eine typisch böhmische Spezialität gebeten. Er hatte sofort einen Tipp parat: Karpfen schwarz.
Es sei ratsam, schon einen, noch besser zwei Tage vor dem Heiligabend mit der Zubereitung zu beginnen. Die einzelnen Karpfenportionen werden im Wasser mit Suppengrün - Möhre, Knolensellerie und Peresilienwurzel – und ein bisschen Wein pochiert. Aus dem ausgekühlten Fischfleisch die Gräte entferne man. Das wichtigste ist aber die schwarze Soße. Wie sie zubereitet wird, sagt Ihnen Meisterkoch Josef Vladar, höchstpersönlich:
„Man brät das in dünne Streifen geschnittene Wurzelgemüse, fügt Rotwein, Pflaumenmus hinzu und lässt es zusammen aufkochen. Dann kann man ein kleines bisschen Mehlschwitze mit Butter hinzufügen, um die Soße zu binden. Schließlich lässt man sie ungefähr eine halbe Stunde köcheln.“
In dieser Zeit kann man die einfache Einlage vorbereiten - aus gehackten Wallnüssen und Rosinen. Und wie geht es weiter?
„Die Soße wird abgeschmeckt mit ein bisschen Zitronensaft, geriebener Zitronenschale, einer Prise Salz und weissen Pfeffer, damit sie süßsauer und pikant schmeckt. Zum Schluss wird sie durch ein Sieb passiert und auf die Fischportionen in einer Kasserolle verteilt. Das alles wird erwärmt und mit der zuvor vorbereiteten Mischung aus Nüssen und Rosinen bestreut. Als Beilage wird dazu český knedlík´, der böhmische Semmelknödel serviert.“
Na dann, guten Appetit und frohes schmackhaftes Weihnachtsfest!