Prager deutsche Literatur: Paul Leppin, neu entdeckt
Er gilt als der „letzte Troubadour des alten Prag“, als Sänger des längst verloschenen Prag der Jahrhundertwende, zwischen lärmender Boheme und der Heimlichkeit stiller Vorstadtgassen. Mehr 60 Jahre nach dem Tod von Paul Leppin bereitet nun der Schweizer ssi-Verlag eine Gesamtausgabe der heute zumeist halb verschollenen Werke des Prager Autoren vor. Vorab erschien jetzt bereits ein Reprint von Leppins Roman „Hüter der Freude“.
Das Verworfene und Verlorene war es, das den Schriftsteller Paul Leppin (1878-1945) zeitlebens angezogen hat. Verloren und verschollen, unzugänglich in den verschiedensten Zeitschriften verstreut ist derzeit auch der größte Teil von Leppins breitem Werk – Novellen, Gedichte, Romane, Prosaskizzen und Theaterstücke. Mit der auf fünf Bände angelegten Gesamtausgabe sollen Leppins Texte nun erstmals zusammenhängend zugänglich gemacht werden – und das passend zu dem Geist der Texte, wie Mit-Verleger Markus A. Bauer verspricht:
Die Gesamtausgabe ist grafisch sehr opulent gestaltet. Leppins Schriften sind etwas wirklich sehr Spezielles und Extravagantes. Wir haben uns große Mühe gegeben, das auch grafisch umzusetzen. Wir hatten auch Zugang zu vielen alten, zeitgenössischen Fotos und Zeichnungen aus Prag und haben auch viele der ursprünglichen Illustrationen aus den Büchern und Zeitschriften verwendet.“
Glanzpunkt sind sicher die zahlreichen Bilder von Alien-Grafiker H.R. Giger – auch der Schweizer Avantgarde-Zeichner outet sich hier als Leppin-Liebhaber. Als Vorgeschmack auf den in Kürze angekündigten Auftaktband der Gesamtausgabe haben Verleger und Herausgeber bereits jetzt in Prag eine Neuauflage von Leppins Roman „Hüter der Freude“ vorgestellt – ein fein gezeichnetes, satirisch-spitzes Bild der Prager Boheme aus den letzten Jahren der Monarchie:
„1918 ist der Roman herausgekommen; seither ist er nicht mehr aufgelegt worden. Es ist auch sehr schwierig, antiquarisch an das Buch zu kommen. Wir haben deshalb eine Nachauflage als Faksimile-Reprint gemacht, weil wir auch finden, dass das Buch ein sehr schöner Einstieg in Leppins Werk ist – sehr beschwingt und humorvoll, aber trotzdem steht eine große Tiefgründigkeit dahinter“, so Mit-Herausgeber Rolf A. Schmidt.
Interessant ist der Roman nicht zuletzt auch für Liebhaber der literarischen Topographie– der Leser kann mit Leppins Helden Schritt für Schritt durch die Gassen des verloschenen Alt-Prag wandern.
„Von dem aus ist der Hüter der Freude wie kein anderes Werk von Paul Leppin ein Prager Roman“, unterstreicht der wohl beste Kenner der Prager deutschen Literatur, der Doyen der Prager Germanistik, Professor Kurt Krolop:
„Prag als unheimliche Stadt, als Stadt, in der die Kulturen gegeneinander, mit- und nebeneinander existierten – das Interesse daran hatte in den Neunziger Jahren eine Wiederauferstehung. In diesem Zusammenhang kann ich mir vorstellen, dass auch Paul Leppins Stunde geschlagen hat!“