Jahresbericht von "Reporter ohne Grenzen": Tschechien schneidet bei Medienfreiheit schlechter ab

Die heutige Ausgabe des Medienspiegels geht der Frage nach, warum Tschechien im unlängst veröffentlichten Jahresbericht der Reporter ohne Grenzen, der den Stand der Pressefreiheit in 167 Ländern festhält, im Vergleich zum Vorjahr neun Plätze eingebüßt hat.

Vergangene Woche veröffentlichte die in Paris ansässige Organisation "Reporter ohne Grenzen" ihren alljährlichen Bericht über den stand der Medien- und Pressefreiheit in der Welt. Wichtiger Bestandteil ist eine Rangliste von 167 Staaten, die den Stand der Medienfreiheit mit Hilfe eines Punktesystems dokumentiert. Die dafür notwendigen Daten wurden von Mitarbeitern und Korrespondenten der "Reporter ohne Grenzen" in den betreffenden Ländern im Zeitraum zwischen September 2006 und August 2007 gesammelt. Traditionell belegten zwei skandinavische Länder, und zwar Island und Norwegen, Rang eins. Die Schlusslichter dieser Untersuchung sind, natürlich ebenfalls traditionell, Staaten wie Kuba, Nordkorea und Eritrea.

Die Tschechische Republik hat im Vergleich zum letzten Jahr gleich neun Plätze eingebüßt und rangiert nun auf Rang 14 - ganz im Gegensatz zur Slowakei, die wiederum fünf Plätze gut machen konnte und zusammen mit dem traditionell gut platzierten Estland Platz drei belegt hat. Das diesjährige Abschneiden Tschechiens hat hierzulande eine gewisse Überraschung ausgelöst. Entspricht die Bewertung der Wirklichkeit? Das fragten wir den Journalisten Petr Holub von der Internetzeitung aktualne.cz:

"Ich habe das Gefühl, dass die gesamte Untersuchung zu global angelegt wurde und nicht alle Details berücksichtigte. Tschechien gehörte zusammen mit einigen anderen postkommunistischen Ländern, wie Estland, der Slowakei, Lettland, Litauen schon in den vergangenen beiden Jahren zu den bestplatzierten. Zusammen mit den Staaten Nordeuropas und einigen angelsächsischen Ländern, haben Tschechien, die Slowakei, Estland und andere sehr liberale Pressegesetze, Journalisten können nicht vor Gericht verklagt werden und ebenso wenig sind aus diesen Ländern Fälle bekannt, wo Pressevertreter beim Ausüben ihrer Arbeit tätlich angegriffen werden. Das ist denke ich der Hauptgrund, warum Tschechien so hoch bewertet wird. Bei der jüngsten Untersuchung haben wir schlechter abgeschnitten und zwar angeblich deshalb, weil innerhalb der Medien und Verlagshäuser Druck auf die Journalisten ausgeübt wurde, dort mit Kritik zu sparen, wo die Interessen von potentiellen Werbepartnern im Spiel sind. Ich denke, dass es wichtig ist, dass die internationalen Organisationen das bemerkt haben, weil diese Interventionen in den tschechischen Medien auf der Tagesordnung sind. Das ist aber kein tschechisches Spezifikum, sondern so etwas lässt sich auch in den übrigen postkommunistischen Ländern feststellen. Als es hierzulande nach der Wende zur Akkumulierung des Kapitals gekommen ist, hat das oft zur Entstehung von ziemlich undurchsichtigen Seilschaften geführt. So um das Jahr 2002 haben jedoch viele Journalisten resigniert alle diese Zusammenhänge aufzudecken. Es ist also logisch, dass sie dann gezwungen sind eine Art Stillhalteabkommen mit diversen Wirtschaftsunternehmen einzuhalten, die in ihren Medien werben lassen."

Wie lässt sich aber erklären, dass die Slowakei innerhalb eines Jahres so viel Boden gut gemacht hat und auf dem Verzeichnis der Reporter ohne Grenzen den dritten Rang einnimmt? Schließlich unterscheiden sich die gesellschaftlichen Strukturen in der Slowakei nicht wesentlich von jenen in Tschechien und zudem ist der dortige Medien- und Werbemarkt noch kleiner, so dass der Druck auf die Journalisten theoretisch noch größer sein müsste. Dazu sagt Petr Holub:

"Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das Ergebnis in dieser Hinsicht wirklich objektiv ist. Tatsache ist aber, dass es in Tschechien im Gegensatz zur Slowakei in den letzten Jahren einem großen Konzentrationsprozess im Medienbereich gekommen ist und einige wenige Medienkonzerne den Markt kontrollieren. Diese Medienkonzerne haben wiederum gute Verbindungen zu anderen Großunternehmen und es ist also möglich, dass der Druck auf die Redaktionen dadurch größer wurde. Ich würde nicht ausschließen, dass das der Grund für die schlechtere Platzierung Tschechiens sein könnte. In der Slowakei ist ein vergleichbarer Konzentrationsprozess, zumindest in diesem Umfang, bisher noch ausgeblieben, der Druck auf die Journalisten kann somit geringer sein. Es gibt aber auch eine andere Erklärung, nämlich, dass die politischen und wirtschaftlichen Eliten in der Slowakei heute schon so weit sind, dass sie sich erlauben können die Journalisten ganz einfach zu ignorieren - was sicherlich auch nicht positiv ist."

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Medienexperten gehen davon aus, dass der Konzentrationsprozess im Medienbereich in Tschechien auch in den kommenden Jahren weitergehen wird. Während die Lage auf dem Zeitungsmarkt als weitgehend stabilisiert gilt - abgesehen vom harten Konkurrenz- und Preiskampf bei den Boulevardzeitungen - bleibt abzuwarten, wie sich die Situation bei den elektronischen Medien entwickeln wird. Das hängt vor allem mit der Digitalisierung zusammen, die allmählich konkrete Gestalt annimmt und für Anfang nächsten Jahres mit dem Sendestart von einigen neuen Fernsehkanälen zu rechnen ist.

Auch der Journalist Petr Holub von der Internetzeitung aktualne.cz glaubt, dass sich die Position Tschechiens auf der Rangliste der Reporter ohne Grenzen in den kommenden Jahren noch mehrmals verändern kann, wie er im Folgenden erläutert:

"Es ist gut möglich, dass Tschechien in naher Zukunft noch tiefer sinken könnte, weil in letzter Zeit konnte vermehrt Fälle verzeichnet werden, bei denen bisher zwar nur verbal, aber dennoch die Medien von Seiten der Politiker attackiert wurden. Ein bisschen erinnert das sogar an die Zeit des so genannten Oppositionsvertrags, als die beiden stärksten Parteien des Landes sich das politische Geschäft unter einander aufteilten und auch die Arbeit der kritischen Medien beschneiden wollten. Sofern der heutige Premier Mirek Topolanek nicht mehr nur bei seinen verbalen Angriffen bliebe, sondern eventuell auch unbequeme Journalisten verklagen würde, dann müsste das aus der Sicht der Reporter ohne Grenzen einen weitaus größeren Absturz nach sich ziehen, als wir in diesem Jahr vernommen haben."

Regierungschef Mirek Topolanek wurde bereits erwähnt. Gerade dessen Verhältnis zu den Medien war in der letzten Zeit von einigen Aufs und Abs gekennzeichnet. Das veranlasste zum Beispiel den Kommentator von Respekt Erik Tabery vor einigen Wochen zu einem Kommentar in dem er darauf hinwies, dass bisher alle tschechischen Premierminister - beginnend mit Vaclav Klaus, über Milos Zeman, bis hin zu Mirek Topolanek in mehr oder minder schwere Konflikte mit den Medien gerieten, als wären die tschechischen Regierungschefs nach Amtsantritt geradezu von einer "Krankheit" befallen. Gibt es irgendeine Erklärung dafür? Hören Sie dazu abschließend noch einmal den Journalisten Petr Holub von der Internetzeitung Aktualne.cz:

"Den Hintergrund dieser Schwierigkeiten bilden die Erfahrungen jener Politiker, die einige Zeit in der Opposition waren und in den Medien eine Art natürlichen Verbündeten sahen, weil es eine gemeinsame Aufgabe gab der jeweiligen Regierung auf die Finger zu schauen. Wenn dann aber diese Oppositionspolitiker selber in die Regierung kommen, dann sind sie auf einmal überrascht, wie sie dann von den Journalisten attackiert werden und dass die einstige Zurückhaltung der Medien ihnen gegenüber völlig verschwindet. Das ist natürlich völlig normal und ist auch richtig, aber die Politiker finden sich damit nur schwer ab und es kann dann in Folge dessen sogar zu einem regelrechten Krieg mit den Medien kommen und somit auch zu einer Beeinträchtigung der Presse- und Medienfreiheit. Ich denke aber, dass gerade heute diese Gefahr hierzulande nicht so groß ist. Ich erwarte daher nicht, dass sich Regierungschef Topolanek, oder auch dessen Regierungsmannschaft derart aggressiv den Medien gegenüber verhalten könnte, wie es zum Beispiel der polnische Regierungschef Kaczynski tut."