Bilder sagen mehr als Worte: 2. deutsch-tschechisches Stummfilmfestival

Sprache verbindet - aber was, wenn die Sprache fehlt? Ist eine Verständigung dann ausgeschlossen? Bilder sagen da oft mehr als tausend Worte. Auch beim diesjährigen Prager "Stummfest" waren es die Schwarz-Weiß-Bilder der Stummfilme, die sowohl deutsche als auch tschechische Zuschauer in ihren Bann zogen. Am vergangenen Donnerstag, Freitag und Samstag verwandelte sich der Hof im Klub v Jeleni zum magischen Freilichtkino für Jung und Alt.

Der kleine Innenhof des Klub v Jeleni ist schwach beleuchtet, auf Holzbänken sitzen die Besucher, eingepackt in dicke Jacken, und schauen mit großen Augen auf die Leinwand. Auf dieser flimmerten an drei Abenden die unterschiedlichsten Stummfilme - ob Komödie, Dokumentarfilm oder Drama - für jeden Geschmack war etwas dabei. Den fünf Organisatoren war besonders eine Gemeinsamkeit der Filme wichtig, wie Vera Zemanova erläutert:

"Das ist einmal zum Beispiel der Handlungsort. Die Filme sind Deutsch und Tschechisch, aber Anfang des 20. Jahrhunderts war Prag eigentlich auch noch voll von Deutschen. Die deutschen und tschechischen Filmemacher und Schauspieler haben zusammengearbeitet. Es gibt also viele Gemeinsamkeiten bei den Filmen, und das ist auch ein Motiv, an das wir erinnern wollen: Prag als ehemalige Stadt des Zusammenlebens zwischen Deutschen und Tschechen."

Trotz dieser engen Zusammenarbeit haben deutsche und tschechische Stummfilme ihre jeweils besonderen Eigenheiten und unterschiedliche künstlerische Herangehensweisen.

"Der deutsche Stummfilm ist eher phantastisch und expressionistisch, tschechische Filme sind eher Sozialdramen. Sie kontrastieren das Leben der einfacheren und höheren Klassen und die Auseinandersetzung zwischen ihnen."

Zum Auftakt des Festivals am Donnerstagabend spielte die tschechische Band "Eggnoise" eine bunte Mischung aus Jazz, Swing, Funk und Rock.

"Wir wollten das Publikum etwas einstimmen. Die Musik sollte ein bisschen mit den Filmen, mit der Begleitung der Filme, mit den Themen im Einklang sein", so Vera Zemanova.

Ein besonderes Highlight des Festivals waren die ältesten Prager Filmaufnahmen vom Ende des 19. Jahrhunderts. Viel zu lachen gab es bei den Eskapaden des Hauptdarstellers in der Komödie "Schuhpalast Pinkus", während das Puppentrickdrama "Die große Liebe der kleinen Tänzerin" das Publikum mit düsteren Bildern beeindruckte. Diese beiden Filme wurden musikalisch mit Zither und elektrischer Geige von Leopold Hurt und Martin von Frantzius begleitet, die in Hamburg Komposition studieren. Für beide war es, wie Hurt hervorhebt, eine besondere Herausforderung beim "Stummfest" zu spielen.

"Es ist so eine Art Prämisse für das Festival, dass die Musiker die Filme vorher nicht sehen, was vielleicht viele Musiker gar nicht mögen. Wir haben vorhin mit der Veranstalterin gesprochen und sie sagte, sie hat teilweise Probleme, die Musiker zu bekommen, weil sie die Filme unbedingt vorher sehen wollen. Für uns war das natürlich auch eine sehr aufregende Sache, weil man sich dann zusammensetzt und sagt: Gut, jetzt improvisieren wir mal ein bisschen und stellen unser musikalisches Material zusammen! Wir wissen aber letztlich nicht, ob wir das dann bei dem jeweiligen Film überhaupt gebrauchen können. Zugleich macht dies das Festival spannend und letztlich ist der Spaß dann ebenso auf der Seite der Musiker wie auf der Seite der der Zuhörer. Es herrscht dann eine spannende Erwartungshaltung auf beiden Seiten."

Beide Musiker haben schon Erfahrung mit Stummfilmbegleitung, und Martin von Frantzius findet besonders die Mimik der Schauspieler immer wieder mitreißend.

"Ich habe schon verschiedene Sachen gesehen. Immer wieder bin ich von der Ausdruckskraft der Gesichter fasziniert, selbst wenn es Puppen sind. Die Schauspieler haben natürlich ganz anders gespielt, viel direkter und überzogener, aber dadurch auch unglaublich markant. Es gefällt mir immer besonders gut, die Gesichter zu sehen und die einzelnen Facetten, weil das heute einfach viel glatter ist als damals."

Auch Jürgen Kurz, ein bekannter Stummfilmmusiker aus Berlin, der beim "Stummfest" zum deutschen Film "Der Mädchenhirt" auf dem Piano spielte, betont, dass die alten Streifen ohne Ton ihre ganz eigene Faszination ausstrahlen. Bereits seit 25 Jahren arbeitet Kurz als Stummfilmmusiker und seine Begeisterung für dieses Medium hat nie nachgelassen.

"Das Besondere am Stummfilm ist natürlich, dass da schon etwas da ist, worauf man sich beziehen kann. Da ist Rythmus und Energie. Das Schöne am Livespielen ist dieses Spannungsverhältnis: Auf der einen Seite ist die Leinwand, da läuft der Stummfilm, und hinten ist das Publikum. Dazwischen sitzen als Mittler sozusagen die Musiker. Ich finde das sehr interessant, so zu spielen."

Von den Stummfilmen begeistert waren auch die Besucher des Festivals, die besonders die lockere Stimmung genossen.

"Ich finde es sehr schön, dass das Festival in einer lockeren Atmosphäre stattfindet. Oft ist es ja so, dass Stummfilme von Puristen oder Dogmatikern gezeigt werden, die dann sehr darauf achten, in welchem Kontext die Filme laufen und ob sie richtig projiziert werden und so weiter. Ich denke, wenn es vor so einem aufgeschlossenen Publikum läuft, ist es sehr schön, dass auch junge Leute an die Stummfilme herangeführt werden", so ein Besucher.

Auch ein weiterer Besucher ist von dem eher jungen Publikum angetan:

"Das Festival ist eine nette Erfahrung, weil es ganz anders als sonstige abläuft. Die Bands, die vorher spielen, lockern alles auf und es hat eher Konzertcharakter. Wenn man sich die Vorführungen in Deutschland anschaut, in Filmmuseen oder bei anderen Festivals, ist der Altersdurchschnitt wesentlich höher. Hier finde ich das schon sehr angenehm."

Das Publikum reagierte mitunter unerwartet auf die gezeigten Filme, wie eine weitere Besucherin anführt:

"Wie sie vielleicht bemerkt haben, lachen die Leute auch, wenn es sich um ein ernstes Thema handelt. Die Gesten und alles, was die Schauspieler machen, ist jetzt fast 100 Jahre alt und man spielte früher eben ganz anders. Alles ist sehr theatralisch. Deswegen sind nicht nur die alten Bilder aus Prag interessant, sondern auch die Schauspieler."

Das Stummfilmfestival brachte bei diesem zweiten Jahrgang sowohl Jung und Alt, als auch Tschechen und Deutsche zusammen. Für die Zukunft gibt es schon weitere Pläne: Die Organisatoren denken zum Beispiel an eine Erweiterung des Programms auf Filme aus anderen Ländern. Doch bis dahin gibt es noch ausreichend deutsche und tschechische Stummfilme, auf die sich das Publikum freuen kann. Organisatorin Kristin Vogelbein ist jedenfalls zuversichtlich:

"Stummfilme gibt es natürlich genug. Aber das Problem ist, dass man nicht jeden Stummfilm ausleihen kann, weil er nicht in solcher Qualität vorhanden ist, dass die Filminstitute ihn herausgeben können. Das heißt wahrscheinlich, irgendwann, in vielen Jahren, werden wir uns vielleicht etwas überlegen müssen. Aber so, wie es im Moment aussieht, haben wir noch ein großes Reservoir, aus dem wir schöpfen können."

www.stummfest.cz