Maimärchen – auch noch im Spätsommer
Der August birgt wieder viele spannende Gastauftritte der tschechischen Kultur in Deutschland. Wir zeigen Ihnen, wie zerstörte jüdische Denkmäler ins Sudetendeutsche Haus in München gelangen, welche künstlerische Bedeutung dem kleinen Städtchen Schönsee zukommt, und wie man noch im Spätsommer Maimärchen erlebt.
Zerstörte jüdische Denkmäler in München
„Zerstörte jüdischen Denkmäler Nordböhmens 1938-1989ˮ heißt die neue Ausstellung im Sudetendeutschen Haus in München. Am 11. August wird sie mit einer feierlichen Vernissage eröffnet. Zuzana Finger ist Heimatpflegerin der Sudetendeutschen. Ihre Aufgabe ist die kulturelle Förderung der Deutschen aus und in Böhmen. Sie hat die Ausstellung nach München geholt.„Und zwar ist die Zeit zwischen 1938-1945 wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass es um systematische und ideologisch absichtsvolle Zerstörungen der jüdischen Denkmäler geht. Das Fanal ist die Kristallnacht im November 1938. Da brannten in sehr vielen Städten, in denen die Deutschen die Mehrheit stellten, die Synagogen. Und man muss sich klarmachen, dass unter anderem auch die Sudetendeutschen ideologisch verblendet waren. Das ist ein Teil der eigenen geschichtlichen Verantwortung, der man sich stellen muss. ˮ
Unter dem Nationalsozialismus wurden 60 Synagogen und 70 Friedhöfe vernichtet. Das Projekt der Dokumentation entstand im tschechischen Úštěk ̸ Auscha. Dort leitet Tomáš Hlaváček den Verein „für die Instandsetzung von historischen Baudenkmälern ˮ. Bei der Rekonstruktion der in dieser Zeit zerstörten Denkmäler war das Team um Hlaváček auf verschiedene Quellen angewiesen.„In der Ausstellung geht es erstens um das materielle Kulturerbe – also die Friedhöfe, die Gebetshäuser, die Synagogen und auch die Ghettos als Zeugnisse der Siedlungsgeschichte. Davon stand nach 1945 noch einiges, was dann allmählich zerfiel oder mit etwas Glück auch nach 1989 noch erhalten war. Die Ausstellungsmacher unter der Leitung von Herrn Hlaváček haben auch sehr viel mit Archiven und Museen zusammengearbeitet, aber auch mit Privatarchiven, also mit Privatpersonen. Und da war Gott sei Dank noch einiges zu finden, sodass das Zerstörte zum großen Teil wieder dokumentiert werden konnte. ˮ
Mit der Zeit des Kommunismus setzte dann eine andere Art der Zerstörung ein, der langsame Verfall. Zuzana Finger:„Die Deutschen aus der Tschechoslowakei waren 1945̸ 46 zum größten Teil weg. Aber die Bindung an die Heimat hört damit nicht auf. Und es ist sehr wichtig zu sehen, was mit den anderen Landsleuten passierte: mit den jüdischen Landsleuten, mit den in der Heimat verbliebenen Landsleuten und mit den tschechischen Landsleuten.“
Die Sudetendeutschen sprechen von den „drei Böhmen ˮ: den katholischen, den protestantischen und den jüdischen. Das Gefühl der gemeinsamen Heimat steht über den Differenzen in Religion und Sprache. Die größtenteils katholischen Sudetendeutschen verfolgen deshalb heute mit großem Interesse das Schicksal der jüdischen Nordböhmen.
Neben der Zerstörung bis zur politischen Wende vor 26 Jahren erwartet den Besucher auch eine Dokumentation über die Zeit nach dem Eisernen Vorhang: Denn dann wurden viele Synagogen wieder aufgebaut und Grabsteine aufgerichtet.„Im Titel endet die Ausstellung 1989, aber es gibt eine Ausstellungstafel, auf der von den darauffolgenden Wiederaufbauarbeiten berichtet wird. Ich finde es sehr wichtig, dass da den jüdischen Gemeinden großer Respekt gezollt wird, die unter schweren Bedingungen, mit sehr wenigen Menschen und mit erst einmal sehr knappen Mitteln in der Denkmalerneuerung Unglaubliches geleistet haben. Das sucht europaweit seinesgleichen.“
Junge Kunst in Schönsee
Im oberpfälzischen Schönsee ist noch bis Ende September die Ausstellung „Forum junge Kunst Bayern-Tschechien“ zu sehen. Fast dreißig Künstler aus Bayern und Tschechien stellen hier aus. Die Deutsch-Tschechin Simona Fink organisiert die Ausstellung.„Ziel des ‚Forums junge Kunst Bayern-Tschechien‘ ist es, dem Künstler-Nachwuchs ein öffentliches Präsentationsforum zu bieten. So können sich die Künstler gegenseitig kennenlernen. Und das kunstinteressierte Publikum beiderseits der Grenze, also in Bayern und in Tschechien, wird aufmerksam auf die junge Kunstszene.“
Das Interesse von Seiten der Künstler ist groß: Aus über sechzig Einsendungen wurde knapp die Hälfte für die Ausstellung ausgewählt. Dabei ist die Beteiligung von tschechischer Seite, wie schon in den Jahren zuvor, größer. Die Ausstellung findet bereits zum zweiten Mal statt. Bewerben kann sich jeder zwischen 18 und 35 Jahren, der aus Bayern oder Tschechien kommt, dort lebt oder studiert. Und zwar mit jeweils vier Arbeiten. Simona Fink über die Auswahl der Kunstwerke:
„Über die Beteiligung an der Kunstausstellung entschied am 25. März 2015 eine fachkundige Jury aus Kunstdozenten, Galerieleitern und Künstlern aus der Oberpfalz und der Region Pilsen. Welche Werke dann konkret gezeigt werden, entscheidet der jeweilige Galerieleiter. In Schönsee hatten wir leider nicht so viel Raum. In Regensburg wird das anders aussehen. Ich gehe außerdem davon aus, dass die Künstler in Pilsen alle vier Kunstwerke präsentieren werden.“Nach der Ausstellung in Schönsee wandert das tschechisch-deutsche Projekt weiter nach Regensburg und wird dort im Dezember mit einer feierlichen Vernissage eröffnet. Im April findet dann die letzte der drei Ausstellungen in Plzeň / Pilsen statt. Und damit bis dahin auch alle Künstler die Gelegenheit zum Austausch bekommen, wird neben den Ausstellungen in Schönsee, Regensburg und Pilsen zusätzlich ein Künstlertreffen organisiert.
„Wir möchten auch die Künstler mit einbinden. Was sie sich gerne anschauen möchten, was sie befürworten. Und natürlich bekommen sie dann mehrere Gelegenheiten, sich zu treffen und sich auszutauschen. Das ist unser Ziel. Manche haben sich schon bei der Übergabe der Kunstwerke getroffen. Viele Künstler waren bei der Ausstellungseröffnung in Schönsee dabei. Und ich gehe davon aus, dass sich auch in Regensburg und in Pilsen viele Künstler nochmal vor Ort treffen und weiter kennenlernen. Wir werden außerdem am 17. Oktober ein Künstlertreffen in Pilsen organisieren.“Die Ausstellung ‚Forum junge Kunst‘ ist noch bis Ende September im Centrum Bavaria Bohemia in Schönsee zu sehen.
Maimärchen in Bonn
Bei den Bonner Stummfilmtagen wird am 12. August auch ein tschechisches Werk gezeigt: Karel Antons Frühwerk „Maimärchen“ („Pohádka máje“). Stefan Drößler ist Gründer und Leiter der Bonner Stummfilmtage.„Wir pflegen bei dem Stummfilmfestival schon über mehrere Jahre eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Filmarchiv in Prag. Die Filme, die auf dem Filmfestival Karlsbad gezeigt worden sind, laufen dann immer in einer zweiten Aufführung bei den Bonner Stummfilmtagen. Dadurch haben wir in den letzten Jahren sehr unterschiedliche Filme gehabt. Immer mit denselben Musikern, die sehr unterschiedliche, aber immer sehr adäquate Musiken für die Filme bearbeitet haben. Also haben wir dem Archiv in diesem Jahr so etwas wie eine Carte blanche gegeben. Denn in den letzten beiden Jahren gehörten die tschechischen Filme zu den Höhepunkten unseres Festivals.“
Ausgewählt wurde also „Maimärchen“. Und das Werk von Karel Anton war 1926 zugleich das Filmdebüt für den später berühmten Schauspieler Jiři Voskovec. Das Nationale Filmarchiv hat den Film restauriert.„Der Film erzählt eine Geschichte, die nicht ganz neu ist. Nämlich die übliche Geschichte von Stadt und Land, wie man sie in vielen Filmklassikern hat. Das Besondere an dem Film ist, wie er diese Geschichte erzählt. Außerdem gibt es darin sehr schöne Aufnahmen, gerade von der Natur auf dem Land, die dort vor Ort gefilmt worden sind. “
Der Regisseur der ‚Maimärchen‘, Karel Anton, ist, wenn überhaupt, für seine späteren Kriminal- und Revuefilme bekannt; oder auch für seinen letzten Film ‚Der Rächer‘, eine Edgar Wallace-Verfilmung. Dabei wurde der tschechische Stummfilm seiner Zeit in Deutschland viel gezeigt und gerne gesehen, geriet dann aber in Vergessenheit. Die ‚Maimärchen‘ werden im August zum ersten Mal überhaupt in Deutschland zu sehen sein. Deshalb handelt es sich hierbei um eine besonders glückliche Entdeckung, sagt Stefan Drößler.„Wir hatten vor zwei Jahren ‚Redividus‘. Das war ein Horrorfilm, der viel mit Schatten arbeitete. Da ging es um ein Schloss und merkwürdige Ereignisse in dem Schloss. Letztes Jahr lief eine sehr turbulente Komödie mit Anny Ondra mit unter anderem sehr verrückten visuellen Einfällen. Und in diesem Jahr ist es eine melodramatische Geschichte über Land und Stadt, also ein Liebes-Melodram. Alle drei Filme sind sehr unterschiedlich. Aber sie zeigen, dass das tschechische Stummfilmkino zu seiner Zeit technisch sehr hochwertig war und dabei sehr schöne Filme entstanden sind.“
Die erste Vorführung der restaurierten ‚Maimärchen‘ war Anfang Juli beim Filmfest im tschechischen Karlsbad zu sehen. Dazu spielte die Band Neuvěřitelno live die eigens für den restaurierten Stummfilm komponierte Begleitmusik. Die zweite Aufführung des restaurierten Films mit der Musik von Neuvěřitelno wird dann am 12. August in Bonn sein. Geplant ist ein Open-Air im Arkadenhof der Universität.„Zerstörte jüdische Denkmäler Nordböhmens“ vom 12. August bis 25. September im Sudetendeutschen Haus in München
„Forum junge Kunst Bayern-Tschechien“ bis 27.9. im Centrum Bavaria Bohemia in Schönsee
„Maimärchen“ bei den Bonner Stummfilmtagen am 12. August um 21:00 Uhr im Arkadenhof der Bonner Universität
Weitere Informationen:
www.sudetendeutsche-heimatpflege.de
www.bbkult.net
www.internationale-stummfilmtage.de