Heimatmuseum statt Seelsorge - die verwaisten Pfarren Böhmens
Die katholische Kirche in Tschechien ist dazu gezwungen, viele Pfarrgebäude zu verkaufen. Es sinkt nämlich sowohl die Zahl der Gläubigen, als auch die der Priester. Jakub Siska hat die Fakten gesammelt.
"Einige Gebäude sind schon seit kommunistischen Zeiten als Wohnungen vermietet. Die Bewohner zahlen nur eine geringe Miete, die meistens nicht einmal für die laufende Instandhaltung ausreicht. Die kirchlichen Gebäude wurden früher besonders auf dem Lande fast nicht gepflegt, und deshalb befinden sie sich jetzt in sehr schlechtem Zustand. Wir haben leider nicht das Geld, um so viele, teils sogar denkmalgeschützte, Häuser renovieren zu können und deshalb wollen wir die Gebäude abgeben. Sie gehen in die private Hände über, die neuen Eigentümer haben Mittel für die Renovierung und wir erlösen durch den Verkauf das Geld für die Instandhaltung der tatsächlich benötigten Gebäude."
Der Pilsner Diözese ist es schon gelungen, ungefähr 30 ehemalige Pfarrhäuser zu verkaufen. Der Ertrag ist jedoch wegen der schlechten Erhaltung und der abgelegener Lage der Häuser bescheiden. Die Gebäude werden durchschnittlich für eine halbe Million Kronen verkauft, das sind etwa 17.000 Euro. Ähnlich wie in der Pilsner Diözese ist es in ganz Böhmen - vor allem in Grenzregionen ist die Anzahl der Gläubigen sehr niedrig. Das Bistum in Ceske Budejovice / Budweis möchte in den nächsten Jahren ein Drittels der insgesamt 300 Pfarrobjekte abgeben. Das Bistum hat die Angebote auf seinen Webseiten veröffentlicht. Das Interesse ist ziemlich groß: Einige Gebäude wurden schon von den Gemeinden gekauft, die sie etwa zur Erweiterung der Schule oder für Einrichtung des Heimatmuseums nutzen wollen.Mit dem Sterben der dörflichen Pfarrämter hängt jedoch auch ein anderes Problem zusammen: An zahlreichen Orten gibt es für die Gläubigen keine Möglichkeit mehr, an einem Gottesdienst teilzunehmen. In der Pilsner Diözese hat man vor wenigen Jahren das Pfarrnetz umorganisiert. Von früher 320 Pfarrgemeinden sind seitdem nur noch 70 übrig - genau soviel, wie dem Bistum Priester zur Verfügung stehen.
"Die kleinen Pfarrgemeinden haben wir zu größeren zusammengeschlossen. Unsere Absicht war, diese Zentren eines Einzugsgebietes jeweils mit einem Priester zu besetzen, der dort die Gottesdienste lesen kann. Unsere Gläubigen sind jedoch meistens alte Leute, die oft nicht über ein Auto verfügen. Die öffentlichen Verkehrsmittel verkehren nicht am Sonntagmorgen, und einen speziellen Bus zu bestellen, das ist für uns zu teuer. Die Pfarrer müssen deshalb jede Woche zu ihren Schäfchen reisen - es ist keine Ausnahme, dass ein Priester jeden Sonntag an acht verschieden Orten eine Messe liest. Es wird wohl noch ein paar Jahre dauern, bis sich das ändert und die Gläubigen wieder zum Pfarrer kommen."
sagt Vikar Robert Falkenauer. In der Kirche hört man immer häufiger die Ansicht, dass die Würdenträger kein Konzept für die Wiederbelebung der Pfarrgemeinden haben. Zwar kann der Priester von einem verheirateten Diakon vertreten werden, unter den Gläubigen besteht jedoch kaum Interesse an dieser Stelle. Die größte Schwierigkeit liege in dem großen Abstand zwischen dem Priester und den Gläubigen, meint der Psychologe und Publizist Jeronym Klimes:"Wenn es einen Priester in der Pfarrgemeinde gibt, dann wird alles von ihm geleitet und die Gläubigen haben nur bei wenigen Dingen die Möglichkeit, sich zu beteiligen. Ich meine dabei natürlich nicht die theologischen Fragen, sondern den gewöhnlichen Gang und die Aktivitäten der Gemeinde. Bei war es zum Beispiel so, dass die Pfarrgemeinde aufgelöst wurde, und die Leute haben das erst sechs Tage später mitbekommen. So etwas führt zu einer großen Ernüchterung der Gläubigen und zu einem Vertrauensverlust gegenüber den kirchlichen Stellen. Oder ein anderes Beispiel: Dort, wo ich wohne, ist ein Ministrant pastoral deutlich erfolgreicher als der Pfarrer. Zu dem Ministranten kommen viele Leute zum geistlichen oder auch praktischen Gespräch, denn er ist in der Lage, das Vertrauen der Leute zu gewinnen - ganz im Gegensatz zu dem Priester. Und das gilt allgemein: Wir haben Priester, die zwar die Messen lesen, aber die Leute nicht wirklich erreichen. Wenn ein Pfarrer aber wirklich eine Persönlichkeit ist, dann kann er die Leute für viele Sachen begeistern. Sonst werden die Pfarrgemeinden eben aufgelöst, die Gebäude verkauft und es bleibt nichts mehr übrig."
Zum Schluss aber haben wir auch noch eine etwas optimistischere Nachricht. Die Probleme mit den untergehenden Pfarrgemeinden betreffen nämlich nur Böhmen, also den westlichen Landesteil Tschechiens. Die östlichen Regionen, besonders Südmähren, sind dagegen durch einen hohen Anteil von Gläubigen gekennzeichnet - bis zu 70 Prozent der Menschen bekennen sich zu einer Konfession. Die Kirchen sind dort immer gut besucht. Wenn im Pfarrhaus kein Priester lebt, dann findet die Gemeinde eine andere Nutzung für das Gebäude, sagt die Pressesprecherin des Bistums Brno / Brünn, Martina Jandlova."Wegen des Rückgangs der Geistlichen werden einige Pfarrgebäude frei, aber das ist nur ein Randproblem, das nicht dringend eine Lösung erfordert. Die Objekte dienen zum Beispiel als Wohnungen der für die Pfarrgemeinde arbeiteten Familien oder sie werden an sozial Bedürftige preiswert vermietet. Zu einem Verkauf kommt es nur in Einzelfällen. Was den baulichen Zustand der Pfarrhäuser betrifft, wurde seit der samtenen Revolution viel getan: Zahlreiche Häuser wurden von Grund auf renoviert, einschließlich Wasser- und Stromleitungen. In baufälligen Zustand gibt es bei uns nichts mehr. Einige Objekte warten natürlich noch auf ihre Erneuerung - deshalb werden verschiedene Zuschüsse gesucht und Spendensammlungen organisiert, damit die Pfarrgebäude in Zukunft auch den heutigen Bedürfnissen entsprechen."