Opferschutz: Fall "Ondra" rüttelt die Politik wach

Dzamila Stehlikova (Foto: CTK)

Die Tschechische Republik lebt schon seit einigen Jahren mit einem ungewöhnlichen Widerspruch: Während junge Straftäter und ihre Identität durch das Gesetz geschützt sind, kann die Öffentlichkeit über minderjährige Opfer von Straftaten nahezu alles erfahren - vom Namen, über den Wohnsitz bis hin zu Details über die Familie. Erst durch den Fall des misshandelten Ondra, ist wieder Bewegung in die Politik gekommen.

Justizminister Jiri Pospisil
"Wir haben uns bemüht, das Aussehen zu ändern, indem wir ihm die Haare geschnitten haben, aber die Eltern selbst haben ihn fotografieren lassen", sagt Marie Vodickova, die Vorsitzende des "Fonds für bedrohte Kinder". Es ist der etwas hilflos wirkende Versuch, die Identität eines minderjährigen Misshandlungsopfers nicht preiszugeben. Sie spricht vom achtjährigen Ondra, der von seiner eigenen Mutter gefesselt, in eine kleine Kammer gesperrt und misshandelt wurde. Nicht nur die privaten Sender, sondern auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen haben die Videoaufnahmen dieser Szenen in den Nachrichten gezeigt. Erst dieser Fall hat den Opferschutz für Minderjährige wieder auf die politische Agenda gebracht. Dzamila Stehlikova, Ministerin ohne Portefeuille, in deren Zuständigkeitsbereich auch Menschenrechte fallen, begründet den Regelungsbedarf:

Dzamila Stehlikova  (Foto: CTK)
"Das Kind leidet - wenn seine Identität nicht verheimlicht werden kann - den Rest seines Lebens an den Folgen der Medialisierung seiner Geschichte."

Die Vorsitzende des "Regierungsausschusses für die Rechte der Kinder", Eva Vanickova, macht auf den Widerspruch in der tschechischen Gesetzgebung aufmerksam.

"Das Gesetz schützt die Identität und die Privatsphäre junger Straftäter, aber nicht die des Opfers. Hier haben wir es also mit Diskriminierung des kindlichen Opfers gegenüber dem kindlichen oder jugendlichen Straftäter zu tun."

Der Fall des kleinen Ondra hat nun Bewegung in die Sache gebracht. Der Regierungsausschuss ist zusammengetreten. Anvisiert hat man eine Verschärfung der Gesetze zum Opferschutz. Darüber wird Ministerin Stehlikova mit Justizminister Jiri Pospisil in den kommenden Monaten verhandeln:

Illustrationsfoto
"Wir rechnen damit, dass derjenige, der das Gesetz nicht einhält und das Foto eines Misshandlungsopfers veröffentlicht, anhand dessen das Opfer identifiziert werden könnte, mit einer Geldstrafe von bis zu 50.000 Kronen bestraft werden kann."

Mit einem Verhandlungsergebnis wird frühesten in einem halben Jahr gerechnet. Die Situation soll aber nicht nur durch eine Verschärfung der Gesetzgebung erreicht werden, sondern auch durch eine neue Institution, das so genannte "Nationale Amt für Beschäftigung und Sozialverwaltung". Das soll die Kompetenzen beim Staat bündeln, wie Ministerin Stehlikova erläutert.

"Der Staat wird die Möglichkeit haben, methodisch die Kreise zu lenken, in deren Kompetenz zurzeit noch der Kinderschutz fällt. Der Staat wird diese Angelegenheiten zentral regeln und übernimmt damit eine größere Verantwortung."

In Erwägung gezogen wird auch die Berufung eines Kinderbeauftragten. Dessen Kompetenzen festzulegen, ist allerdings eine Frage von Jahren.