Als die Fotografie noch jung war: Museum für Fotografie in Tabor
An eine als 150 jährige Tradition erinnert das einzigartige Museum, das sich im historischen Haus "Zur Linde" in der südböhmischen Stadt Tabor befindet. Das "Sechtl und Voseceks Museum für Fotografie", wie das Museum offiziell heißt, wurde von den Nachkommen des namhaften tschechischen Fotografen Ignac Schächtl gegründet.
Das Museum für Fotografie habe ich bei einem Spaziergang durch Tabor fast zufällig entdeckt. Als ich eine Konditorei besuchen wollte, die sich in einem schön renovierten Eckhaus auf dem Platz Mikulase z Husi befindet, war ich von der Menschenmenge überrascht, die durch die Konditorei in die hinteren Räume strömte. Dort sowie in weiteren Ausstellungsräumen des Hauses fand damals gerade eine Fotoausstellung statt, die man anlässlich des 140. Jubiläums der Landwirtschaftlichen Schule in Tabor vorbereitet hatte. Die Besucher drängten sich vor den historischen Fotos der Stadt und beurteilten, in wie weit sich der abgebildete Ort oder das Haus inzwischen geändert hat. Die Fotografien haben mich damals stark beeindruckt, auch wenn ich viele der Ort nicht kannte. Da habe ich mich entschieden, über dieses einzigartige Museum für Fotografie mehr zu erfahren.
Ich besuchte in Tabor die Begründerin des Museums Frau Marie Sechtlova. Sie sagte, sie befasse sich bereits seit 1992 mit dem Gedanken, ein Museum für Fotografie zu gründen. Denn zu Hause haben sie und ihre Familie sehr viele alte Fotografien, die ihre Vorfahren gemacht hatten. Die Fotos sind auf Platten von 13 mal 18, 18 mal 24 sowie auf größeren Platten bis zu 30 mal 40 Zentimetern. Ignac Schächtl (oder auch Hynek Sechtl geschrieben) gehörte zu den Pionieren der Fotografie in Böhmen. Er war der Großvater des Mannes von Marie Sechtlova. Ignac Schächtl wurde 1840 geboren."Die Fotografie wurde 1839 in Paris offiziell als Erfindung bezeichnet. Das bedeutet, das unser Vorfahr, der neun Monate danach geboren wurde, praktisch gleichzeitig mit der Fotografie gezeugt wurde."Für die Fotografie interessierte sich Schächtl seit seiner Jugend. Im Jahre 1856 erhielt er den Gewerbeschein und hatte zuerst ein Fotoatelier in Kladno, dann war er in Prag, Pisek und in Plzen / Pilsen tätig. Seit 1876 wirkte er in Tabor.
"Seitdem fotografierte er fleißig und archivierte sämtliche Platten, sodass wir heute wirklich über zahlreiche wertvolle Platten verfügen. Ich hatte das Gefühl, das die Bürger von Tabor diese Aufnahmen gern sehen würden und dass man dafür einfach etwas tun muss."
Die Stadt Tabor hatte Frau Sechtlova zwar einige Mal ein Haus angeboten, das man zu diesem Zweck hätte nutzen können. Die Häuser waren jedoch zu teuer oder man hätte sie gründlich renovieren müssen. Die Zeit verging, bis Frau Sechtlova einmal die Konditorei auf dem so genannten Klosterplatz besuchte und sah, dass es da noch weitere Räumlichkeiten gab. Die Besitzerin der Konditorei war sehr entgegenkommend und ließ noch weitere Ausstellungsräumlichkeiten für das Museum renovieren. Und so ist das erste Taborer Museum für Fotografie entstanden.
"Das Problem besteht darin, dass wir die Bürger von Tabor nicht mit denselben Fotos langweilen können und dass wir die Ausstellungen aus dem Grund wechseln müssen. Dies ist eine große Arbeit. Alle drei bis vier Monate bereiten wir eine neue Ausstellung vor, für die wir achtzig bis hundert Fotos aussuchen. Es ist wirklich sehr kompliziert und manchmal reichen unsere Kräfte fast nicht mehr, um das Vorhaben in die Tat umzusetzen."
Dass sich Familie Sechtl über Mangel an Besuchern in ihrem Museum nicht beklagen kann, davon konnte ich mich selbst überzeugen. Es kommen nicht nur Stadtbewohner, sondern auch viele Touristen ins Museum. Die Stadt hat inzwischen den Weg zum Museum ausgeschildert. Begonnen hat Frau Sechtlova mit den ältesten Fotos, danach folgten weitere Ausstellungen. Vor Ignac Schächtl wirkte Fotograf Alexandr Seik in Tabor.
"Alexandr Seik vereinbarte mit Schächtl, als dieser nach Tabor kam, dass sie auf eine interessante Weise zusammenarbeiten werden. Jeder sollte in seinem eigenen Atelier arbeiten, aber das Geld wurde zusammengelegt und die beiden Fotografen haben es untereinander geteilt."
Seik ist später Bürgermeister geworden, Schächtl baute sein Atelier um und besaß dann beide Ateliers - das eine auf dem Klosterplatz, und das andere auf der Hauptstraße von Tabor. Mehrere der Ausstellung, die von Frau Sechtlova vorbereitet wurden, hingen mit einem bestimmten Jubiläum zusammen. So wurde auch anlässlich des 100. Jahrestags von Alexandr Seik eine Ausstellung veranstaltet. Ein rundes Jubiläum feierte vor zwei Jahren das Gebäude der so genannten "sokolovna" - also die Turnhalle des traditionellen tschechischen Sportvereins Sokol.
"Der Sokol-Verein war in Tabor auf einem hohen Niveau und hatte sehr viele Mitglieder, die damals durch die ganze Welt reisten. Zu den internationalen Sokol-Festen reisten sie beispielsweise nach Jugoslawien oder nach Polen. Von allen diesen Festivitäten und Reisen haben wir Fotos. Denn Ignac Schächtl hatte später einen Gesellschafter Jan Vosecek, und dieser war ein passioniertes Sokol-Mitglied. Er fehlte bei keinem internationalen Treffen und fotografierte und fotografierte."
An den Vorbereitungen der Ausstellungen sowie an der weiteren Arbeit für das Museum und für sein Digitalarchiv beteiligt sich nicht nur Frau Sechtlova, sondern auch ihre Tochter Marie Michaela Sechtlova, die bildende Künstlerin ist. Miteinbezogen in die Museumsarbeit sind auch die Enkelkinder von Marie Sechtlova. Über eine einzigartige Ausstellung, die dank dem Enkelsohn Jan Hubicka zustande kam und über die sogar in den USA und in Russland zu hören war, werden wir in der nächsten Ausgabe des Reiselands berichten. Das Museum für Fotografie ist von Montag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Lassen Sie sich das einzigartige Museum bei einem Tabor-Besuch nicht entgehen.Mehr über das Programm des Museums erfahren Sie unter: http://sechtl-vosecek.ucw.cz