Die verflixte Haltestelle
Es gibt in Prag eine Straßenbahnhaltestelle, die ich gar nicht mag. Nicht, dass es dort besonders zugig ist. Es führt auch keine viel befahrene Straße vorbei, die das Warten unangenehm macht. Im Gegenteil, die Haltestelle liegt mitten in der Fußgängerzone.
Ich steige dort häufig aus, aber vor allem ein. Ich warte dort immer auf die Nummer 22 oder 23, die mich nach Vrsovice bringen. Und das ist auch der Haken an der Sache: Denn ich warte eigentlich immer. Wenn ich beispielsweise vom Einkaufen aus dem nahen Supermarkt komme, sehe ich meist eine Straßenbahn um die Ecke biegen. Es ist aber nie meine. Mal ist es die Nummer 6, und wenn nicht die, dann die 18. Meist kommt danach die 21 oder die 9. In jedem Fall fahren zuerst immer all die Nummern vor, die mich nicht weiterbringen. Erst zum Schluss taucht dann die 22 oder 23 auf, die ich brauche.
Letztens kam dann aber doch innerhalb einer Minute meine Straßenbahn. Das ließ mich aufatmen, denn mir schien, dass der Bann vielleicht nun gebrochen ist. Noch auf dem Weg zur nächsten Haltestelle, Karlsplatz, merkte ich aber: Ich habe etwas vergessen einzukaufen. Ich also am Karlsplatz gleich wieder raus.Dabei kam mir immerhin der Gedanke, wie ich vielleicht wirklich den Bann brechen kann. Anstatt an der Nationalstraße länger zu warten, gehe ich das nächste Mal einfach eine Station weiter. Gesagt, getan. Doch, sie können es sich möglicherweise denken: Mitten auf dem Weg fährt natürlich die 22 an mir vorbei.
Seitdem habe ich mich mit meinem Schicksal abgefunden. Und wissen Sie, es stört mich mittlerweile auch gar nicht mehr so sehr, erst mal die Nummer 6 oder 9 vorfahren zu sehen.