Ferdinand-Peroutka-Preis 2006 für zwei Vertreter junger Journalistengeneration
Seit 1995 wird in Tschechien jedes Jahr ein Journalistenpreis verliehen, der den Namen des tschechischen Journalisten Ferdinand Peroutka trägt. Seit dem 7. Februar, an dem die traditionelle Preisverleihung stattfand, sind die Namen der Ausgezeichneten für das Jahr 2006 bekannt: Kovtun, Sidlo und Kalenska. Die zwei Letztgenannten stellt Ihnen Jitka Mladkova in vor.
Sidlo widmet sich dem Journalistenmetiers seit Anfang der 90er Jahre. Damals war er gerade einmal 20 Jahre alt. Dass der Ferdinand-Peroutka-Preis ihm und seiner Kollegin Kalenska verliehen wurde, zeige seiner Meinung nach, dass die tschechische Journalistik immer noch sehr jung sei. In einem Gespräch mit Radio Prag sagte er:
"Ich bin froh, dass es als normal gilt, dass man als junger Mensch mit der Journalistik beginnen kann. Wenn ich nicht mit Zwanzig die Chance bekommen hätte, wäre ich heute nicht bei dieser Preisverleihung. Mit 20 Jahren ging ich schon zu Pressekonferenzen des Staatspräsidenten und der Regierungsmitglieder. Für diese Erfahrung bin ich sehr dankbar. Zugleich weiß ich aber, dass meine Fähigkeiten und auch die einer Reihe meiner Altergenossen in der Branche immer noch begrenzt sind. Dies lässt jedoch mit der Zeit nach und dessen werden sich, glaube ich, auch unsere Politiker zunehmend bewusst. Sie können nicht mehr ganz so leicht mit den Worten abwinken: ´Diese Jungs mit dem Mikrophon in der Hand belästigen mich nur!´ Viele Journalisten, die heute bei den Medien arbeiten, machen den Job nämlich bereits genauso lang wie mancher Politiker. Das ist wichtig."
Sidlo ist aber auch kritisch gegenüber der tschechischen Journalistik, in der er gerade die Tradition journalistischer Kritik und Selbstreflexion vermisst. Als Hauptvoraussetzung für ihre Entwicklung hierzulande betrachtet er die Entstehung einer breit angelegten Debatte über die Niveauparameter und die ethischen Normen der Journalistik. An die Adresse der eigenen Zunft bemerkt er:
"Unsere Journalisten gehen immer noch sehr moderat miteinander um. Es sind nicht besonders viele und sie kennen sich zum Großteil persönlich, daher sind sie auch nur sehr begrenzt kritisch zueinander. Debatten über die Medien, über ihren ethischen Kodex und überhaupt über berufsbezogene Angelegenheiten werden hierzulande so gut wie gar nicht geführt. Im Unterschied zum Beispiel zu Großbritannien, wo es sehr gute Zeitungsbeilagen gibt, in denen zum Beispiel über das Verhalten der Boulevardpresse oder der so genannten seriösen Printmedien diskutiert wird. Das ist etwas, was ich in Tschechien sehr vermisse. Hier fehlt, denke ich, immer noch eine Generation, die aufgrund ihrer Lebenserfahrungen die Grundlage für eine fundierte Diskussion liefern könnte."
Jindrich Sidlo gilt, wie es in der Begründung für seine Auszeichnung mit dem prestigereichen Peroutka-Preis heißt, durch seine humanen Positionen und den auf die brennenden Probleme des Landes gerichteten Blick zu den herausragenden Publizisten.
Zu Beginn ihrer Arbeit sei sie sozusagen ins kalte Wasser geworfen worden, erinnert sich die ebenfalls mit dem Peroutka-Preis bedachte Renata Kalenska von der Tageszeitung Lidove noviny. Ihr erstes großes Interview, das sie mit dem Prager Erzbischof, Kardinal Miloslav Vlk führte, bezeichnet sie heute als ihre Berufstaufe. Den obersten Würdenträger der katholischen Kirche hatte sie nämlich nicht nach religiösen Themen befragt. Es war ein sehr persönliches Gespräch, in dem zum Beispiel auch über das Zölibat, also ein Leben ohne Sex, gesprochen wurde.Das hatte es bis dahin in der tschechischen Journalistik noch nie gegeben. Mittlerweile hat Renata Kalenska über 300 ganzseitige Zeitungsgespräche auf ihrem Konto, in denen sie sich mit Tschechiens führenden Persönlichkeiten aus Politik, Gesellschaft und Kultur ausgetauscht hat. Nicht selten auch auf eine höchst unbefangene Art und Weise, die für manchen Politiker nicht gut verdaulich war. Der sozialdemokratische Ex-Premier Jiri Paroubek zum Beispiel zeigte sich nicht bereit, das Gespräch mit Kalenska bis zum Ende zu führen. Er brach es ab und verabschiedete sich knapp, ohne der Journalistin die Hand zu reichen. Der Ferdinand-Peroutka-Preis wird allerdings an Journalisten verliehen, die - so die Ausschreibung - durch ihre Tätigkeit das Vermächtnis des namhaften Ferdinand Peroutka erfüllen. Was sagt dazu die frischgebackene Preisträgerin?
"Ich denke, es würde zu eitel klingen, wenn ich diese Frage positiv beantworten würde. Da Peroutka zu meinen Lieblingsautoren gehört, habe ich von ihm fast alles gelesen. Am liebsten aber seine Belletristik. Schade, dass er es nicht geschafft hat, noch mehr davon zu schreiben."
Der 1895 in Prag geborene Ferdinand Peroutka gilt als eine herausragende Persönlichkeit der tschechischen Journalistik. In den Jahren 1924 - 1939 arbeitete er als politischer Kommentator für die Lidove noviny und gab auch die eigene Zeitschrift Pritomnost (Gegenwart) heraus. Während des Zweiten Weltkrieges wurde er in einem KZ inhaftiert und nach dem kommunistischen Putsch 1948 emigrierte er zunächst nach England und anschließend in die USA, wo er 1978 in New York verstarb.
Als Emigrant und früherer Freund des ersten tschechoslowakischen Präsidenten T. G. Masaryk, noch dazu als jahrelanger Leiter des tschechischen Programms von Radio Freies Europa, passte er dem kommunistischen Regime nicht ins Konzept. Sein Name war jahrzehntelang ein Tabu. Am 6. Februar jährte sich sein Geburtstag zum 110. Mal.