Auf der Seite der Bürger: das Amt des tschechischen Bürgerbeauftragten
Seit gut sieben Jahren können sich tschechische Bürger, die Schwierigkeiten damit haben, bestimmte Entscheidungen von Behörden oder anderen öffentlicher Institutionen nachzuvollziehen, an das Büro des tschechischen Bürgerbeauftragten in Brünn wenden. Über die Aufgaben des Büros wie auch über den Bürgerbeauftragten Otakar Motejl erfahren Sie mehr von Robert Schuster in der heutigen Ausgabe unserer Sendereihe Schauplatz.
In vielen Ländern Europas gibt es eine Anlaufstelle für Bürger, die sich von Seiten der Behörden und anderer öffentlicher Stellen übergangen fühlen oder keine Möglichkeit haben, die Grundlage von vielen amtlichen Entscheidungen zu hinterfragen. Dabei ist der Gerichtsweg - zum Beispiel über Klagen beim Verwaltungsgericht - oft sehr mühsam und teuer. Oder er ist gar nicht erst möglich.
Häufig ist dann schnelle und unbürokratische Hilfe gefordert. In den skandinavischen Ländern wie etwa Schweden sorgt in solchen Fällen der Ombudsmann für Abhilfe; im benachbarten Österreich wiederum die Volksanwaltschaft. Seit sieben Jahren gibt es auch in Tschechien einen Bürgerbeauftragten, dessen Büro, genauso wie die aller obersten Justizorgane des Landes, im mährischen Brünn angesiedelt ist.
Zum historisch ersten tschechischen Bürgerbeauftragten wurde im Dezember 2000 der frühere Präsident des Obersten Gerichtshofs und spätere Justizminister Otakar Motejl gewählt. Seine Amtszeit wurde Ende vergangenen Jahres um weitere sechs Jahre verlängert.
Mit wie vielen Fällen hat sich das Büro des tschechischen Bürgerbeauftragten eigentlich in den vergangenen sechs Jahren befasst? Dazu Motejl:
"Es waren mehr als 30.000 Fälle, die uns erreicht haben. Von diesen 30.000 sind fünfzig bis sechzig Prozent Angelegenheiten, mit denen wir uns vom Gesetz her befassen und wo wir auch helfen können. Der Rest sind Fälle, für die wir zwar nicht zuständig sind, aber das dem Bürger gegenüber begründen müssen und ihm gleichzeitig auch vorschlagen, wie er bei der Erledigung seines Anliegens weiter vorgehen soll."
Welchen Charakter haben die Begehren der Bürger, die auf seinen Schreibtisch gelangen? Ließen sich im Verlauf der vergangenen Jahre gewisse Veränderungen feststellen? Otakar Motejl:
"Ja, da ist es zu wichtigen Veränderungen gekommen. Vor allem am Anfang, während der ersten anderthalb Jahre, hat die Großzahl der Antragsteller versucht viele Jahre oder Jahrzehnte zurückliegende Fälle zu entkriminalisieren. Das waren Fälle, bei denen häufig politische Willkür aus der Zeit vor 1989 im Spiel war. In letzter Zeit haben wir es im Gegenteil häufig mit sehr aktuellen Fällen zu tun, was sich auch am Alter der Antragsteller zeigt. Früher handelte es sich oft um ältere Menschen, die ein Schreiben an uns oft als letzte Möglichkeit für Hilfe bei der Behandlung ihres Falles sahen. Mittlerweile ist der Altersdurchschnitt bedeutend niedriger und auch die Form, in der man mit unserem Büro Verbindung aufnimmt, ist eine andere. Immer mehr Fälle erreichen uns per E-Mai und immer weniger in handschriftlich verfassten Briefen, wie es früher war."
Die Errichtung des Büros des tschechischen Bürgerbeauftragten war seinerzeit allerdings nicht unumstritten. Im Verlauf des Jahres 1999, als das entsprechende Gesetz auf dem Tisch lag, entfachte sich ein heftiger Streit zwischen den damals regierenden Sozialdemokraten und den oppositionellen rechtsliberalen Bürgerdemokraten. Während Erstere diese Gesetzesinitiative einbrachten, befürchteten die Bürgerdemokraten, dass das Amt politisch instrumentalisiert werden könnte und der Bürgerbeauftragte Entscheidungen der Justiz oder Verwaltung behindern wird.
Im Nachhinein lässt sich sagen, dass alle diese Befürchtungen unbegründet waren und die Arbeit des jetzigen Bürgerbeauftragten Otakar Motejl trotz seiner vorherigen politischen Tätigkeit mittlerweile von allen politischen Lagern anerkannt wird.
Welche Fälle, dessen Lösung sich das Büro des tschechischen Bürgerbeauftragten angenommen hat, sieht Otakar Motejl als die größten Erfolge?
"Das lässt sich so nicht definieren, meist ist in gewisser Weise jeder gelöste Fall ein Erfolg. Ich sehe es schon als Erfolg an, dass sich die Bürger mit ihren Problemen an mich wenden und dann natürlich auch, wenn es hier und da gelingt, bei der Lösung ein wenig behilflich zu sein. Ab und zu habe ich den Menschen aber auch erklären müssen, dass sich in ihrem Fall nichts mehr unternehmen lässt. Das Spektrum unserer Tätigkeiten ist sehr breit. In einigen Fällen konnten wir dabei helfen, eine Klage beim Obersten Verwaltungsgericht einzureichen. Ein anderes Mal konnte durch das Büro des Bürgerbeauftragten die Entscheidung einer konkreten Amtsstelle rückgängig gemacht werden. Weil sich einige Probleme im Verhältnis zu bestimmten Ämtern häufig wiederhol habten, konnten wir in diesen Situation unsere Erkenntnisse verallgemeinern und somit für die Zukunft bei den betroffenen Ämtern und Ministerien Änderungen veranlassen. Wir wollten auf diesem Weg eine Systemänderung erreichen und dass die sich wiederholenden Fälle von falschen Verfahrensambläufen beseitigt werden."
Der 74jährige Bürgerbeauftragte Otakar Motejl kann auf eine lange Tätigkeit in der tschechischen Justiz zurückblicken. Vor der Wende, vor allem in den 70er Jahren, gehörte er zu jenen wenigen Anwälten, die sich der Anliegen zahlreicher Kritiker des kommunistischen Regimes annahmen und sie vor Gericht vertraten. Ist also seine heutige Tätigkeit in einer gewissen Weise nicht eine Rückkehr zu den Wurzeln und zur früheren Tätigkeit als Dissidenten-Anwalt? Dazu abschließend noch einmal Otakar Motejl:
"Es stimmt, dass sich die Tätigkeit gegen Ende meiner beruflichen Karriere mit jener am Anfang sich stark deckt. Es ist also wie ein Kreis, der sich nun zu schließen beginnt. Die Grundmaterie damals wie heute ist meine Zusammenarbeit mit dem Bürger als Mandanten oder Antragsteller. Die Vorgehensweise ist ebenfalls die gleiche indem ich versuche jede Angelegenheit so zu dechiffrieren, dass ich zu ihrem Grundproblem gelange. Häufig ist man dabei eher mit psychologischen als mit juristischen Problemen konfrontiert. In dieser Hinsicht kommt die Tätigkeit des Bürgerbeauftragten der Arbeit eines Rechtsanwalts und Verteidigers sehr nahe. Der Unterschied ist, dass ich jetzt als Bürgerbeauftragte aber nicht durch die Weisung des Antraggstellers, wie eben früher bei meinen Mandanten, gebunden bin. Meine Aufgabe ist es jetzt eher, als Vermittler aufzutreten. Und es gibt auch Fälle, die bei Weitem nicht vereinzelt sind, wo ich einer staatlichen Stelle bei ihrer Entscheidung Recht geben muss."