Reflexionen aus dem weiten Norden Europas
Im November hat Jitka Mladkova rund zwei Wochen im weiten Norden Europas verbracht, wo sie sich mit der Geschichte und Gegenwart einer Minderheit vertraut machen wollte. Hier einige Reflexionen nach der Rückkehr in die tschechische Realität:
So habe ich mir das norwegische "Tor zur Arktis", wie die 300 Kilometer oberhalb des Polarkreises gelegene Stadt Tromsö genannt wird, nicht vorgestellt! Tagelang Temperaturen um plus fünf Grad Celsius. Nur dicke Eiskrusten auf den Gehwegen ließen darauf schließen, dass es in den dortigen geografischen Lagen auch manchmal schneit. Aufregender, als über einen möglichen Klimawandel zu grübeln, war allerdings, direkt vor Ort "meinem Thema" nachzugehen, nämlich dem Volk der Samen.
In Norwegen lebt mehr als die Hälfte dieser insgesamt 75.000 Ureinwohner Nordskandinaviens. Noch vor 50 Jahren an den Gesellschaftsrand verdrängt, mussten die norwegischen Samen (Sami, Sapmi) einen recht steinigen Weg in einer konfliktreichen Koexistenz mit der Majoriätsgesellschaft zurücklegen. Diese hat aber nach und nach auf Toleranz, Respekt und Unterstützung dieser Minderheit gesetzt. Die im gegenseitigen Annäherungsprozess erreichten Resultate sind durchaus beachtenswert. Jemand, der wie ich aus einem Land kommt, das sich seit Jahrzehnten mit seiner Roma-Minderheit schwer tut, kann sich in Norwegen in dieser Hinsicht beinahe wie Alice im Wunderland vorkommen.
Trotz geschichtlicher Parallelen, sei es das einstige Nomadenleben, der während des Zweiten Weltkrieges erlebte Genozid oder der Assimilierungsdruck, ist die heutige Stellung beider Minderheiten so unterschiedlich. Schulen mit Unterricht auf Samisch, samische Universität, samische Rundfunk- und Fernsehprogramme, Buchverlage, samisches Theater, samische Sprachkurse für die Öffentlichkeit, und nicht zu vergessen das 1997 gegründete Samische Parlament. So die heutige Bilanz der norwegischen Minderheit!
Um einen Vergleich mit den über 200.000 tschechischen Roma kommt man da nicht herum: Der Großteil von ihnen fristet sein Dasein ohne Arbeit, ohne Ausbildung und Quaalifikation, ausgegrenzt in Ghettos und "last but not least" gering geschätzt von der Mehrheitsgesellschaft. Nicht Integrations- sondern Isolierungskonzepte kommen gut an, wie das aus der jüngsten Zeit: Im mährischen Vsetin ließ der Bürgermeister mehrere Roma-Familien in verschiedene auch 200 Kilometer entfernte Orte aussiedeln. Sein kurz vor Kommunal- und Senatswahlen getimtes Vorgehen hat sich für ihn ausgezahlt und anderen vielleicht ein "Beispiel" gegeben.
Ja, Wählerstimmen kann man auf verschiedene, auch kontroverse Art sammeln - oder aber verlieren! Von einer Stimme, die bei den Wahlen keine Partei und kein Politiker erhalten hat, weiß ich seit meiner Rückkehr aus Norwegen! Bei einem Smalltalk über das seit sechs Monaten andauernde Tauziehen um die Regierungsbildung hierzulande sagte mir der Taxifahrer, der mich vom Flugplatz nach Hause fuhr: Er fühle sich beleidigt und gehe daher nicht zu den Wahlen. Seine Gründe haben ganz bestimmt nichts mit den Roma gemein, aber vielleicht hat die Situation dieser Minderheit in Tschechien mit der politischen Kultur insgesamt zu tun.