38 Jahre ist es her: Invasion der Warschauerpaktstaaten in der Tschechoslowakei
Wie Sie bereits den Nachrichten entnehmen konnten, jährt sich heute zum 38. Mal die Niederschlagung des Prager Frühlings durch die Warschauer-Pakt-Truppen. Erst vor wenigen Wochen ist im Nationalarchiv Prag eine bis dahin unbekannte Tonaufzeichnung gefunden, die im Gebäude des damaligen Tschechoslowakischen Rundfunks auf der Vinohradska Straße nur wenige Tage, nachdem es von Sowjetsoldaten verlassen wurde, angefertigt wurde. An diesem Sonntag sendete der Inlandsender des Tschechischen Rundfunks darüber eine Reportage - mit authentischen O-Tönen vom 3. September 1968 und u.a. auch mit einem Mann, der damals dabei war. Wir bieten Ihnen jetzt einen kleinen Ausschnitt aus diesem Programm, bearbeitet von Jitka Mladkova:
Eine Stunde und elf Minuten lang ist die erst nach 38 Jahren aufgetauchte Aufzeichnung, die den Stand des von russischen Militärs beschädigten Rundfunkgebäudes ausführlich dokumentiert. Zu dem Zeitpunkt, am 3. September also, galt das Gebäude wieder als frei von den Besatzern, doch auf diejenigen, die es nach den schweren Kämpfen der vergangenen Tage zu betreten hatten, wartete manche unangenehme Überraschung. Außer dem Prokurator Karel Pesta, der ein Protokoll zu der über elf Stunden dauernden Hausinspektion erstellen sollte, war auch der damalige Mitarbeiter des Tschechoslowakischen Rundfunks Miroslav Sach vor Ort. Der damals 27-jährige Techniker war für die Tonaufnahme zuständig:
"Keiner von uns hatte Lust hinzugehen. Ich auch nicht. Man hat nämlich gemunkelt, dass die Russen die Kellerräume vermint haben sollten. Wo wirklich Sprengstoff ist, wusste natürlich niemand."
Trotz allgemeinen Zögerns meldete sich Miroslav Sach letzten Endes freiwillig. Als erste betritt das Haus eine Pyrotechnikergruppe der Polizei, gefolgt u.a. von dem Prokurator und Herrn Sach, der das Aufnahmegerät jedes Mal einschaltet, wenn der Prokurator den aktuellen Stand im jeweiligen Raum beschreiben will.
Nachdem man im Keller keinen Sprengstoff gefunden habe, so Sach, hätten sich alle beruhigt. Dann wurden die höheren Etagen ein Zimmer nach dem anderen nach den entstandenen Schäden untersucht. Ein Schock für alle: Überall herrschte große Unordnung. Eine besondere Überraschung waren die Toiletten, wie sich Miroslav Sach erinnert:"Die Muscheln haben die Soldaten offensichtlich als Waschbecken verwendet, und das, was eigentlich in sie gehörte, lag in großer Menge auf dem Fußboden."
Die damalige renommierte Auslandsberichterstatterin des Tschechoslowakischen Rundfunks, Vera Heroldova-Stovickova, beschrieb später, in welchem Zustand sie ihre Redaktion gefunden hatte, als sie wieder zurück durfte:
"Dort waren tatsächlich alle Wände von Kugeln durchbohrt. Eine Weile haben wir uns den Kopf zerbrochen, ob die Löcher durch Schiessereien von Außen entstanden, oder ob sich die Jungs aus lauter Jux die Langeweile drinnen vertrieben haben."Die wohl größte Überraschung wartete auf die Inspektoren i den frühen Morgenstunden, als auf sie eine Gruppe von Sowjetsoldaten mit Maschinengewehren in der Hand aus einer Ecke des Rundfunkgebäudes losstürmte. Mit erhobenen Händen musste man sich an die Wand stellen. Dank einer anwesenden Frau, die in bestem Russisch den Soldaten die tschechische Mission im Haus erläutern konnte, haben sich die hochgeschlagenen Emotionen beiderseits wieder gelegt.
Wer es nicht erlebt hatte, der kann es nicht glauben, wie ernst es damals war, erinnert sich Miroslav Sach an die schlimmsten Momente seines Lebens und fügt hinzu:
"Wenn es heute jemand hört, dann wird er es auch kaum glauben. Schließlich wissen heute viele junge Menschen nicht, dass es überhaupt ein Jahr 1968 gab."