Sensationelle Unfallstatistik - Widerstand gegen neue Straßenverkehrsordnung wächst trotzdem

Vor zwei Wochen haben wir an dieser Stelle über die neue tschechische Straßenverkehrsordnung berichtet. Damals war das Gesetz noch gar nicht in Kraft, und schon hatte sich bereits Widerstand geregt - auch vonseiten mancher Politiker. Seit 1. Juli gilt sie nun, die Novelle, die unter anderem ein Strafpunktesystem gebracht hat, vergleichbar mit dem in Deutschland. Die Ergebnisse in der Unfallstatistik erscheinen geradezu sensationell. Und dennoch ist die Debatte um das Gesetz nicht leiser geworden. Ganz im Gegenteil.

23 gerettete Menschenleben in nur sechs Tagen. Vielleicht ist diese Jubelmeldung aus der Polizeistatistik nicht ausschließlich auf die neue Straßenverkehrsordnung zurückzuführen - schließlich könnten auch die Fußball-WM, das Wetter, oder einfach der Zufall ihre Hände im Spiel haben. Dass aber die positive Entwicklung auf Tschechiens Straßen mit dem strengeren Gesetz schon irgendetwas zu tun hat, das bezweifeln nicht einmal dessen schärfste Kritiker.

Ein Blick auf die Details: Vergleichen wir die Tage vom 1. Juli, dem Datum, an dem das Gesetz dieses Jahr in Kraft getreten ist, bis zum 6. Juli, dem letzten von zwei aufeinander folgenden Feiertagen, an denen viele Tschechen ins Wochenendhaus oder bereits in die Ferien fahren. In diesen sechs Tagen gab es im Vorjahr 2766 Unfälle, dieses Jahr krachte es nur 1930 Mal. Noch erfreulicher der Rückgang bei den Verkehrstoten: Voriges Jahr starben im selben Zeitraum 28 Menschen auf den Straßen, das sind fast fünf pro Tag. Dieses Jahr waren es fünf insgesamt. Jan Knezinek vom Verkehrsministerium zeigte sich in einer Diskussionssendung des Tschechischen Fernsehens hoch erfreut:

"Die Ergebnisse sind sehr gut. Ich selbst muss sagen, dass ich derart gute Nachrichten eigentlich gar nicht erwartet habe. 23 Verkehrstote weniger als im vergangenen Jahr - das ist wirklich eine hervorragende Zahl! Ich habe natürlich keine Kristallkugel und kann nicht sagen, was in einem Monat, in zwei Monaten oder in einem halben Jahr sein wird. Aber wenn der jetzige Trend sich fortsetzt, dann ist das auf jeden Fall positiv."

Diejenigen aber, die von Anfang an gegen die neue Straßenverkehrsordnung waren, lassen sich offenbar nicht so schnell umstimmen. Vor allem die oppositionelle Demokratische Bürgerpartei (ODS) stand der Einführung der strengeren Regeln und Strafen stets ablehnend gegenüber. Nachdem die ODS Anfang Juni bei den Parlamentswahlen die meisten Stimmen bekommen hatte, dachten ihre Vertreter sofort laut darüber nach, das Gesetz wieder abzuschaffen. Sogar im Koalitionsvertrag mit Christdemokraten und Grünen wollte man diesen Punkt verankern, schließlich einigte man sich auf eine einjährige Testphase, danach soll die Novelle runderneuert werden.

Noch gibt es die Regierung dieser drei Parteien nicht, im Abgeordnetenhaus verfügen sie zusammen nur über 100 der insgesamt 200 Mandate. Die ODS aber würde gerne ihren Abgeordneten Ales Rebicek auf dem Posten des Verkehrsministers sehen. Und der zeigte sich bei der sonntäglichen Fernsehdebatte von der positiven Statistik nicht besonders beeindruckt:

"Die Abgeordneten der ODS haben natürlich nicht für dieses Gesetz gestimmt. Jedenfalls glaube ich, dass es noch nicht lange genug in Kraft ist, um jetzt schon bewertet zu werden. Es ist zu früh, irgendwelche besonderen Schlüsse zu ziehen. Die bisherigen Ergebnisse sind ja recht gut, zum Beispiel was die Zahl der Verkehrstoten betrifft. Aber die Zeit bis heute ist einfach zu kurz."

Wer nun aber glaubt, die Kritik an Straßenverkehrsgesetz und Punktesystem käme lediglich aus den Reihen der Opposition, der irrt. Auch der sozialdemokratische Premierminister Jiri Paroubek glaubt mittlerweile, dass die neuen Regeln zu streng sind. Bereits Anfang vergangener Woche dachte er gar über eine vorübergehende Amnestie für Verkehrssünder nach. Jan Knezinek vom Verkehrsministerium hat für derlei Überlegungen recht wenig Verständnis:

Foto: Jana Sustova
"Das wäre wohl keine konzeptuell durchdachte Lösung. Zwei Tage, nachdem ein Gesetz in Kraft getreten ist, über solche Schritte nachzudenken, ohne dass man bereits Daten kennt, die mit der Anwendung dieses Gesetzes in Zusammenhang stehen, das halten wir wirklich für verfrüht. Abgesehen davon würde eine solche Amnestie wohl auch verfassungstechnische Probleme mit sich bringen. Denn das Geld, das die Gemeinden aus Strafmandaten einnehmen, fließt direkt in die Gemeindekassen. Eine Amnestie würde hier de facto eine Enteignung der Kommunen bedeuten."

ODS-Mann Ales Rebicek zeigt da schon mehr Entgegenkommen. Und das fällt schon auf in diesen Tagen des Tauziehens um die künftige Regierung - Tagen, an denen Bürgerdemokraten und Sozialdemokraten aneinander sonst kaum ein gutes Haar lassen:

"Dieses Gesetz besteht ja nicht nur aus dem Punktesystem. Es gibt dort Änderungen in den verschiedensten Paragraphen, darunter auch eine ganze Reihe sehr positiver Dinge: Die Kindersitz-Pflicht zum Beispiel, oder das Fahren mit Licht das ganze Jahr hindurch. Nichtsdestoweniger ist aber klar, dass einiges geändert werden muss. Es stellt sich nur die Frage, ob man das tatsächlich mit einer Verordnung regeln kann - sozusagen außerhalb des Paragraphen-Rahmens. Wenn das möglich ist, dann sollte man es tun. Wenn nicht, dann müssen wir den Weg einer Novellierung des Gesetzes gehen, also den Weg der Legislative."

Was aber erbost nun so viele Tschechen an einem Gesetz, das seine gewünschte Wirkung ja offenbar nicht verfehlt? Die neuen Regeln seien einfach zu streng, meint Robert Vasicek, der mit Gleichgesinnten bereits eine Internetseite gegen die - wie es heißt - "Schikanen" ins Leben gerufen hat. Chcetezmenu.cz heißt das Portal, zu Deutsch etwa: "Ihr wollt die Änderung!". Geht es nach Vasicek, dann sollte es etwa bei Geschwindigkeitsübertretungen 10 km/h Toleranz geben, das erlaubte Tempo sollte da und dort erhöht werden. 160 auf ausgewählten Autobahnabschnitten - ganz nach dem Vorbild Österreichs - wäre eine gute Sache, meint er. Außerdem würden Autofahrer durch die Kombination aus Geldbußen und Strafpunkten doppelt belastet. Damit, so folgert Vasicek, würde man die Fahrer lediglich dazu ermuntern, Polizisten zu bestechen.

Vereinzelt gibt es Stimmen, die sagen: Haltet euch einfach an die Regeln. Dann habt ihr kein Problem mit der Verkehrspolizei und vielleicht auch den einen oder anderen Unfall weniger. Im Getöse der hitzigen Debatte um die "freie Fahrt für freie Bürger" sind diese Stimmen aber kaum zu hören. Auf der Internetseite "Ihr wollt die Änderung!" scheinen die Gesetze der Statistik ohnehin nicht zu gelten. "Lieber um 3 km/h schneller fahren als einen Unfall verursachen", so die Schlagzeile im Forum der "Kraftfahrer gegen Schikanen".