Hektisch oder handzahm? Autofahrer in Tschechien

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Dichter Verkehr, Kopfsteinpflaster, Straßenbahnschienen und Omnibuskolonnen - zumindest in Prag ist das Autofahren keine leichte Übung. Dazu kommt, dass die tschechischen Fahrer wenigstens bei den Ausländern im Lande keinen allzu guten Ruf genießen. Wie es auf tschechischen Straßen zugeht, das hat Thomas Kirschner für die folgende Ausgabe von Forum Gesellschaft unter die Lupe genommen.

Wer etwas über den Straßenverkehr in Tschechien wissen will, der muss die fragen, die vergleichen können: Fahrer von Touristenbussen aus Deutschland und Österreich:

"Man muss vorsichtig sein! Grad heute hat uns so einer mit einem Mercedes überholt, der hat schon ein Verhalten wie in Deutschland angenommen!""Der Straßenzustand in Prag ist... - also wir müssen sehr defensiv fahren, um das Auto auch heil zu behalten!" "Es ist ziemlich hektisch, der ganze Straßenverkehr! Und wie halten sich die Tschechen an die Verkehrsregeln? "Ja, ich glaube - nicht so richtig!"

Holperige Straßen, Autos, die bei dunkelrot noch über die Kreuzung huschen, Überholvorgänge, bei denen das Gottvertrauen größer ist als der Überblick über den Gegenverkehr, Zebrastreifen, die eher als Straßendekoration verstanden werden - wenn man ein wenig herumfragt, ist es nicht schwer, auf Horrorgeschichten aus dem tschechischen Verkehrsalltag zu stoßen. Im beliebtesten Urlaubsland der Tschechen, in Kroatien, benahmen sich die Fahrer aus Böhmen und Mähren in diesem Sommer so draufgängerisch, dass sie von kroatischen Diplomaten offiziell zu mehr Besonnenheit aufgerufen wurden - ein Novum in der Verkehrsgeschichte des Landes. Ist es damit also quasi amtlich, dass die Tschechen schlechte Autofahrer sind? Ladislav Bohaty muss es wissen - er ist Ausbilder bei einer großen Prager Fahrschule.

"Tschechen sind als Fahrer an sich nicht so schlecht, das Ergebnis wird aber natürlich vom Zustand der überalterten Fahrzeuge beeinflusst. Und wenn es mit denen ein Problem gibt, dann gerät man unnötig in Eile, und das ist auch ein Grund für Geschwindigkeitsübertretungen und gefährliches Überholen - und so entstehen dann die hohen Unfallzahlen."

1215 Menschen starben im vergangenen Jahr in der Tschechischen Republik bei Verkehrsunfällen, das sind statistisch gerechnet 11,81 Verkehrstote auf 100.000 Einwohner. Keine Zahl, mit der tschechische Verkehrssicherheitsexperten international renommieren können, wie ein Blick über die Grenze belegt: Mit 7,9 Unfalltoten je 100.000 Einwohner in Österreich und 7,1 in Deutschland war der Verkehr in den westlichen Nachbarländern im Jahr 2004 deutlich sicherer als in Tschechien. Ladislav Bohaty:

"Die Unfallziffern sind in den westlichen Ländern sicher auch davon beeinflusst, dass die Menschen mit guten Autos auf guten Straßen fahren. So spulen sich die Kilometer natürlich viel einfach herunter als in einem alten Auto auf kleinen Kreisstraßen."

In der Tat spielt die Struktur des tschechischen Straßennetzes eine große Rolle in der Unfallstatistik: Es gibt nur wenige Autobahnen und kreuzungsfreie Schnellstraßen in Tschechien. Gerade in ländlichen Gebieten spielt sich ein Großteil des Verkehrs auf engen und kurvigen Landstraßen ab, die zwar pittoresk, aber auch gefährlich sind. Ein Übriges tut dazu der überalterte Fahrzeugbestand in Tschechien. Durchschnittlich 13,5 Jahre hat ein Personenwagen hierzulande bereits auf dem Blechbuckel. An buchstäblich jeder Ecke sind auch noch die Heckmotor-Skoda vom Typ 105 bis 130 anzutreffen, Einheitsprodukte aus dem spätsozialistischen Automobilbau des Landes, heute meist nur noch notdürftig zusammengehalten. Mehr als eine halbe Million sind davon noch auf tschechischen Straßen unterwegs, sie sind durchschnittlich gar mehr als 20 Jahre alt. Zum Vergleich: In Deutschland liegt das Durchschnittsalter eines Autos bei etwa 7,6 Jahren.

Die Technik ist allerdings nur ein Aspekt, wenn es um die Sicherheit des Straßenverkehrs geht. Wichtiger noch ist der Faktor Mensch. Das unterstreicht die Verkehrspsychologin Vlasta Rehnova vom Tschechischen Zentrum für Verkehrsforschung:

"Das größere Problem liegt darin, was sich die Fahrer gegen die Verkehrsordnung herausnehmen - und wie der Gesetzgeber mit solchen Fahrern umgeht, die zwar das Lenkrad halten können, aber nicht wissen, wie man sich auf der Straße benimmt."

Um unverbesserlichen Verkehrssündern beizukommen, soll nun auch in Tschechien bald ein Strafpunkte-System eingeführt werden, wie es etwa in Deutschland schon seit Jahrzehnten erfolgreich funktioniert. Die Verkehrspsychologin Rehnova legt aber Wert darauf, dass Strafandrohung und verstärkte Sanktionen nur eine Maßnahme aus einem ganzen Bündel sein können, wenn es um die Verbesserung der Verkehrssicherheit geht. Die Angst vor Strafe mache niemanden zu einem besseren Autofahrer, so die Verkehrspsychologin:

"Es geht vielmehr darum, eine gewisse Kultur, ein Bewusstsein herauszubilden: Achtung gegenüber dem Leben, Achtung gegenüber anderen Menschen, miteinander kooperieren, auch im Straßenverkehr. Vielleicht wurde die Erziehung der Autofahrer hier in Tschechien in diesem Sinne etwas vernachlässigt - da haben wir noch eine große Schuld abzutragen."

Einen Einfluss auf das Verkehrsverhalten haben aber auch die rasanten Veränderungen nach der Samtenen Revolution und dem Fall des Kommunismus, meint Rehnova. Autofahren sei heute in Tschechien in einigen Hinsichten ganz anders als vor zwanzig Jahren:

"Vor der Revolution war ein Auto sehr wertvoll - nicht mal so sehr mit Blick auf den Preis, sondern mit Blick auf die Schwierigkeit, überhaupt eines zu bekommen. Wenn die Fahrer früher schon auf sich selbst nicht Acht gegeben haben, dann zumindest auf das Auto. Heute kann man sein Auto zu Schrott fahren und sich in der nächsten Stunde ein neues leasen. Die zweite Sache ist, dass die Autos heute viel schneller, besser und sicher sind. Der Fahrer fühlt sich zwischen seinen vielen Airbags dann so gut aufgehoben, dass er sorglos wird und vergisst, dass es Unfälle gibt, bei dem ihm auch ein Airbag nichts mehr hilft."

Foto: Archiv Radio Prag
Das ist in Tschechien so, aber wohl auch überall sonst. Sollten die Tschechen also am Ende doch ganz normale Autofahrer sein, im Guten wie im Schlechten? Was ist dann mit den Horrorgeschichten, und was mit den schlechten Erfahrungen der Busfahrer aus Deutschland und Österreich? Zumindest hier haben wir am Anfang ein wenig getrickst - es geht auch anders. Also nochmal: Wie sind die Tschechen als Autofahrer?

"Immer besser, immer disziplinierter, und die Polizei ist auch überall präsent." "Es gibt kein Hupen in Prag. Die ganzen zwei oder drei Tage, die ich jetzt hier bin, habe ich noch nicht einmal erlebt, dass mich jemand anhupt!" "Also ich kann mich eigentlich nicht beklagen. Die Autofahrer in Prag sind eigentlich handzahm - es gibt schlimmere Länder!"

Zusammenfassend auf den Punkt gebracht:

"Naja, es ist teilweise ganz verschieden."