Politologe Dolezal: die Entscheidung ist noch nicht gefallen

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Reaktionen auf die ersten Prognosen haben wir nicht nur in den Wahlkampfzentralen der Parteien und bei den Wählern eingefangen. Thomas Kirschner hat den Politologen Bohumil Dolezal von der Prager Karlsuniversität um eine erste Einschätzung gebeten.

Vorsitzender der ODS Mirek Topolanek  (Foto: CTK)
Für Erstaunen hat bei Beobachtern der Wahl vor allem das hohe Ergebnis der ODS gesorgt, die in den ersten Prognosen bei 38 Prozent liegt. Damit hatte auch der renommierte tschechische Politologe Bohumil Dolezal nicht gerechnet:

"Für mich ist im Grunde überraschend der überzeugende Sieg der ODS. Das hatte ich nicht erwartet. Wenn sich das bestätigt, dann ist das ein großer Erfolg für die ODS - ein so hohes Wahlergebnis hat noch keine Partei in der Geschichte der Tschechischen Republik erreicht, nur das Bürgerforum - also noch in der Zeit der Föderation - hatte in den ersten freien Wahlen im Jahre 1990 mehr."

Der Erfolg der ODS scheint indessen nicht zu Lasten der Sozialdemokraten zu gehen. Mit 30 Prozent der Stimmen liegt die Partei von Regierungschef Paroubek in den ersten Prognosen zwar klar nur an zweiter Stelle, verbucht jedoch ein besseres Ergebnis als Vorwahl-Umfragen:

Vorsitzender der CSSD Jiri Paroubek  (Foto: CTK)
"Ich glaube die Sozialdemokraten haben ihren Erfolg auf Kosten der Kommunisten erreicht - das ist klar zu sehen. Die Kommunisten hatten noch 2002 in den letzten Wahlen 18,5 Prozent, jetzt sind es nur 12 Prozent. Es steht außer Frage, dass es Parteichef Paroubek gelungen ist, sehr viele Anhänger aus der kommunistischen Wählerschaft zu gewinnen, weil er die Sozialdemokratie in die linke Richtung orientiert hat."

Zu Lasten der Kommunisten dürfte auch die hohe Wahlbeteiligung von 65 Prozent gegangen sein. Auch wenn die ersten Prognosen eine deutliche Sprache zu sprechen scheinen - für eine sichere Aussage über das Endergebnis müsse man noch abwarten, meint Dolezal. Der statistische Fehler von zwei Prozent ließe rechnerisch bei der Analyse auch noch eine rot-rote Mehrheit von Sozialdemokraten und Kommunisten zu. Außerdem sprechen die bisherigen Erfahrungen dafür, dass sich am Wahlabend noch einiges bewegen kann:

"Ich muss noch hinzufügen, dass bei uns seit dem Jahre 1996 ein gewisses Stereotyp herrscht: Die ersten Prognosen sind immer sehr optimistisch, was die Möglichkeit einer Mehrheitsregierung betrifft - aber im Laufe der Auszählungen verwandelt sich dann die Lage in Richtung eines politischen Patts."