Politiker-Affären: Spannung am Ende des tschechischen Wahlkampfes?

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Die tschechischen Wähler haben sich in den vergangenen Jahren daran gewöhnt, dass ihre Politiker hin und wieder in verschiedene Affären verwickelt sind. Die Medien berichten dann am Anfang ausführlich darüber, die Fälle geraten dann aber oft genauso schnell in Vergessenheit, wie sie aufgetaucht sind. Das diesjährige Rennen um die Sitze im tschechischen Abgeordnetenhaus verspricht einen knappen Ausgang. Umso stärker lässt sich vermuten, dass noch kurz vor den Wahlen eine Affäre platzen könnte, mit dem Ziel, die unentschiedenen Wähler zu beeinflussen. Lassen sich aber die tschechischen Wähler überhaupt beeinflussen? Das ist eine der Fragen, denen Robert Schuster nachgegangen ist.

Jiri Paroubek  (Sozialdemokraten) und Mirek Topolanek  (Bürgerdemokraten)
Weniger als zwei Wochen vor der Wahl scheint der Kampf um die Mandate im Parlament wie auch die künftige Regierungsmacht in Tschechien noch einmal spannend zu werden. Nicht nur, dass die neuesten Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden größten Parteien des Landes, also der regierenden Sozialdemokraten und der oppositionellen rechtsliberalen Bürgerdemokraten versprechen. In den Medien, und damit auch in der Öffentlichkeit, tauchten jüngst Berichte über mögliche Affären auf, die noch kurz vor den Wahlen veröffentlicht werden und den Ausgang der Wahlen beeinflussen könnten. Eine entsprechende Meldung brachte vor einigen Tagen die tschechische Internetzeitung aktualne.cz, deren Redakteuren von verschiedenen Seiten entsprechende Unterlagen zugespielt wurden.

Martin Bursik  (Grünen)
Hauptzielscheiben von möglichen Diskreditierungsversuchen sollten vor allem drei Politiker werden: Der Chef der oppositionellen Demokratischen Bürgerpartei Mirek Topolanek, der sozialdemokratische Landwirtschaftsminister Jan Mladek und der Vorsitzende der Grünen, Martin Bursik. Interessant dabei ist, dass es in allen drei Fällen im Grunde genommen nicht um irgendwelche neuen Enthüllungen gehen sollte, sondern um bereits bekannte Informationen, die lediglich neu aufbereitet und in neuen Zusammenhängen dargestellt werden sollten. Bei Topolanek geht es um sein Engagement in einem nordmährischen Energieunternehmen, das er jedoch bei seinem Einstieg in die Politik ruhen ließ; bei Landwirtschaftsminister Mladek wiederum um dessen angebliche Verbindungen zu zwielichtigen Unternehmen. Der für tschechische Politikerverhältnisse relativ wohlhabende Grünen-Chef Bursik hätte wiederum wegen der Restitution seines Vermögens kurz vor den Wahlen zum Ziel einer Diskreditierungskampagne werden sollen.

Was bedeutet es also, dass die Medien über diese geplanten Skandalisierungsversuche bereits im Vorfeld Wind bekommen haben? Lässt sich annehmen, dass diese Informationen, die jetzt publik geworden sind, vor den Wahlen nun doch nicht mehr zum Zuge kommen? Das fragten wir Petr Holub von der Internetzeitung aktualne.cz, die darüber berichtete.

"Das lässt sich schwer sagen, weil wir selber ein wenig Schwierigkeiten damit hatten, diese Informationen zu veröffentlichen. Einerseits konnte vielleicht verhindert werden, dass längst bekannte Fälle kurz vor den Wahlen neu aufgerollt werden und zur Skandalisierung der betroffenen Politiker führen. Auf der anderen Seite haben die Medien diese Fälle in der Vergangenheit aufgedeckt und die Politiker gezwungen, dazu Stellung zu beziehen. Es scheint, dass nun Ersteres gelungen ist. Ich denke, dass es insgesamt erstrebenswert wäre, dass der Wahlkampf nicht nur aus gezielten Schmutzkübelkampagnen bestehen würde, wo der eine Politiker versucht, den anderen zu diskreditieren."

Wie stark können aber Affären, die unmittelbar vor dem Wahltag veröffentlicht wurden und wichtige Politiker des Landes betreffen, generell die Wahlentscheidung beeinflussen? Sind die Wähler in Tschechien gegenüber solchen Enthüllungen mittlerweile nicht immun geworden? Dazu sagt Petr Holub:

"Es stimmt, dass wir bei den letzten Wahlen etwas Vergleichbares nicht erlebt haben. Ich habe daher diese Frage mit dem Chef des Meinungsforschungsinstituts Factum Invenio, Jan Herzmann, besprochen. Er meinte, dass die Wahrscheinlichkeit, dass diese Affären in irgendeiner Weise die Überlegungen der Wähler beeinflussen könnten, sehr gering ist. Es ist leider so, dass solche Enthüllungen zum festen Bestandteil der tschechischen Politik zu gehören scheinen. In der Vorwahlzeit ist natürlich die Frequenz solcher Fälle bedeutend höher, und vielleicht sollte man das nicht immer allzu ernst nehmen. Wenn wir auf die Affären blicken, die seinerzeit wirklich gefruchtet haben, wo also zum Beispiel die betroffenen Politiker dann zurücktreten mussten, dann waren das stets Fälle, wo sich die Politiker in Widersprüche verwickelt haben und keine klare Strategie hatten. Zu nennen wären hier die Fälle des früheren Premiers Stanislav Gross, oder des sozialdemokratischen Fraktionschefs Michael Kraus. Wenn sich diese beiden Politiker anders verhalten hätten, hätten sie ihre Affären vielleicht überstanden. In Wahlzeiten sind die Politiker generell sehr gut vorbereitet und müssen mit Attacken rechnen. Schon deshalb glaube ich, dass es wahrscheinlicher ist, dass sie gerade zu diesem Zeitpunkt alles überstehen würden."

Um welche Art von Enthüllungen müsste es sich handeln, um bei den tschechischen Wählern dennoch bestimmte Reaktionen hervorzurufen und sie vielleicht davon abzuhalten, einer konkreten Partei ihre Stimme zu geben bzw. den Wahlen sogar fern zu bleiben? Beträfe das in erster Linie Fälle, in denen sich Politiker bereichert haben, oder muss es schon um offenkundige kriminelle Verstrickungen gehen? Dazu meint Petr Holub:

"Ich denke, dass Eigentumsaffären gegenwärtig nicht mehr greifen können, genauso wie etwa der nachgewiesene Seitensprung eines Politikers. Auch Enthüllungen über ein allzu starkes Engagement des einen oder anderen Politikers in der Zeit vor der Wende würden wohl keine starken Reaktionen hervorrufen. Ausnahmen wären wohl Informationen über gewalttätiges Verhalten oder Spionage für einen ausländischen Geheimdienst, aber es gibt keine Anzeichen dafür, dass so etwas in Vorbereitung wäre."

Obwohl er noch voll im Gange ist, wird der diesjährige Wahlkampf schon vielerorts als der professionellste bezeichnet, den Tschechien nach der Wiederkehr der Demokratie je erlebt hat. Bedeutet aber die Professionalisierung nicht zwangsläufig, dass auch die negativen Begleiterscheinungen von Wahlkämpfen, wie etwa potentielle Diskreditierungsversuche, eine neue Qualität bekommen haben? Das war unsere abschließende Frage an den Journalisten Petr Holub von der ersten tschechischen Internetzeitung aktualne.cz:

"Ich denke, dass man das sicherlich dazu zählen kann. Aber, was heißt da schon Professionalisierung? Das bedeutet eigentlich nur, dass gewisse Agenturen diese Aufgabe aufgreifen und versuchen, der einen oder anderen Partei zu helfen. Aber die Mittel, die dabei eingesetzt werden, haben lediglich den Charakter von Marketing-Maßnahmen. Mit anderen Worten, den politischen Gegner so stark wie möglich anzuschwärzen und im Gegenzug die eigenen Leistungen und Qualitäten entsprechend hervorzuheben. In gewisser Weise kann das aber zu einem Herunterdrücken der politischen Kultur führen, und zwar auch dann, wenn wir den Eindruck haben, es handle sich dabei um den Ausdruck von Professionalität. Schon heute wissen wir nämlich mit ziemlicher Sicherheit, dass all die Vorwahlversprechen der Parteien völlig unrealistisch sind. Genauso wissen wir auch, dass alle diese Affären vorher vorbereitet wurden und wir als Wähler ihnen keinen Glauben schenken dürfen. Mit anderen Worten: Man kann im Zusammenhang mit dem diesjährigen Wahlkampf sicherlich von Professionalität sprechen. Diese geht aber in die falsche Richtung."