Hochwasser und Vogelgrippe: Kein Problem im Tourismus, aber Sorgen in der Landwirtschaft
Während die Tourismusbranche in Tschechien trotz Hochwasser und Vogelgrippe weiter boomt, haben andere Bereiche wie die Landwirtschaft oder die Chemische Industrie unter deren Folgen stark zu leiden. Insbesondere die Geflügelproduzenten haben es jetzt schwer, ihre Produkte an den Mann zu bringen.
Ups and downs in der tschechischen Wirtschaft
Die Arbeitslosenquote in Tschechien ist im März auf 8,8 Prozent gesunken. Im Februar hatte sie noch bei 9,1 Prozent, im März vergangenen Jahres sogar noch bei 9,4 Prozent gelegen. Somit wurden zum 31. März knapp 480.000 Arbeitssuchende bei den Arbeitsämtern registriert. Die Sprecherin des Ministeriums für Arbeit und Soziales in Prag, Katerina Berankova, nennt für den Rückgang der Arbeitslosigkeit gleich mehrere Gründe:"Hinter dieser positiven Entwicklung steht der Saisonbeginn bei den Arbeiten in der Landwirtschaft, in der Forstwirtschaft, im Bauwesen, im Handel sowie bei den Dienstleistungen im Tourismus und Reiseverkehr. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit ist auch das Ergebnis der aktiven Beschäftigungspolitik des Staates, deren Instrumente die Arbeitsämter in großem Maße geltend machen."
Der Ökonom der Gesellschaft Patria Finance, David Marek, kann dieser Behauptung jedoch nicht vollends zustimmen:
"Die saisonal bereinigte Arbeitslosenquote stagniert schon einige Monate, was bei dem gegenwärtigen schnellen Wirtschaftswachstum ein Zeichen dafür ist, dass auf dem Arbeitsmarkt nicht alles in Ordnung ist. Mit anderen Worten: Die Brutto-Arbeitslosigkeit steigt offensichtlich weiter an, was ein Hinweis dafür ist, dass die von Seiten der Regierung durchgeführte Beschäftigungspolitik ihre Wirkung verfehlt."
Dem Analytiker der Tschechoslowakischen Handelsbank (CSOB) Petr Dufek zufolge ist das kräftige Wirtschaftswachstum in Tschechien vor allem auf die sich erhöhende Arbeitseffektivität zurückzuführen. Dies wiederum sei ein Grund dafür, dass hierzulande gegenwärtig kaum neue Arbeitsplätze entstehen. Eine weitere Steigerung des Wirtschaftswachstums werde aber ihre Wirkung nicht verfehlen, meint Dufek:
"Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein schnelles Wirtschaftswachstum zu einer weiteren Senkung der Arbeitslosigkeit führt. Allein für dieses Jahr erwarten wir einen Rückgang von 0,5 Prozentpunkten."
Dass sich die Arbeitslosenquote in Tschechien weiterhin im einstelligen Bereich bewegt, ist vor allem der sehr hohen Beschäftigungsrate in Prag und Umgebung zuzuschreiben. In der Hauptstadt wurde zum 31. März eine Arbeitslosenquote von 3,1 Prozent registriert, im Bezirk Prag-Ost lag sie gar nur 2,6 Prozent. Demgegenüber waren zum gleichen Zeitpunkt im nordböhmischen Bezirk Most / Brüx 20,8 Prozent der Einwohner im arbeitsfähigen Alter ohne Erwerbstätigkeit.
Neben der zurückgegangenen Arbeitslosenquote konnte man hierzulande zuletzt auch erfreut feststellen, dass es nach wie vor eine ungebrochene Nachfrage nach Industriestandorten im Lande gibt. Daher werde der tschechische Staat, so die Einschätzung der Agentur CzechInvest, bis zum Jahr 2010 rund fünf Milliarden Kronen in den weiteren Ausbau von Industriezonen investieren. Das jedoch aus gutem Grund, wie CzechInvest-Sprecher Martin Chalupsky weiß:
"Die Nachfrage nach Industrie-Nutzungsflächen ist weiterhin sehr hoch. Sie ist insbesondere sehr groß in Regionen, die sowohl für ausländische als auch tschechische Investoren sehr attraktiv sind. Aus aktueller Sicht kann man sagen, dass dazu insbesondere Nord- und Südmähren, Nordwestböhmen sowie einige konkret bei Großstädten gelegene Regionen gehören, die über eine gute technische Ausstattung verfügen."
Hinter die Fassade geschaut
Der lange Winter hat den Betreibern von Skilifts und den Hoteliers in den Wintersportorten Tschechiens gute Einnahmen beschert. Dagegen befürchtete die Hotelbranche in den attraktiven Touristen-Hochburgen gleich zu Saisonbeginn größere Einbußen. Und zwar nicht nur als Folge der kalten Jahreszeit, sondern weil auch die Tschechische Republik von der Vogelgrippe nicht verschont blieb und weil zu Frühlingsbeginn weite Teile des Landes mit Hochwasser zu kämpfen hatten. Zur großen Überraschung der Prager Hotels und Pensionen aber haben diese Einflüsse die Touristen bisher nicht davon abgehalten, die tschechische Hauptstadt in Scharen zu besuchen. Im Gegenteil! Nach dem verlängerten Osterwochenende gab zum Beispiel der Direktor der Gesellschaft Prague City Apartments Martin Tomasek bekannt, dass seine Firma eine fast 80-prozentige Auslastung ihrer Apartments verzeichnen konnte. Das entspricht einem sechsprozentigen Zuwachs gegenüber dem vergangenen Jahr, ergänzte Tomasek.Auf der anderen Seite gibt es aber auch in Tschechien Branchen, die unter den Folgen des Hochwassers und insbesondere der Vogelgrippe leiden. Zu ihnen gehört die Landwirtschaft, in der es jetzt vor allem Geflügelproduzenten schwer haben, ihre Produkte an den Mann zu bringen. Warum das so ist, dazu sagte Landwirtschaftsminister Jan Mladek:
"Was die tschechischen Produzenten leider plagt, das sind die Dumpingpreis-Importe aus den Ländern, in denen es zu einem merklichen Nachlassen der Nachfrage bei Geflügel gekommen ist. Das ist ein unfairer Wettbewerb, so dass wir versuchen werden, einige Regelungen aus dem EU-Beitrittsvertrag zu aktivieren. Dieser Vertrag ermöglicht es uns u. a., dass wir bis zu drei Jahre nach dem EU-Beitritt einige Importe aus den alten EU-Ländern beschränken dürfen."In wenigen Tagen begeht die Tschechische Republik bereits den zweiten Jahrestag ihres EU-Beitritts vom 1. Mai 2004. Es verbleibt also nicht mehr allzu viel Zeit, um von den Regelungen des Beitrittsvertrags Gebrauch zu machen. Minister Mladek aber sieht das Ganze optimistisch:
"Der Spielraum dafür ist nur auf die ersten drei Jahre nach dem Beitritt begrenzt, was nichts anderes bedeutet, als dass wir die Beschränkungen bis zum 1. Mai 2007 geltend machen könnten. Das sollte in diesem Fall aber völlig reichen."
Wegen des übersatten Angebots will die Tschechische Republik Geflügel alsbald mit entsprechenden Schutzzöllen belegen. Bis dahin muss sie der Europäischen Kommission jedoch belegen, dass diese Importe zuletzt stark zugenommen haben. Jan Mladek ließ aber schon jetzt durchblicken, welches EU-Land den hiesigen Landwirten hierbei das meiste Kopfzerbrechen bereitet:
"Insbesondere Italien versucht auf den tschechischen Geflügelmarkt zu gelangen, und das nicht selten zu Dumpingpreisen."
Die zweite Seite der Medaille aber ist die, dass es auch Firmen gibt, die von der weltweiten Ausbreitung der Vogelgrippe profitieren. Eine dieser Firmen ist die Gesellschaft Bochemie aus dem nordmährischen Bohumin, die den Desinfektionsstoff Chloramin B herstellt, den sie derzeit verstärkt nach Vietnam liefert. Wofür er dort eingesetzt wird, das erklärt Bochemie-Generaldirektor Ladislav Kraus:
"Zum einen zur Liquidierung der Krankheitsherde bei einer Vogelgrippe - ein Problem, das gegenwärtig äußerst aktuell ist und das dazu geführt hat, dass wir die Zahl unserer Aufträge gegenüber den zurückliegenden Jahren gleich verdoppeln konnten. Des Weiteren wird es verwendet zur Desinfektion des Trinkwassers bei Überschwemmungen, wenn keine andere unverseuchte Quelle zur Verfügung steht. Außerdem kommt es in Krankenhäusern zum Einsatz."Neben der Vogelgrippe hat aber auch das gerade überstandene Hochwasser in der tschechischen Wirtschaft seine Spuren hinterlassen. So werden zum Beispiel die Schäden, die die Überschwemmungen im elbnahen Chemiewerk Spolana im mittelböhmischen Neratovice verursacht haben, mit einem Kronenbetrag im nahezu dreistelligen Millionenbereich beziffert. Die genaue Schadenshöhe wird hier und an anderen Industrieanlagen zurzeit allerdings noch festgestellt.