Tschechien: Pionier in der Infarktbehandlung?
Aus dicken Kindern werden oft dicke erwachsene, frühzeitig erworbenes Übergewicht kann zur lebenslangen Hypothek werden und irgendwann zu chronischen Erkrankungen führen - oder zu akuten Infarkten. Wir kommen nach Tschechien: Über das tschechische Gesundheitswesen wird derzeit viel gestritten. Die Krise ist aber vorwiegend eine finanzielle - fachlich kann die tschechische Medizin im internationalen Vergleich durchaus mithalten. Und in einigen Bereichen ist sie sogar führend. So zum Beispiel bei der Behandlung von Herzinfarkten. Für Radio Prag berichtet Thomas Kirschner.
Bei einem Herzinfarkt so schnell wie möglich ins nächstgelegene Krankenhaus: Diese scheinbar selbstverständliche Regel gilt in Tschechien seit einigen Jahren nicht mehr. Und das mit großem Erfolg. Statt der klassischen medikamentösen Thrombolysebehandlung im Krankenhaus um die Ecke werden Infarktpatienten in Tschechien inzwischen in eines der derzeit 22 Herzzentren des Landes gebracht, teils über große Entfernungen. Hier sind die teuren Geräte für eine so genannte Angioplastik vorhanden - die verstopfte Ader wird dabei mit einem aufblasbaren Ballonkatheder dauerhaft geweitet.
Eine tschechische Studie hat vor acht Jahren erstmals eindeutig die Überlegenheit dieser Strategie gezeigt, erklärt der Prager Herzspezialist Prof. Jaromir Hradec. Bis dahin galt für Infarktpatienten Ruhe als das oberste Gebot:
"Der wissenschaftliche Beirat des Gesundheitsministeriums hat anfangs keine Erlaubnis für die Studie erteilen wollen, da er den Transport von Infarktpatienten als Hasardspiel mit Menschenleben ansah. Die Studie hat aber eindeutig ergeben, dass es das Beste ist, die Infarktpatienten mit einen Rettungswagen so schnell wie möglich in ein Krankenhaus zu bringen, in dem unmittelbar ein Herzkatheder gelegt und eine Angioplastik durchgeführt werden kann. Das ist das Beste für den Kranken und gibt ihm die größte Chance."
Trotz des kritischen Transportes: Im Vergleich zur klassischen Therapie sinkt für die Infarktpatienten das Risiko, innerhalb der ersten 30 Tage an dem Infarkt zu sterben oder einen erneuten Gefäßverschluss zu erleiden um 45 Prozent. Folge der Studie: die Infarktbehandlung wurde in Tschechien komplett umgekrempelt, es entstand ein flächendeckendes Netz von 22 Herzzentren, die von allen Orten des Landes in maximal einer Stunde zu erreichen sind. Tschechien weist damit weltweit eines der modernsten Systeme für die Infarktbehandlung auf:
"Heute werden in Tschechien fast 90 Prozent der Patienten mit akutem Infarkt in die Herzzentren gebracht und mit einem Herzkatheder behandelt. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das um ein vielfaches mehr, da bewegen sich die Zahlen zwischen sieben und dreizehn Prozent."Trotz aller Verbesserungen bei der Behandlung: Der Herzinfarkt bleibt auch in Tschechien weiter eine der häufigsten Todesursachen. Von den jährlich 20.000 tschechischen Infarktpatienten sterben etwa 7.000.