Wartezeit für tschechische Stammzellforscher ohne Ende
Acht Jahre Freiheitsstrafe und Berufsverbot, das sind die zwei Hauptsanktionen, die den tschechischen Wissenschaftlern drohen, wenn sie es wagen sollten, einen geklonten Menschen zu fabrizieren. Das sieht die Gesetzesvorlage vor, die am 1. Februar dieses Jahres vom Abgeordnetenhaus gebilligt wurde. Wegen der darin beinhalteten Regelung, nach der kinderlose Paare, Frau und Mann, nur bis zu ihrem 40. Lebensjahr vom Recht auf künstliche Befruchtung profitieren sollen, wurde das ganze Gesetz dieser Tage von der oberen Parlamentskammer, dem Senat, vom Tisch gewischt. Tschechische Forscher müssen also noch weiter auf die gesetzlich verankerte Billigung der Experimente an den so genannten embryonalen Stammzellen warten. Es wird sich aber kaum etwas daran ändern, dass die Forschung auf diesem Gebiet in Tschechien bereits betrieben wird. Zu diesem Thema hat sich Jitka Mladkova für die nun folgende erste Ausgabe unserer neuen Sendereihe "Panorama CZ" umgehört:
In Tschechien wird bereits seit mehreren Jahren an allen Typen der Stammzellen geforscht. So lässt sich kurz und bündig der aktuelle Stand der Dinge definieren. Als eine Art Dachzentrum verschiedener Forschungsstätten gilt das Institut für Neurowissenschaften, geleitet von Professor Eva Sykova, einer der hierzulande renommiertesten Spezialistinnen in diesem Fachbereich. Sie hat vor etwa drei Jahren mit klinischen Experimenten bei Patienten mit Wirbelsäulenverletzung begonnen, denen eigene Stammzellen aus dem Knochenmark implantiert wurden.
Neben den so genannten adulten, also erwachsenen Stammzellen wird in Tschechien auch mit embryonalen Stammzellen experimentiert, die von Tieren gewonnen und nach entsprechenden Manipulationen auch wieder bei Tieren verwendet werden. Ohne großes In-die-Welt-Posaunen allerdings haben tschechische Forscher auch menschliche Embryonalzelllinien entwickelt, die zum internationalen Register der Datenbank mit Sitz in Großbritannien gehören. Nicht ohne Stolz sagt Eva Sykova dazu:
"Tschechien ist eines der wenigen Länder, die menschliche Embryonalzellen in ihrem Besitz haben. Sie wurden bei der außerhalb des Mutterleibes durchgeführten Eibefruchtung in einem frühen Entwicklungsstadium von Embryonen isoliert."
Mit dem neuen Gesetz sollen der Forschung klare Grenzen gesetzt werden. Danach haben viele Wissenschaftler eine lange Zeit gerufen. Es sei ein nationales tschechisches Gesetz, das aber auch alle ethischen Parameter reflektiere, die vom Internationalen Forum für Arbeit mit Embryonalzellen empfohlen werden, sagt Sykova und erläutert:
"In den einzelnen Ländern hat man natürlich unterschiedliche Gesetze, die mehr oder weniger streng sind. Unser Gesetz ist irgendwo in der Mitte und meiner Meinung nach ist es gut und vernünftig konzipiert. Noch weiter als bei uns ist man in Großbritannien gegangen."
Im Laufe von zwei Jahren, als die Gesetzesvorlage über Embryonalzellforschung in der Regierung und anschließend im Abgeordnetenhaus verhandelt wurde, ist dies von der tschechischen Gesellschaft kaum zur Kenntnis genommen worden. Kontinuierlich dagegen gewehrt haben sich nur die Christdemokraten (KDU-CSL) und die katholische Bischofskonferenz. Heftige und kontroverse Debatten zum Thema "therapeutisches Klonen", wie man sie aus dem Ausland kennt, bewertet Eva Sykova eher gelassen:
"Ich sehe hier eine Parallele zu der Situation, als man mit der In -Vitro-Fertilisation, oder wie man sagt, Retortenbabys, begonnen hat. Damals gab es auch großen Widerstand gegen diese medizinische Methode und heute gilt sie als absolut normal.Ich glaube, die legislativen Regelwerke von heute werden wesentlich restriktiver verfasst als es in Zukunft der Fall sein wird. Vor allem dann, wenn eindeutig nachgewiesen wird, dass die Embryonalzellen in der Tat über das Potential verfügen, eine ganze Reihe von körperlichen Defekten oder Erkrankungen wieder gut zu machen bzw. zu heilen."
Die existierenden Unterschiede in der Einstellung der einzelnen Länder zum therapeutischen Klonen und damit auch in der betreffenden Legislative führt Sykova u.a. auch auf unterschiedliche kulturelle Wurzeln zurück, darunter auch auf die Einstellung zur Religion, die sich ihrer Meinung nach in den einzelnen Ländern durch unterschiedliche Intensität auszeichnet. Kürzlich nahm sie an einer internationalen Fachkonferenz über die ES-Zellforschung in Paris teil. In der wissenschaftlichen Welt herrsche Einigkeit, bekräftigt sie:
"Auf dem internationalen Forum hat sich gezeigt, dass die Position der beteiligten Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern wie Deutschland, England, USA und anderen in dieser Frage identisch ist. Absolut einig waren sie darin, dass die Forschung fortgeführt werden muss, natürlich bei Respektierung aller ethischen Prinzipien."
Wie ist es aber um die Sicherheit bestellt, dass die vereinbarten ethischen Prinzipien immer und unter allen Umständen eingehalten werden?
"Das ist ein großes Problem. In einigen Ländern, vor allem aber dort, wo der Rechtsstaat keine Tradition hat, wie z.B. in Südkorea, China, Indien oder in der Dominikanischen Republik, können Forschungen gemacht werden, die in den entwickelten Ländern Europas oder in den USA nicht möglich wären."
Wie dem Gespräch mit Eva Sykova, Direktorin des Prager Instituts für Neurowissenschaften, zu entnehmen war, hat man auch hierzulande Ambitionen. Dass mithilfe therapeutischen Klonens etwa Hirnzellen für Parkinson-Kranke und Schlaganfallpatienten oder Herzzellen für Infarktopfer gezüchtet werden können, hält die Wissenschaftlerin für keine überzogene Erwartung. Sykova zufolge sollte das neue Stammzellgesetz, für dessen Zustandekommen sie sich u.a. auch in zahlreichen Diskussionen mit Politikern eingesetzt hat, den Forschern neuen Rückenwind geben. Auf diesen allerdings werden sie nun nach dem Scheitern des Gesetzes im Senat offenbar noch eine Weile warten müssen.