"Ich habe den englischen König bedient." Tschechen warten auf neue Hrabal-Verfilmung
Ich habe den englischen König bedient. So lautet der Titel eines der bekanntesten Werke des tschechischen Schriftstellers Bohumil Hrabal. Der mindestens ebenso bekannte Regisseur Jiri Menzel beginnt gerade mit der Verfilmung des Buches. Entsprechend groß ist die Neugier, mit der der Streifen bereits jetzt erwartet wird. Mehr dazu im nun folgenden Kultursalon von Jakub Siska.
Bohumil Hrabal und Jiri Menzel waren Freunde. Der Regisseur hat bereits die meisten Werke des Schriftstellers auf die Leinwand übertragen. Besonders erwähnenswert ist dabei die Kriegsnovelle "Scharf beobachtete Züge". Vor 40 Jahren hat dieser Film einen Oscar gewonnen, letztes Jahr hat ihn die amerikanische Zeitschrift Time zu einem der hundert besten Filme der Geschichte gewählt. Man sagt, dass der Streifen ein genaues Bild der Besatzungszeit gibt: Eine Mischung der ganz gewöhnlichen menschlichen Sorgen und der Sehnsucht nach Heldenmut, die während des Krieges ihre spezielle Äußerung findet. Regisseur Menzel drehte den Film als 30-Jähriger.
"Ich kenne den Krieg nur aus den damaligen Wochenschauen, Anekdoten und Erzählungen. Ich erinnere mich daran, wie mein Vater zu Hause fremdes Radio hörte, wie ich anderswo darüber nicht sprechen durfte, und wie sich meine Mutter um uns sorgte. Vieles habe ich aus der Mode und der Musik heraus verstanden. Das zusammen reicht irgendwie aus: Die Verhältnisse der Menschen ändern sich nicht, und die kenne ich aus der heutigen Zeit gut."
Ein weiterer erfolgreicher Film des Tandems Hrabal-Menzel hieß "Postriziny". Obwohl man ihn als "typisch tschechischen" Film bezeichnen kann, fand er auch im Ausland Anklang. Anfang der 80er Jahre war er als einer der wenigen tschechoslowakischen Filme in der europäischen Distribution vertreten. Bohumil Hrabal erzählte einst:"Ich habe immer Wert auf eine allgemeine Ausbildung gelegt. In meiner Freizeit lese ich Philosophie, Gedichte und Literatur, die mit meiner Arbeit nicht unmittelbar zusammenhängt. Dabei vergesse ich aber nicht auf die Natur, auf die Tiere und vor allem auf die so genannten Alltagsmenschen. Diese Leute sind oft in der Lage, eine stille Revolte gegen Konventionen zu vollbringen, weil es ihnen nicht an Lebensweisheit fehlt. Meiner Meinung nach haben diese Leute mit der philosophischen Suche nach Wahrheit mehr zu tun, als gebildete Fachmänner, die oberflächlich und eintönig leben. In dem Film ist ganz offensichtlich: Jiri Menzel und ich, wir haben keinen Eingriff von außen gebraucht, wie man ihn zum Beispiel in einer antiken Tragödie finden kann. Wir gingen davon aus, dass die gewöhnliche Existenz schon durch sich selbst dramatisch ist! Das heißt, unsere Geschichte ist eine Lovestory mit ganz alltäglichen Konflikten. Der erste: Die Hauptheldin erklettert den Schornstein. Der zweite: Sie lässt sich die Haare schneiden. Keine Morde, kein Betrug, keine Dreiecksbeziehungen. Sehen Sie sich das an, bestimmt denken Sie dann auch, dass Sie so leben möchten! Jedes vierte Ehepaar lässt sich scheiden, aber unsere Protagonisten lieben einander und bleiben trotz aller Streitigkeiten zusammen."
Der Film spielt vor dem Ersten Weltkrieg in einer Kleinstadt und besteht aus einer Reihe von Konflikten zwischen dem Verwalter der Brauerei und dem Verwaltungsrat. Die Karriere des Verwalters wird durch die Tollheiten seiner Frau und auch durch die Anreise seines lärmenden Bruders Pepino bedroht. So wie in diesem Film kann nur Hrabal einen faden Nachmittag in der Brauerei beschreiben, sagen die meisten Tschechen einstimmig. Das ist die Kunst des Sehens, fügt Jiri Menzel hinzu:
"Alles hängt davon ab, aus welchem Abstand Sie etwas anschauen. Ein aus weiter Ferne betrachtetes Drama erscheint vielleicht als unbedeutende Begebenheit. Und umgekehrt: Was ohne jede Handlung ist, kann aus der Nähe atemberaubend wirken. Das halte ich für wichtig: Unser Leben bringt meistens nicht so große Wenden, wie die antiken Tragödien, trotzdem ist es dramatisch. Und die Leute finden im Film, im Theater und in der Literatur gerne ihre alltäglichen Probleme. Das braucht aber Auffassungsvermögen. Die rechte Moral in sich zu haben und in der Lage zu sein, die Menschen im Alltag zu verstehen, das ist deutlich wichtiger, als Bildung und Belesenheit. Es gibt viele technisch vollkommene Filme mit Effekten, aber oft sind sie sinnlos, vergänglich. Nur der Inhalt ist wichtig."
Die Novelle
"... und so ging ich auf dem Bahnsteig auf und ab und sah mich durch Zufall in einem Spiegel, und als ich mich so anschaute, sah ich mich auf einmal als fremden Menschen, genauso wie diese Deutschen aus allen Teilen ihres Landes, diese Deutschen mit all den Nuancen, ihren Berufen, Krankheiten und Vorlieben, die ich durchschaute, da ich den abessinlichen Kaiser bedient hatte, denn letzten Endes war ich durch die Schule des Herrn Oberkellners Skrivanek gegangen, der wiederum den englischen König bedient hatte, und so schaute ich mich an und sah mich selbst mit dem gleichen durchdringenden Blick wie ich mich gesehen hatte, als Sokol, der sich, während tschechische Patrioten hingerichtet wurden, von Nazi Doktoren hatte untersuchen lassen, ob er fähig sei, einer deutschen Turnlehrerin beizuwohnen; ja, und als die Deutschen den Krieg gegen Russland begannen, hatte ich Hochzeit gehalten und die Reihen dicht geschlossen gesungen ..."
Der Film "Ich habe den englischen König bedient" hätte schon vor vielen Jahren entstehen können, aber der Streit um die Urheberrechte hat dies vereitelt. Nun soll er Ende dieses Jahres fertig werden. Der Hauptheld wird von zwei Schauspielern dargestellt: In der Jugendzeit von dem Bulgaren Ivan Barnev und im reifen Alter von dem Tschechen Oldrich Kaiser. Seine Ehefrau spielt die deutsche Schauspielerin Julia Jentsch. "Ich wähle die Darsteller, wie sie Hrabal entsprechen, er verdient Authentizität", sagt Regisseur Jiri Menzel.
Bohumil Hrabal hat aber die Verfilmung seines Werkes nicht mehr erlebt. Er starb 1997, nachdem er aus dem Fenster des Krankenhauses gefallen war. Angeblich beim Taubenfüttern.