Scharf beobachteter Bahnhof: Museum erinnert an legendären Oscar-Film „Liebe nach Fahrplan“

Ostře sledované vlaky (Scharf beobachtete Züge)

Im mittelböhmischen Loděnice / Lodenitz besteht seit einiger Zeit ein Museum für den Film „Liebe nach Fahrplan“ („Ostře sledované vlaky“). Denn am dortigen Bahnhof wurde der Oscar-Streifen in den 1960er Jahren gedreht. Zu den Eisenbahnfans vor Ort zählen auch Anwohner, die damals beim Dreh dabei waren.

Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Zweimal in der Stunde hält ein Zug in Loděnice, einer fährt nach Beroun / Beraun, einer nach Prag. Was viele der Durchreisenden nicht wissen: Sie befinden sich nicht nur auf einer historischen Eisenbahnstrecke, sondern das Bahnhofsgebäude von Loděnice spielte auch in einem der wichtigsten tschechischen Filme überhaupt eine Hauptrolle.

Martin Foršt vor dem Museum | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Der Film „Ostře sledované vlaky“ wurde 1966 gedreht und hat in Tschechien bis heute Kultstatus – nicht nur, weil er einen Oscar erhalten hat. Ins Deutsche wird der Titel als „Liebe nach Fahrplan“ oder auch mit „Scharf beobachtete Züge“ übersetzt. Der Streifen, bei dem Jiří Menzel Regie führte, ist die Verfilmung einer gleichnamigen Erzählung von Bohumil Hrabal (deutsch: „Reise nach Sondervorschrift, Zuglauf überwacht“, übersetzt von Franz Peter Künzel).

Die Geschichte begleitet den jungen Bahnamtsanwärter Miloš Hrma während des Zweiten Weltkriegs bei seinen Versuchen, in Liebe und Beruf das Glück zu finden. Am Ende stirbt der tschechische Protagonist bei der Explosion eines deutschen Munitionszuges, das Attentat hat er selbst verursacht.

Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Ehrenamtliche haben das Museum eingerichtet

Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Gedreht wurde der Film am Bahnhof im mittelböhmischen Loděnice, und diesem Umstand wurde dort vor einigen Jahren ein Denkmal gesetzt – in Form eines Museums. „Wir haben von April bis Oktober geöffnet. Wenn man uns im Winter besuchen möchte, kann man anrufen, und wir öffnen die Ausstellung“, sagt Martin Foršt im Interview für Radio Prag International.

Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Er ist Teil eines zehnköpfigen Teams, das das Museum betreibt. Seit einem Jahr übernimmt er Schichten im Besucherbetrieb. Eingerichtet wurde das Museum 2017. Es thematisiert auch die Geschichte der Eisenbahntrasse 173, die von Prag nach Beroun führt und dabei Loděnice passiert. Zur Eröffnung des Museums feierte die Strecke gerade ihr 120. Jubiläum. Wenngleich die historische Ausstellung die Herzen von Eisenbahnfans höher schlagen lässt, werden die meisten Besucher aber wohl vielmehr wegen der Filmgeschichte hierher reisen. Martin Foršt führt in den dritten Raum der Ausstellung: „Dieser Raum ist dem Film ‚Liebe nach Fahrplan‘ gewidmet, der 1966 an diesem Bahnhof gedreht wurde.“

Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Erinnert wird auch an jenen Moment, der den Film international bekannt gemacht hat:

„Wir haben hier ein kleines Kino eingerichtet. Auf dem Fernseher läuft die Aufzeichnung der Übergabe des Oscars. Die Menschen hierzulande haben diese Bilder 1968 gar nicht sehen können, denn das Tschechoslowakische Staatsfernsehen übertrug die Verleihung nicht.“

Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Die Crew traf sich später regelmäßig auf dem Bahnhof

Regisseur Jiří Menzel  (2016) | Foto: České dráhy

Auch Regisseur Jiří Menzel sei dem Bahnhof in Loděnice nach dem Dreh eng verbunden geblieben, schildert Foršt:

„Er war zu einem Jahrestag der Dreharbeiten noch einmal hier, und er ist hier regelmäßig mit den Schauspielern zusammengekommen.“

Aber hat Jiří Menzel auch die Ausstellung besucht?

„Nein, er kennt das Museum nicht. Als es 2017 eröffnet wurde, war Herr Menzel schon krank.“

Und drei Jahre später, 2020, verstarb der weltbekannte Regisseur in seiner Heimatstadt Prag.

Nicht nur für Menzel-Fans ist nun die Ausstellung heute ein spannender Ort:

„Den Museumsbesuch verbinden die meisten mit einem Ausflug zur Pilgerstätte Svatý Jan pod Skalou, der Mine in Chrustenice oder dem nahegelegenen Solvay-Steinbruch“, so Foršt.

Attentat einer Partisanengruppe diente Hrabal als Buchvorlage

Bohumil Hrabal ließ sich für sein Eisenbahnbuch ursprünglich von seiner Zeit als Fahrdienstleiter in Kostomlaty nad Labem / Groß Kostomlat in Mittelböhmen inspirieren. Seine Erzählung beruht auf realen Begebenheiten, denn im März 1945 hatte tatsächlich eine Partisanengruppe einen deutschen

Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Munitionszug in die Luft gejagt – nicht weit von Hrabals Bahnhofs, bei der Station in Stratov / Stratow.

Dass für Jiří Menzels Film der Bahnhof von Loděnice als Kulisse gewählt wurde, hatte verschiedene Gründe. Im Gegensatz zu Kostomlaty gab es hier weniger Verkehr, der die Dreharbeiten behindert hätte. Zudem überzeugte die Umgebung durch einen kleinen Hang, der den Außeneinstellungen nicht nur einen intimeren Charakter gab, sondern auch Aufnahmen fast aus der Vogelperspektive ermöglichte.

Die Darsteller stammten teils aus Loděnice

Jiří Cajthaml war beim Dreh in Loděnice dabei:

„Ich habe damals die Motordraisine mit Vlastimil Brodský gefahren. Dazu bin ich gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Mein Vater war hier Stationsvorsteher. Als ich mit dem Zug aus Prag von der Arbeit kam, stand er auf dem Bahnsteig. Der eigentliche Lokführer für das Schienenauto war krank geworden, mein Vater wollte helfen und sprang ein. Als er allerdings ein Stück rückwärtsfuhr, stieß er an einem Waggon an und drückte ihn ein wenig ein. Also gab er mir die Schlüssel und meinte, ich solle das übernehmen. Und so habe ich Brodský gefahren.“

„Liebe nach Fahrplan“  | Foto: Tschechisches Fernsehen

Vlastimil Brodský war dabei zum Zeitpunkt des Drehs bereits ein bekannter Schauspieler. In „Liebe nach Fahrplan“ verkörpert er die Rolle von Zedníček, einem deutschen Kollaborateur.

Im Film von 1966 ist Jiří Cajthaml nur kurz zu sehen. Seine Erinnerung an den Dreh ist dennoch sehr lebendig:

„Ich habe mich öfter mit Jiří Menzel unterhalten. Ich würde sagen, er war ein lieber Regisseur, aber auch sehr streng.“

Cajthaml traf in Loděnice auch auf den Hauptdarsteller:

„Mit Václav Neckář habe ich hier sogar Tischtennis gespielt. Denn der Stab brauchte schlechtes Wetter, es schien aber die Sonne, und deshalb konnte nicht gedreht werden. Wir haben uns darum die Zeit vertrieben.“

Jiří Cajthaml kann man auch heute noch am Bahnhof von Loděnice treffen. Denn wie sein Vater auch wurde er Eisenbahner aus Leidenschaft: „Ich bin Lokführer geworden und bin 25 Jahre lang diese Trasse gefahren“, so Cajthaml.

Das „Museum der Trasse und von Liebe nach Fahrplan“ (Museum trati a Ostře sledovaných vlaků) in Loděnice kann von April bis Oktober besucht werden. Geöffnet ist immer samstags und sonntags von 9 bis 17 Uhr. Der Eintritt kostet 20 Kronen.

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