Regionalmuseum Chomutov / Komotau
Die nordböhmische Stadt Chomutov / Komotau ist in der allgemeinen Vorstellung eines Durchschnittstschechen vor allem mit dem Bergbau und der Schwerindustrie verbunden. Weniger bekannt ist jedoch die reichhaltige Geschichte der heute etwa 50.000 Einwohner zählenden Stadt, in der in der Vergangenheit vorwiegend deutschsprachige Bevölkerung lebte. In das Regionalmuseum von Chomutov, das sich in den letzten Jahren bemüht, die Wurzel der Stadt wieder zu entdecken, laden Sie Martina Schneibergova und Thomas Kirschner im folgenden "Reiseland Tschechien" ein.
Das Regionalmuseum befindet sich im historischen Stadtkern von Chomutov / Komotau; es hat den Sitz im Gebäude des ehemaligen Jesuitengymnasiums. Ein Teil der Museumssammlungen ist auch in dem unweit gelegenen Rathaus untergebracht. Das Jesuitenkolleg, dessen Räumlichkeiten heute dem Museum zur Verfügung stehen, wurde im Jahre 1591 vom böhmischen Adeligen Jiri Popel z Lobkovic gegründet, der im selben Jahr nach Chomutov gekommen war. Museumsdirektor Stanislav Ded dazu:
"Als ein überzeugter Katholik unterstützte Jiri Popel z Lobkovic die Wiedereinführung des katholischen Glaubens in der Stadt. Er lud die Jesuiten nach Chomutov ein und begann das große Areal des Jesuitenkollegs zu bauen. Lobkovic selbst war eine beachtenswerte Persönlichkeit mit vielfältigen Interessen. Er wollte aus Chomutov eine Universitätsstadt machen. Nicht alle seine Vorhaben wurden jedoch verwirklicht. Er hatte ein trauriges Schicksal: Nachdem er bei Kaiser Rudolf II. in Ungnade gefallen war, starb er im Gefängnis. Das, was er gegründet hatte, ist jedoch bis heute in Chomutov erhalten geblieben." Die erste schriftliche Erwähnung über die Pläne zur Errichtung eines Stadtmuseums in Chomutov stammt aus dem Jahr 1851, als ein Komotauer Oberlehrer seine Münzsammlung dem künftigen Museum schenkte. Es haben jedoch noch weitere sechzig Jahre vergehen müssen, bevor die Stadtvertreter begannen, sich ernsthaft mit dem Gedanken an ein Museum zu befassen. Der Museumsdirektor sagt über die Entstehung der Institution:"1923 wurde das Museum eröffnet. Bereits vorher - 1911 - wurde die Museumsgesellschaft gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Sammlungen bedeutend erweitert. Denn unter dem kommunistischen Regime wurden in den fünfziger Jahren im Rahmen der Zentralisierung alle kleineren Stadt- und Lokalmuseen geschlossen und ihre Sammlungen auf das zuständige Bezirksmuseum - in unserem Fall nach Chomutov - übertragen. Heute ist der Landkreis Usti nad Labem / Aussig der Träger der Institution, die ´Oblastni muzeum´ - also das Regionalmuseum - genannt wird. Unsere Sammlungen sind umfangreich, sie umfassen mehr als 215.000 Gegenstände, die in etwa dreißig Fachsammlungen aufbewahrt werden. Es geht um kunsthistorische, ethnografische, naturwissenschaftliche, archäologische, numismatische und weitere Sammlungen. Die Vielfalt und der Umfang sind wirklich groß."
Für besonders empfehlenswert hält der Direktor die Sammlung der gotischen Kunst. Die Plastiken, Altargemälde und weitere Kunstwerke kann man im Historischen Saal des Rathauses auf dem Platz des 1. Mai besichtigen:"Die Sammlung ist sehr wertvoll. Es handelt sich um die größte Sammlung dieser Art in Nordwestböhmen. Ihre Anfänge sind mit der Tätigkeit des namhaften Prager Kunsthistorikers Josef Opitz verbunden, der einst mit dem hiesigen Museum zusammenarbeitete. Opitz hat 1928 eine Ausstellung von berühmten böhmischen gotischen Plastiken organisiert. Es ist damals dem Museum gelungen, viele der Werke aufzukaufen, einige der Kunstgegenstände haben die Pfarrämter dem Museum geschenkt. Die Sammlung ist höchstwahrscheinlich komplett erhalten geblieben."
Die Sammlung der gotischen Kunst kann man, wie bereits erwähnt wurde, im Rathausgebäude besichtigen. In den Räumlichkeiten des Jesuitengymnasiums präsentiert das Museum in einer ständigen Ausstellung vor allem seine archäologischen Sammlungen, die aus der Region von Chomutov stammen. Außerdem wird in einem der Säle die Geschichte des Erzgebirges beschrieben, mit Betonung der für die Region typischen Handwerke. Es handelt sich um eine eher ethnografische Ausstellung. Stanislav Ded dazu:
"Diese Ausstellung deutet den Weg an, den das Museum heute geht. Es konzentriert sich auf die Dokumentation des historischen Vermächtnisses der vergangenen Generationen, vor allem auf die Geschichte der letzten zwei Jahrhunderte. In diesem Bereich hat die tschechische Museumskunde viel nachzuholen. Chomutov war das Verwaltungszentrum einer Region mit vorwiegend deutscher Bevölkerung. Die deutschen Bewohner sind nach der Vertreibung aus dem historischen Gedächtnis der Stadt jedoch verschwunden. Es ist interessant, manchmal die Fragen unserer Besucher zu hören, die erstaunt sind, dass bestimmte Dokumente in Deutsch verfasst wurden. Es zeigt sich, dass die heutigen Bewohner der Stadt nicht mehr wissen, dass hier Jahrhunderte lang auch Deutsche oder besser gesagt überwiegend Deutsche gelebt haben."Nach vierzig Jahren Kommunismus, wo es im Schulunterricht gar keine beziehungsweise ausschließlich negative Erwähnungen über die deutsche Bevölkerung der böhmischen Länder gab, ist dieser Stand des Wissens nicht überraschend. Nach Worten von Stanislav Ded bemüht sich das Museum diese Bildungslücke zu füllen.
"Es geht darum, die Tatsachen in den Dokumenten zu entdecken und sie der Öffentlichkeit zu präsentieren. Aus dem Grund haben wir auch bestimmte praktische Schritte unternommen - wie zum Beispiel Kontakte mit den Landsleuten anzuknüpfen, die heute in Deutschland leben. Die ehemaligen Komotauer haben sich vor allem in der Region von Erlangen niedergelassen. Die vormaligen deutschen Einwohner der Gemeinde Prisecnice / Preßnitz, die in den 1970er Jahren der gleichnamigen Talsperre weichen musste, wohnen vorwiegend in Lohr am Main. Ich halte es für einen großen Erfolg, dass es uns gelang, sehr freundschaftliche Beziehungen auch mit der Führung dieser Verbände zu knüpfen."Das Museum bereitet in Zusammenarbeit mit den ehemaligen deutschen Komotauern auch Ausstellungen vor. Viel besucht war beispielsweise die Ausstellung über die Geschichte der verschwundenen Gemeinde Prisecnice. Anlässlich der Ausstellung wurde gemeinsam ein Buch herausgegeben, das inzwischen vergriffen ist, erzählt der Museumsdirektor und sagt, dass die Beziehungen zu den Landsleuten auch auf persönlicher Ebene sehr gut sind:
"Ich meine, dass dies der richtige Weg ist. Denn das Museum in Chomutov ist nicht dafür zuständig, Fragen der hohen Politik zu lösen, sondern um zu den Wurzeln zurückzufinden."
Fotos: Autorin