Vor 60 Jahren begann die organisierte Vertreibung der Sudetendeutschen

Die Konflikte zwischen Tschechen und Deutschen in den Böhmischen Ländern haben die Geschichte der Region in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts massiv bestimmt und belastet. Nach den grausamen Verbrechen der Nationalsozialisten während des 2. Weltkrieges wollten die damaligen tschechoslowakischen Politiker keine gemeinsame Zukunft mit den Deutschen in einem Land: Vor genau 60 Jahren begann am 25. Januar 1946 die organisierte Vertreibung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei. Es erinnert Thomas Kirschner.

Vertreibung der Sudetendeutschen
Von der Vertreibung, zu Tschechisch "odsun", also Abschiebung genannt, waren nach offiziellen Zahlen rund 2,9 Millionen Sudetendeutsche betroffen. Etwa 20.000 Vertriebene kamen dabei ums Leben, größtenteils durch Krankheit und Auszehrung, aber auch durch direkte Gewalt. Nach der Flucht der NS-Funktionäre und den so genannten "wilden Vertreibungen" gilt die organisierte Vertreibung als dritte Welle der Aussiedlung der Deutschen aus der Tschechoslowakei. Sie begann genau vor 60 Jahren. Am 25. Januar 1946 traf ein Zug mit den ersten 1200 Vertriebenen aus Budweis in Furth im Wald ein. Dazu der tschechische Historiker Emanuel Mandler:

Vertreibung der Deutschen
"Die Atmosphäre hat sich von der der wilden Vertreibungen nicht allzu sehr unterschieden, nur dass die Regierung die schlimmsten Exzesse verhindert hat. Der Hass allerdings, den Hitler auf der ganzen Welt gegen die Deutschen geweckt hatte, der war auch in Tschechien sehr stark."

Seit Jahren bemühen sich nun sowohl Tschechen als auch Sudetendeutsche um eine Wiederannäherung, der aber beiderseits zahlreiche Vorbehalte im Wege stehen. Erster Schritt war die deutsch-tschechische Erklärung des Jahres 1997. Der Historiker Emanuel Mandler plädiert für weiteren Dialog und direkte Gespräche mit den Sudetendeutschen.

Vertreibung der Deutschen
"Die deutsch-tschechische Erklärung ist kein Gesetz, sondern eben nur eine Erklärung. Das Leben bleibt aber nicht stehen, und die sudetendeutsche Frage ist mit dieser Erklärung nicht abgeschlossen worden. Gut wäre es, direkt mit Vertretern der Sudetendeutschen zu sprechen, aber danach sieht es derzeit nicht aus. Man sollte also darüber nachdenken, was gegenwärtig überhaupt zu erreichen ist. Die Geste der tschechischen Regierung im vergangenen Jahr war zwar recht bescheiden, aber immerhin nach den langen Jahren überhaupt die erste Versöhnungsgeste."

An den Beginn der organisierten Vertreibung hat am Wochenende auch die Sudetendeutsche Landsmannschaft bei einer Gedenkstunde in Furth im Wald erinnert. Landsmannschafts-Vorsitzender Bernd Posselt nannte die Vertreibung dabei ein Verbrechen, auf das die Antwort aber nicht Verbitterung sein dürfe. Posselt würdigte auch die Versöhnungsgeste der tschechischen Regierung gegenüber sudetendeutschen NS-Gegnern.